Kindergeld für das volljährige Kind – und der Wegfall der Arbeitsuchendmeldung

Hat die Agentur für Arbeit das arbeitsuchende Kind aus der Vermittlung abgemeldet, fehlt es aber an einer wirksamen Bekanntgabe der Einstellungsverfügung oder an einer einvernehmlichen Beendigung der Arbeitsuchendmeldung, hängt der Fortbestand der Arbeitsuchendmeldung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG davon ab, ob das arbeitsuchende Kind eine Pflichtverletzung begangen hat, welche die Agentur für Arbeit nach § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III (in der Fassung vom 20.12.2011) zur Einstellung der Vermittlung berechtigt hat. Weder die Löschung der Registrierung noch die einvernehmliche Beendigung eines Berufsberatungstermins führen zum Wegfall der Arbeitsuchendmeldung.

Kindergeld für das volljährige Kind – und der Wegfall der Arbeitsuchendmeldung

Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG besteht für ein über 18 Jahre altes Kind, das, wie T, das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, Anspruch auf Kindergeld, wenn es nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist.

Bei einer Agentur für Arbeit als Arbeitsuchender gemeldet ist, wer gegenüber der zuständigen Agentur für Arbeit persönlich die Tatsache einer künftigen oder gegenwärtigen Arbeitslosigkeit anzeigt1. Der Registrierung des arbeitsuchenden Kindes und einer etwaigen daran anknüpfenden Bescheinigung kommt keine (echte) Tatbestandswirkung für den Kindergeldanspruch zu. Entscheidend ist, ob sich das Kind im konkreten Fall tatsächlich bei der Arbeitsvermittlung als Arbeitsuchender gemeldet hat2.

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Da keine ausdrückliche steuerrechtliche Regelung besteht, wann der durch eine Meldung als Arbeitsuchender begründete Status wieder entfällt, sind für das Kindergeldrecht insoweit die Vorschriften des Sozialrechts, hier insbesondere § 38 des Sozialgesetzbuches (SGB) – III in der Fassung vom 20.12.2011, heranzuziehen3.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs setzt zwar der Wegfall der Wirkung einer Meldung als Arbeitsuchender nicht konstitutiv die wirksame Bekanntgabe einer Einstellungsverfügung voraus4. Der Fortbestand der Meldung als Arbeitsuchender hängt dann davon ab, ob das arbeitsuchende Kind eine Pflichtverletzung begangen hat, welche die Arbeitsagentur nach § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III zur Einstellung der Vermittlung berechtigt5. Liegt hingegen eine die Arbeitsagentur zur Einstellung berechtigende Pflichtverletzung nicht vor, entfällt die Wirkung einer Meldung als Arbeitsuchender nur, wenn das Kind von sich aus die Beendigung der Arbeitsuchendmeldung verlangt (§ 38 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB III analog) oder die wirksame Bekanntgabe einer Einstellungsverfügung (Verwaltungsakt) vorliegt. Ist die Vermittlung mangels einer beachtlichen Pflichtverletzung des arbeitsuchenden Kindes zu Unrecht eingestellt worden und fehlt es auch an einer wirksamen Einstellungsverfügung oder eines Antrags des Kindes auf Beendigung der Arbeitssuche, besteht die Arbeitsuchendmeldung für Zwecke des Kindergeldrechts grundsätzlich zeitlich unbefristet -ggf. bis zum Erreichen des 21. Lebensjahres- fort6.

Selbst wenn die Registrierung des Kindes als Arbeitsuchende gelöscht worden sein sollte, handelte es sich allenfalls um einen Realakt7, dem selbst keine Tatbestandswirkung beizumessen ist8. Ob das Kind einen derartigen Realakt -seine Existenz unterstellt- kannte oder kennen musste, ist ohne Belang.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 22. September 2022 – III R 37/21

  1. BFH, Urteil vom 18.06.2015 – VI R 10/14, BFHE 250, 145, BStBl II 2015, 940; BFH, Urteil vom 07.07.2016 – III R 19/15, BFHE 254, 562, BStBl II 2017, 124; Wendl in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32 EStG Rz 90[]
  2. BFH, Urteil in BFHE 254, 562, BStBl II 2017, 124, Rz 12[]
  3. vgl. BFH, Urteile vom 19.06.2008 – III R 68/05, BFHE 222, 349, BStBl II 2009, 1008, unter II. 2.b; und vom 10.04.2014 – III R 19/12, BFHE 245, 200, BStBl II 2015, 29; BFH, Urteile vom 26.08.2014 – XI R 1/13, BFH/NV 2015, 15, Rz 19, und in BFHE 250, 145, BStBl II 2015, 940, Rz 22[]
  4. vgl. BFH, Urteil vom 20.05.2015 – XI R 46/14, BFH/NV 2015, 1242, Rz 17; BFH, Urteil in BFHE 245, 200, BStBl II 2015, 29, Rz 14[]
  5. BFH, Urteile in BFH/NV 2015, 1242, und in BFH/NV 2015, 15; BFH, Urteile in BFHE 245, 200, BStBl II 2015, 29; und vom 10.04.2014 – III R 37/12, BFH/NV 2014, 1726; BFH, Beschluss vom 19.03.2014 – III S 22/13, BFH/NV 2014, 856[]
  6. BFH, Urteil in BFHE 245, 200, BStBl II 2015, 29, Rz 27[]
  7. vgl. LSG NRW, Urteil vom 05.06.2014 – L 9 AL 288/12, Rz 28[]
  8. BFH, Urteil in BFHE 245, 200, BStBl II 2015, 29, Rz 22[]
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