Der Verzicht auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit der drohenden Arbeitgeberkündigung bei einem Aufhebungsvertrag mit Abfindungsvereinbarung in den Grenzen des § 1a Abs. 2 KSchG kommt nur für eine Beendigung von Arbeitsverhältnissen im Falle betriebsbedingter Kündigungen in Betracht. Jenseits des § 1a KSchG und der von dieser Regelung erfassten Abfindungen (hier: personenbedingte Kündigung wegen Minderleistung) ist daran festzuhalten, dass sich ein Arbeitnehmer im Falle der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch Zustimmung zu einem Aufhebungsvertrag auf einen wichtigen Grund nur berufen kann, wenn ihm der Arbeitgeber mit einer objektiv rechtmäßigen Kündigung zum gleichen Zeitpunkt droht und ihm die Hinnahme dieser Kündigung nicht zumutbar ist1.

Gemäß §§ 117 Abs. 1 Nr. 1, 118 Abs. 1 SGB III haben Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit Arbeitnehmer, die (1.) arbeitslos sind, (2.) sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und (3.) die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Der Alg-Anspruch ruht aber wegen des Eintritts einer Sperrzeit nach § 144 SGB III, wenn der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grobfahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe). Das Beschäftigungsverhältnis löst dabei nicht nur derjenige Arbeitnehmer, der selbst eine Kündigung ausspricht; eine Lösung ist vielmehr auch darin zu sehen, dass der Arbeitnehmer einen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führenden Vertrag schließt2, wobei unerheblich ist, von welcher Vertragspartei die Initiative für den Vertragsabschluss ausgegangen ist.
Im vorliegend entschiedenen Fall bedeutet dies: Der Kläger hat demnach durch seine Zustimmung zum Aufhebungsvertrag vom 28.07.bzw. 28.08.2009 sein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III gelöst. Mangels einer konkreten Aussicht auf eine anschließende Beschäftigung hat er hierdurch zumindest grob fahrlässig auch seine Arbeitslosigkeit verursacht.
Dem Kläger stand für sein Verhalten kein wichtiger Grund zur Seite. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist über das Vorliegen eines wichtigen Grundes unter Berücksichtigung des Ziels der Sperrzeitregelung zu entscheiden. Diese dient dem Schutz der Versichertengemeinschaft vor Risikofällen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat; eine Sperrzeit soll nur eintreten, wenn dem Versicherten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann3. Das Vorliegen eines solchen wichtigen Grundes im Sinne des Sperrzeitrechts beurteilt sich dabei nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Versicherten; vielmehr muss dieser objektiv gegeben sein4.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann sich ein Arbeitnehmer im Falle der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch Zustimmung zu einem Aufhebungsvertrag auf einen wichtigen Grund nur dann berufen, wenn ihm der Arbeitgeber mit einer objektiv rechtmäßigen Kündigung zum gleichen Zeitpunkt droht und ihm die Hinnahme dieser Kündigung nicht zuzumuten ist5. Das Bundessozialgericht hat mit Entscheidung vom 08.07.2009 bekräftigt, dass jenseits des durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 eingefügten § 1a KSchG und der von dieser Regelung erfassten Abfindungen an der Prüfung der Rechtmäßigkeit der andernfalls drohenden Kündigung festgehalten werden soll6. Wie bereits in seiner Entscheidung vom 12.07.2006 hat das BSG im Urteil vom 08.07.2009 – ebenso wenig entscheidungstragend – allerdings ausdrücklich erwogen, dass die unmittelbar nur auf das Arbeitsrecht bezogene „Öffnung“ für eine Beendigung von Arbeitsverhältnissen in § 1a KSchG Veranlassung dafür geben könnte, künftig einen wichtigen Grund bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags ohne die ausnahmslose Prüfung der Rechtmäßigkeit der drohenden Arbeitgeberkündigung anzuerkennen. Diese „Ankündigungs-Rechtsprechung“ hat das BSG nun mit der bereits genannten Entscheidung vom 02.05.2012 dahingehend weiterentwickelt, dass bei einem Aufhebungsvertrag mit Abfindungsvereinbarung in den Grenzen des § 1a Abs. 2 KSchG die Prüfung der Rechtmäßigkeit der drohenden Arbeitgeberkündigung entfällt und sich der Arbeitnehmer auf einen wichtigen Grund berufen kann, wenn keine Anhaltspunkte (z.B. offenkundig rechtswidrige Kündigung) für eine Gesetzesumgehung zu Lasten der Versichertengemeinschaft vorliegen7. Diese entsprechende Anwendung des § 1a KSchG sei geboten, da es einem Arbeitnehmer, der mit seinem Arbeitgeber bereits vor der Kündigung ein Verfahren nach § 1a KSchG und die Zahlung einer Abfindung in den Grenzen des § 1a KSchG vereinbart, nicht zum Nachteil gegenüber demjenigen gereichen dürfe, bei dem § 1a KSchG unmittelbar zur Anwendung kommt8. Damit betont das BSG auch bei der nun vorgenommenen Weiterentwicklung der bisher nur im Rahmen von obiter dicta angestellten Erwägungen zur Sperrzeitrelevanz des neuen § 1a KSchG die Verknüpfung mit der in § 1a KSchG arbeitsrechtlich vorgenommenen „Öffnung“ nur für eine Beendigung von Arbeitsverhältnissen im Falle betriebsbedingter Kündigungen. Im Gleichklang mit der vom Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien9 wie auch des ausdrücklichen Gesetzeswortlaut in § 1a Abs. 1 KSchG vorgenommenen Beschränkung der arbeitsrechtlichen „Öffnung“ auf die betriebsbedingte Kündigung kommt eine entsprechende Erstreckung auf das Sperrzeitrecht gleichfalls nur für den Fall einer betriebsbedingten Kündigung in Betracht, wovon auch das BSG in seiner Entscheidung vom 02.05.2012 ausgegangen ist10. Noch deutlicher hat sich das BSG in der in Bezug genommenen Entscheidung vom 08.07.2009 geäußert, wonach jenseits der von § 1a KSchG erfassten Abfindungen an der Prüfung der Rechtmäßigkeit der andernfalls drohenden Kündigung festgehalten werden soll8.
Die Arbeitgeberin hat im hier entschiedenen Fall aber die in Aussicht genommene Kündigung gerade nicht auf betriebsbedingte Erfordernisse gestützt. Betriebsbedingte Kündigungsgründe, speziell für die Position des Klägers, lagen nach Angaben der Zeugin im Erörterungstermin am 21.06.2012 auch nicht vor. Vielmehr bestand Einigkeit zwischen den Vertragsparteien des Aufhebungsvertrages, dass die drohende arbeitgeberseitige Kündigung auf eine aus dortiger Sicht nicht ausreichende Leistung des Klägers gestützt werden solle. Entsprechendes hat die Firma B. in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 23.02.2010 sowie im anschließenden Telefongespräch gegenüber der Beklagten bekundet und der Kläger wie auch die Zeugin im Erörterungstermin erklärt. Nachdem der hier zu beurteilende Aufhebungsvertrag demnach nicht in den Anwendungsbereich des § 1a KSchG fällt, bleibt es dabei, dass als erste Voraussetzung zunächst zu prüfen ist, ob der Arbeitgeber dem Kläger mit einer nach Arbeitsrecht objektiv rechtmäßigen Kündigung aus einem nicht vom Verhalten des Klägers abhängigen Grund zum gleichen Beendigungszeitpunkt für den Fall gedroht hat, dass dieser sich dem Aufhebungsvertrag verweigert11. Nachdem für den hypothetisch zu prüfenden Kündigungssachverhalt vorliegend sowohl der personelle (§ 1 Abs. 1 KSchG) wie auch der sachliche Anwendungsbereich (§ 23 KSchG) des Kündigungsschutzgesetzes eröffnet gewesen wären, bedurfte die Kündigung einer sozialen Rechtfertigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG. Die Kündigungsabsicht der Firma B. beruhte, wie die Vernehmung der Zeugin ergeben hat, darauf, dass der Kläger aus dortiger Sicht keine ausreichende Leistung erbracht hat, er insbesondere die ihm gesetzten Ziele nicht erreicht hat. Auch der mit Änderungsvertrag im Jahre 2009 unternommene Versuch, ob eine Tätigkeit im Kundendienst dem Kläger eher gerecht werde, ist aus Sicht der Firma B. unbefriedigend verlaufen; die im Zielplan vereinbarten Meilensteine seien auch in diesem Fall nicht erreicht worden. Dagegen hat die Zeugin klargestellt, dass dem Kläger kein Fehlverhalten vorgeworfen worden sei; es sei einfach nur um nicht erreichte Leistungsziele gegangen.
Eine Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer wegen Minderleistung kann nach § 1 Abs. 2 KSchG zwar grundsätzlich als verhaltensbedingte oder als personenbedingte Kündigung gerechtfertigt sein. Eine verhaltensbedingte Kündigung setzt indes voraus, dass dem Arbeitnehmer eine Pflichtverletzung vorzuwerfen ist, dergestalt, dass er weniger arbeitet, als er könnte12. Ein solches vorwerfbares Fehlverhalten lag aber nicht vor; im übrigen fehlte jedenfalls im Hinblick auf die durch den Änderungsvertrag im Jahre 2009 zugewiesenen Tätigkeiten die für eine rechtmäßige verhaltensbedingte Kündigung grundsätzlich unerlässliche Abmahnung. Eine personenbedingte Kündigung wegen Minderleistung wiederum kommt in Betracht, wenn bei einem über längere Zeit erheblich leistungsschwachen Arbeitnehmer auch für die Zukunft mit einer schweren Störung des Vertragsgleichgewichts zu rechnen ist13. Weder die Zeugin noch der Kläger haben indes bekundet, dass die Leistungen des Klägers in einem solch signifikanten Umfang den arbeitsvertraglich geschuldeten Zweck verfehlt hätten. Allein der Umstand, dass die Zusammenarbeit mit dem Vorgesetzten nach der Aussage der Zeugin nicht so zielführend war, wie arbeitgeberseitig erhofft und die Dokumentationspflichten, wie auch der Kundenservice nicht den Vorstellungen des Arbeitgebers genügten, vermag die geforderte schwere Störung des Vertragsgleichgewichts nicht zu begründen. Eine solche sah beispielsweise das Bundesarbeitsgericht in dem Fall gegeben, dass ein mit einem Festgehalt von jährlich 291.000 DM vergüteter, einzig mit der Akquise von Aufträgen beauftragter Mitarbeiter innerhalb von 18 Monaten nicht einen einzigen Auftrag akquirieren konnte und damit der Erfolg der Bemühungen des Arbeitnehmers „gleich Null“ gewesen sei13. Demgegenüber war die Leistung des Klägers nach Angaben der Zeugin durchaus verwertbar. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme besteht für den Senat deshalb kein vernünftiger Zweifel daran, dass die Minderleistung des Klägers, so eine solche überhaupt vorgelegen hat, jedenfalls nicht das zur Rechtfertigung einer personenbedingten Kündigung erforderliche hohe Ausmaß erreicht hat. Fehlt es danach aber bereits an einer objektiv rechtmäßigen Kündigung, so kommt ein wichtiger Grund von vornherein nicht in Betracht.
Anhaltspunkte, die vorliegend eine Minderung der Sperrzeit wegen besonderer Härte im Sinne des § 144 Abs. 3 Satz. 2 Nr. 2b SGB III begründen könnten, sind für den Senat nicht ersichtlich. Eine besondere Härte kann insbesondere nicht mit Rücksicht darauf angenommen werden, dass sich der Kläger möglicherweise über das Vorliegen der Sperrzeitvoraussetzungen geirrt hat. In den Fällen eines Rechtsirrtums über das Vorliegen einer Sperrzeitvoraussetzung erweist sich eine Regelsperrzeit nur dann als unverhältnismäßig, wenn der Irrtum unverschuldet, d.h. für den Arbeitnehmer unvermeidbar, war14. Ein solcher Rechtsirrtum kann nur dann im Einzelfall wegen einer besonderen Härte zur Verminderung der Regeldauer einer Sperrzeit führen, wenn er durch die konkrete Auskunft einer hiermit vertrauten Stelle – dies wird in der Regel einer Dienststelle der Beklagten sein – hervorgerufen oder gestützt wurde8. Der Kläger hat sich aber nach Aktenlage erstmalig am 31.08.2009 und damit nach Abschluss der Aufhebungsvereinbarung an die Beklagte gewandt. Im Übrigen ist er dabei ausweislich des in der Leistungsakte befindlichen Vermerks über das damalige Telefongespräch darauf hingewiesen worden, dass er mit dem Eintritt einer Sperrzeit zu rechnen habe, sofern er „keine wichtigen Gründe (gesundheitl. Gründe) anbringen“ könne. Auch der Aufhebungsvertrag enthält außerdem unter Ziff. 6 den Hinweis, dass dem Kläger durch die Zustimmung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegebenenfalls Leistungen der Arbeitsverwaltung gekürzt werden könnten.
Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21. August 2012 – L 13 AL 1434/11
- im Anschluss an BSG vom 02.05.2012 – B 11 AL 6/11 R[↩]
- BSG vom 17.10.2007 – B 11a AL 51/06 R = BSG SozR 4-4300 § 144 Nr. 17[↩]
- vgl. u.a. BSG vom 17.10.2002 – B 7 AL 96/00 R = SozR 3-4100 § 119 Nr. 26; BSG vom 26.10.2004 – B 7 AL 98/03 R = SozR 4-4300 § 144 Nr. 9; BSG vom 17.10.2007 a.a.O.; BSG vom 02.05.2012 a.a.O.[↩]
- BSG vom 17.Oktober 2007 a.a.O; BSG vom 02.05.2012 a.a.O.[↩]
- BSG vom 25.04.2002 – B 11 AL 65/01 R = SozR 3-4300 § 144 Nr. 8 – Leitsatz; BSG vom 18.12.2003 – B 11 AL 35/03 R = SozR 4-4300 § 144 Nr. 6; BSG vom 17.11.2005 – B 11a/11 AL 69/04 = SozR 4-4300 § 144 Nr. 11; BSG vom 12.07.2006 – B 11a AL 47/05 R = SozR 4-4300 § 144 Nr. 13[↩]
- BSG vom 08.07.2009 – B 11 AL 17/08 R = SozR 4-4300 § 144 Nr.20[↩]
- BSG vom 02.05.2012 a.a.O.[↩]
- BSG a.a.O.[↩][↩][↩]
- vgl. BT-Drucks. 15/1204 S. 2, 9[↩]
- vgl. BSG a.a.O.: „… im Anwendungsbereich des § 1a KSchG…“[↩]
- BSG vom 08.07.2009 a.a.O.[↩]
- BAG vom 03.06.2004 – 2 AZR 386/03 = NJW 2005, 90[↩]
- BAG a.a.O.[↩][↩]
- BSG vom 05.06.1997 – 7 RAr 22/96 = SozR 3-1500 § 144 Nr. 12[↩]