Bei einem Schlafapnoesyndrom mit Zähneknirschen und Tagesmüdigkeit handelt es sich nicht um eine lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung.

Mit dieser Begründung hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg in dem hier vorliegenden Fall die Versorgung mit Cannabis auf Rezept verneint und damit die Berufung gegen die gleichlautende Entscheidung des Sozialgerichts zurückgewiesen.
Nach § 31 Abs. 6 SGB V haben Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn
1. eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht oder im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann,
2. eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.
Der 48-jährige Kläger K beantragte die Versorgung mit Medizinal-Cannabisblüten von abendlich 2,5g zur Behandlung eines Schlafapnoesyndroms mit Schlafstörungen, Tagesmüdigkeit und Zähneknirschen. Trotz der CPAP-Versorgung mit einer Nasenmaske bestehe ständig Tagesmüdigkeit, da der Schlaf sehr unruhig sei und er sich ständig hin- und her wälze. Alle Therapieversuche hätten nichts gebracht. Weitere alternative Behandlungsoptionen gebe es nicht. Die Verwendung von Cannabisblüten habe hingegen zu einem erholsamen und ruhigen Schlaf geführt; eine Tagesmüdigkeit habe dann nicht mehr bestanden. K legte einen von seinem Hausarzt ausgefüllten Arztfragebogen vor. Hierin wurde die Versorgung mit Cannabisblüten von 2,5g täglich befürwortet. Das Schlafapnoesyndrom sei vorliegend als besonders schwere Erkrankung zu klassifizieren. Die Lebensqualität des K sei auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt.
Nachdem die beklagte Krankenkasse die Übernahme der Kosten für cannabishaltige Arzneimittel mit der Begründung abgelehnt hatte, dass selbst bei nicht zufriedenstellendem Therapieerfolg mit einer CPAP-Maske weitere, anerkannte Therapiemethoden (Gewichtsreduktion, Unterkieferprotrusionsschiene, Maßnahmen zur Vermeidung des Schlafes in Rückenlage sowie chirurgische Therapieverfahren) zur Verfügung stünden, hat K Klage erhoben. Sein Ziel hat er trotz erfolgloser Klage mit der Berufung weiter verfolgt.
In seiner Urteilsbegründung hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg ausführlich dargelegt, dass ein Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten nach § 31 Abs. 6 SGB V schon daran scheitere, dass K nicht schwerwiegend erkrankt sei. Weder liege eine lebensbedrohliche noch eine die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung vor, die sich durch ihre Schwere oder Seltenheit vom Durchschnitt der Erkrankungen abhebe. Anhaltspunkte dafür, dass K an einer schwerwiegenden Form eines Schlafapnoesyndroms mit ganz massiven Schlafstörungen und daraus resultierenden erheblichen körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen leide (wie etwa abnorme Einschlafneigung tagsüber), lägen nicht vor. Im Übrigen handle es sich beim Schlafapnoesyndrom auch nicht um eine seltene Erkrankung. Laut vorliegenden Unterlagen würden 9 % der Männer und 4 % der Frauen unter schlafbezogenen Atmungsstörungen leiden.
Weiterhin weist das Landessozialgericht Baden-Württemberg darauf hin, dass dem K auch anerkannte Standardtherapien zur Verfügung stünden. So sei K bereits mit einem CPAP-Gerät versorgt, welches laut dessen Vortrag „pneumologisch ordentlich“ eingestellt sei. Laut Angaben seines Hausarztes habe K die Behandlung mit Schlafmitteln als die dem medizinischen Standard entsprechende Leistung abgelehnt. Dem Vorbringen des K lasse sich damit nicht einmal im Ansatz entnehmen, dass entsprechende Standardtherapien erfolglos durchgeführt worden seien oder bei ihm nicht zur Anwendung kommen könnten. Im Übrigen sei dieser mittlerweile auch mit einer Unterkieferprotrusionsschiene versorgt.
Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Februar 2021 – L 4 KR 1701/20
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