Eine ehrenamtliche Pflegeperson ist nicht nur bei der Besorgung von Nahrungsmitteln unfallversichert, sondern auch bei der Besorgung von Schmerzmitteln handelt es sich um eine unfallversicherte Tätigkeit einer Pflegeperson.

Mit dieser Begründung hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg in dem hier vorliegenden Fall die Unfallkasse Baden-Württemberg verurteilt, den Fahrradunfall einer ehrenamtlichen Pflegekraft im Jahre 2008 auf dem Rückweg von Besorgungen für die Pflegepersonen (Arzneimittel bzw. Wildfleisch) als versicherten Arbeitsunfall anzuerkennen.
Geklagt hatte eine Frau K, die ihre Eltern pflegte und bei der Pflegekasse angemeldet war. Im Mai 2008 besorgte sie mit dem Fahrrad bei einem befreundeten Arzt privat sowohl ein Schmerzmedikament für ihren Vater als auch eine kleine Menge Wildfleisch. Auf dem Rückweg stürzte sie mit dem Fahrrad und erlitt Verletzungen am linken Knie. Der spätere Heilungsverlauf gestaltete sich schwierig. Womöglich hat der Unfall erhebliche bleibende Schäden zur Folge.
In ihrem Antrag gegenüber der Unfallkasse gab die Frau unmittelbar nach dem Unfall an, die Fahrradfahrt habe sowohl der Medikamenten- als auch der Nahrungsmittelbeschaffung gedient. Bei einem späteren Gespräch mit einem Mitarbeiter der Unfallkasse rückte sie auf Nachfrage das Schmerzmittel in den Vordergrund; das Fleisch habe sie nur bei dieser Gelegenheit mitgenommen. Daraufhin lehnte die Unfallkasse noch 2008 die Anerkennung als Arbeitsunfall ab, weil eine ehrenamtliche Pflegeperson nur bei der Besorgung von Nahrungsmitteln, nicht aber von Medikamenten unfallversichert sei.
In diversen Rechtsstreitigkeiten vor dem Sozialgericht Mannheim (SG), dem Landessozialgericht und (wegen Verfahrensfragen) auch vor dem Bundessozialgericht stritten die Parteien nicht nur darum, welche der beiden Verrichtungen nach der „Handlungstendenz“ der Pflegerin im Vordergrund stand, sondern auch darum, ob das Wildfleisch wirklich für die zu pflegenden Eltern bestimmt und für die Versorgung derselben erforderlich war. Zuletzt hat das Sozialgericht Mannheim der Klägerin Recht gegeben, wonach die (unstreitig unfallversicherte) Besorgung des Fleisches der wesentliche Zweck der Fahrradfahrt gewesen sei.
In seinem Urteil hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg diese Entscheidung bestätigt: Weil es kaum möglich sei, bei einer solchen einheitlichen Verrichtung verschiedene „Handlungstendenzen“ gegeneinander abzugrenzen, habe zwar keiner der beiden Zwecke der Fahrradfahrt im Vordergrund gestanden. Auch dass K zeitweise angegeben hatte, die Besorgung der Medikamente sei Hauptzweck gewesen, gereiche ihr nicht zum Nachteil. Nach Meinung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg dürfte sie diese Aussage getan haben, weil aus Laiensicht eher die Besorgung von Medikamenten versichert sei als die Nahrungsmittelbesorgung. Der Lebenswirklichkeit hätten eher die allerersten Angaben der K in ihrem Antrag bei der Unfallkasse entsprochen, dass sie beide Zwecke verfolgt habe.
Darüber hinaus sei es unschädlich, dass die Nahrungsmittelbeschaffung nicht im Vordergrund gestanden habe. Denn auch bei der Besorgung von Schmerzmitteln handle es sich um eine unfallversicherte Tätigkeit einer Pflegeperson. Daher sei es auf die Frage der Handlungstendenz nicht mehr angekommen.
Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Dezember 2020 – L 1 U 1664/20
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