Es ist als Systemfehler zu bewerten, wenn trotz vom Sachverständigen empfohlener Behandlung bei fehlender gesicherter konventioneller Behandlungsmethode keine Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenkasse möglich ist. Diese Systemstörung im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung verpflichtet die Krankenkasse zur Übernahme der Behandlungskosten, auch wenn diese Behandlungsform nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenkassen gehört.

So die Entscheidung des Sozialgerichts Chemnitz in dem hier vorliegenden Fall einer 34-jährigen, die von ihrer Karankenkasse die Kosten für eine Fettabsaugung (Liposuktion) im Bereich beider Oberschenkel begehrt. Nach Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse lehnte diese die Kostenübernahme für eine Liposuktion ab. Zwar bestehe ein Lipödem („Reiterhosensyndrom“) beidseits im Stadium I. Zu empfehlen sei eine konservative Therapie mit Kompressionsstrumpfhosen. Dagegen sei die Liposuktion ein Verfahren der kosmetischen Chirurgie, das nicht Bestandteil des Leistungsumfangs der gesetzlichen Krankenversicherung sei. Die dazu erforderliche positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundessauschusses liege nicht vor. Der Gemeinsame Bundesausschuss, das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland, bestimmt in Form von Richtlinien den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung für mehr als 70 Millionen Versicherte und legt damit fest, welche Leistungen der medizinischen Versorgung von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden.
Gegen die Ablehnung der Kostenübernahme hat die 34-jährige Klage vor dem Sozialgericht Chemnitz erhoben. Im Klageverfahren holte das Gericht ein Sachverständigengutachten ein. Der Sachverständige kam zu der Einschätzung, dass das Lipödem der Klägerin an den Oberschenkeln bereits das Stadium II erreicht habe. Eine Reduktion des krankhaft vermehrten Fettgewebes sei durch eine Konservativbehandlung nicht möglich. Eine Fettabsaugung (Liposuktion) beider Oberschenkel sei zu empfehlen.
Das Sozialgericht Chemnitz schloss sich der Einschätzung des Gerichtssachverständigen an. Es sei als Systemfehler zu bewerten, wenn trotz vom Sachverständigen empfohlener Behandlung bei fehlender gesicherter konventioneller Behandlungsmethode keine Kostenübernahme möglich sei. Die Liposuktion gelte heutzutage als sichere und effektive Therapiealternative, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt seien. Die Feststellung einer Systemstörung im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung verpflichtet die Krankenkasse zur Übernahme der Behandlungskosten, auch wenn diese Behandlungsform nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenkassen gehört.
Sozialgericht Chemnitz, Urteil vom 1. März 2012 – S 10 KR 189/10