An der für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V notwendigen Kausalität fehlt es, wenn die Versicherte unabhängig vom Verhalten der Krankenkasse endgültig auf eine bestimmte Behandlungsart festgelegt war1.

Ein Anspruch auf Behandlung mit dendritischen Zellen bei Mammakarzinom besteht jedenfalls dann nicht, wenn eine ärztlich empfohlene Chemotherapie aus eigenem Entschluss der Versicherten abgebrochen wird und der Nachweis einer Unverträglichkeit der Chemotherapie nicht erbracht werden kann. Eine Kostenerstattung für die von der Klägerin in der Zeit vom 14. März 2008 bis 12. Mai 2009 selbst beschaffte und finanzierte adjuvante Immuntherapie mit dendritischen Zellen sowie die Behandlung mit kostimulatorischen Hitzeschockproteinen und inaktivierten onkolytischen Viren in Höhe von 23.588,59 EUR scheidet aus. Auch besteht kein Anspruch auf Übernahme künftig entstehender Kosten für weitere Behandlungen.
Die Klägerin in dem hier vom Landessozialgericht Baden-Württemberg entschiedenen Fall ist Mitglied der beklagten Krankenkasse. Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach § 13 Abs 1 SGB V darf die Krankenkasse anstelle der Sach- oder Dienstleistung nach § 2 Abs 2 SGB V Kosten nur erstatten, soweit es das SGB V oder das SGB IX – im vorliegenden Fall nicht einschlägig, weil keine Leistungen zur Teilhabe streitig sind – vorsieht. Da die Klägerin nicht nach § 13 Abs 2 SGB V anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung gewählt hat, kommt als Anspruchsgrundlage für einen Kostenerstattungsanspruch nur § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V in Betracht.
Nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V gilt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der danach in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch reicht nach ständiger Rechtsprechung des BSG nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben2. Der Anspruch ist demgemäß gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat3. Ist das Tatbestandsmerkmal der rechtswidrigen Ablehnung der begehrten Leistung zu verneinen, bedarf es keiner Entscheidung, ob der Ausschluss der Leistung aus materiellen Gründen rechtswidrig oder auch verfassungswidrig ist.
Hier scheitert der Kostenerstattungsanspruch nach Meinung des Landessozialgerichts bereits an der fehlenden Kausalität zwischen Leistungsablehnung und Kostenbelastung. Ansprüche nach § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 2 SGB V sind nur gegeben, wenn die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten „dadurch“ Kosten für die selbst beschaffte Leistung entstanden sind. Dazu muss die Kostenbelastung des Versicherten der ständigen Rechtsprechung des BSG zufolge wesentlich auf der Leistungsversagung der Krankenkasse beruhen. Hieran fehlt es, wenn diese vor Inanspruchnahme der Versorgung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst worden ist, obwohl dies möglich gewesen wäre oder wenn der Versicherte auf eine bestimmte Versorgung von vornherein festgelegt war4. Das ist hier der Fall.
Ein Kostenerstattungsanspruch besteht für den gesamten hier streitigen Zeitraum, das heißt vom 14. März 2008 bis 16. November 2010 (Zeitpunkt Entscheidung durch das Berufungsgericht) auch deshalb nicht, weil die selbst beschaffte Behandlung nicht zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben.
Dies ergibt sich hinsichtlich der von Allgemeinmediziner T. durchgeführten Hyperthermie-Behandlung und Akupunktur daraus, dass das Verfahren vom GBA nach der Richtlinie Methoden vertragsärztlicher Versorgung Anlage II, Nr 42 (Beschluss vom 14. Mai 2005, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2005, Nr 1, S 5 in Kraft getreten am 15. Mai 2005) und Nr 31, bei letzterer mit Ausnahme der hier nicht einschlägigen Indikationen chronischer Kopfschmerzen, chronischer LWS-Schmerzen und chronischer osteoarthritischer Schmerzen (Beschluss vom 16. Oktober 2000, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2001, Nr 12, in Kraft getreten am 19. Januar 2001), von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen wurde (vgl Richtlinie des GBA zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung -Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung. Die insoweit zur Anwendung gelangten Therapien zählen daher unstreitig nicht zum Leistungskatalog der GKV.
Hinsichtlich der weiteren Therapiemodule, nämlich Behandlung mit dendritischen Zellen, kostimulatorischen Hitzeschockproteinen und inaktivierten onkolytischen Viren, fehlt es, worauf bereits das SG zutreffend verwiesen hat, an der nach § 135 SGB V notwendigen Anerkennung durch den GBA. Denn der Anspruch auf Krankenbehandlung umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 iVm § 135 Abs 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw.) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt. „Neu“ ist eine Methode, wenn sie nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM) enthalten ist5. Gemessen daran ist die „adjuvanten Immuntherapie“ neu und als bislang nicht vom GBA empfohlene Methode zur Behandlung des Mammacarcinoms damit grundsätzlich kein Leistungsgegenstand der gesetzlichen Krankenversicherung.
Ein Ausnahmefall, in dem es keiner Empfehlung des GBA bedarf, liegt nicht vor. Weder ergeben sich angesichts der erheblichen Verbreitung des Krankheitsbildes Anhaltspunkte für einen Seltenheitsfall6 noch für ein Systemversagen. Ungeachtet des in § 135 Abs 1 SGB V aufgestellten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt kann nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde (sog. Systemversagen). Diese Durchbrechung beruht darauf, dass in solchen Fällen die in § 135 Abs 1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien rechtswidrig unterblieben ist und deshalb die Möglichkeit bestehen muss, das Anwendungsverbot erforderlichenfalls auf andere Weise zu überwinden7. Ein solcher Fall des Systemversagens liegt schon deshalb nicht vor, weil das Verfahren vor dem Bundesausschuss antragsabhängig ist und ein entsprechender Antrag beim Bundesausschuss nicht gestellt worden (und offensichtlich auch nicht beabsichtigt) ist.
Schließlich liegen keine Anhaltspunkte für eine gebotene grundrechtsorientierte Auslegung vor8. Eine solche erfordert das Vorliegen einer lebensbedrohlichen Krankheit, das Fehlen einer anwendbaren Standardtherapie und das Bestehen von mehr als bloß ganz entfernt liegenden Aussichten auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf durch die streitige Therapie.
Die Klägerin hat zwar unzweifelhaft an einer lebensbedrohlichen Erkrankung gelitten, nämlich einer fortgeschrittenen Mammacarcinom. Zu deren Behandlung stand aber die empfohlene und zunächst durchgeführte präoperative Chemotherapie als Standarttherapie zur Verfügung. Die Klägerin hat diese bereits begonnene Therapie aus eigenem Entschluss abgebrochen, wobei es bereits an jeglichem Nachweis dafür fehlt, dass sie die Chemotherapie nicht vertragen hat. Gegenüber dem Arzt hat sie noch den Behandlungsabbruch damit begründet, sie habe sich für eine andere Behandlungsmethode entschieden. Soweit Allgemeinmediziner T. einen Befund vom 6. März 2008, nämlich schlechte Verträglichkeit bei exzessiver Übelkeit mit Suizidgedanken, wiedergegeben hat, besagt das nichts anderes. Denn er hat damals die Klägerin noch gar nicht behandelt, konnte somit aus eigener Anschauung nichts über den Gesundheitszustand aussagen.
Es ist weiter unbeachtlich, dass Allgemeinmediziner T. als auch die Klägerin selbst bestätigt haben, dass es zu einer deutlichen Besserung des Gesundheitszustandes unter der streitigen Therapie gekommen ist. Würde man diese Auffassung ungeprüft zugrunde legen, so würde man sich in unzulässiger Weise lediglich auf nicht schulmedizinische Erfahrungen bzw Beurteilungen stützen.
Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 16. November 2010, L 11 KR 1871/10
- Anschluss an LSG Nordrhein-Westfalen, 25.03.2010 – L 16/11 KR 42/08[↩]
- vgl BSGE 79, 125 = SozR 3-2500 § 13 Nr 11; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12[↩]
- BSG, Urteil vom 17. 12. 2009 – B 3 KR 20/08 R; Breithaupt 2010, 914 [↩]
- vgl BSG, Urteil vom 17. 12. 2009 – B 3 KR 20/08 R [↩]
- BSG, Urteil vom 05. 05. 2009 – B 1 KR 15/08 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 16 mwN[↩]
- BSG, Urteil vom 19. 10. 2004, B 1 KR 27/02 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 1 mwN[↩]
- BSG, Urteil vom 7. 11. 2006, B 1 KR 24/06 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 12 mwN[↩]
- BVerfG, SozR 4 – 2500 § 27 Nr 5; BSG SozR 4 – 2500 § 27 Nr 12[↩]