Bei einem Arbeitnehmer, der aufgrund eines mündlichen Arbeitsvertrages beschäftigt worden ist, tritt keine Sperrzeit nach § 144 Abs. 1 S. 1 i.V.m. S. 2 Nr. 1. SGB III ein, wenn er sich weigert, einen abweichenden schriftlichen Arbeitsvertrag zu unterzeichnen und allein deshalb gekündigt wird. Durch die Verweigerung der Vertragsunterschrift ohne eine vertragliche und mangels genereller Verpflichtung liegt ein arbeitsvertragswidriges und damit versicherungswidriges Verhalten, dass zur Lösung des Beschäftigungsverhältnisses geführt hat, nicht vor.

Wenn die Bundesagentur für Arbeit den Vorwurf des arbeitsvertragswidrigen Verhaltens auf mehrere in Betracht kommende Verhaltensweisen des Arbeitnehmers stützt, muss der zur Kündigung führende Grund gerichtlich – auch durch Auslegung der Kündigung – ermittelt werden. Stehen die Kündigungsgründe hinreichend fest, kann erst geprüft werden, ob die weitere Voraussetzung „vorsätzlich oder grob fahrlässig“ i.S.d. § 144 Abs. 1 S. 2 Nr. Nr. 1 SGB III vorliegt. Es fehlt regelmäßig an der Voraussetzung des vorsätzlichen und grob fahrlässigen Herbeiführens der Arbeitslosigkeit, wenn der Arbeitnehmer zuvor keine Abmahnung wegen des zur Kündigung führenden Verhaltens erhalten hat.
So hat das Sozialgericht Heilbronn in dem hier vorliegenden Fall entschieden. Der Kläger hatte mit der Firma B einen mündlichen befristeten Arbeitsvertrag. Einen neuen schriftlichen Arbeitsvertrag mit geänderten Arbeitszeiten weigerte sich der Kläger zu unterschreiben, woraufhin ihm gekündigt wurde. Daraufhin hat sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos gemeldet. Gegen die Kündigung ging er nicht vor. Nun stellte die Beklagte eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe von 12 Wochen für den Zeitraum 01.08.2008 bis 23.10.2008 fest. Nach erfolglosem Widerspruch ist Klage erhoben worden.
Die Sperrzeitfeststellung richtet sich nach § 144 Abs. 1 S. 1 i.V.m. S. 2 Nr. 1 SGB III. Danach ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn der Arbeitnehmer sich ohne wichtigen Grund versicherungswidrig verhalten. Versicherungswidriges Verhalten liegt vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe). In Betracht kommt hier nur ein versicherungswidriges Verhalten dadurch, dass der Kläger durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses (Kündigung durch den Arbeitgeber) gegeben hat. Die Beweislast für das Vorliegen dieser Voraussetzungen trifft die Beklagte1.
Ein arbeitsvertragswidriges Verhalten ist jedoch in keiner Weise nachgewiesen. Dieses liegt nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer gegen Haupt- oder Nebenverpflichtungen verstößt, die er nach dem Arbeitsvertrag, gesetzlichen Bestimmungen, tarifvertraglichen Regelungen oder einer Betriebsvereinbarung einzuhalten hat. Zudem muss das vertragswidrige Verhalten schwerwiegend sein2.
Zunächst kann es dahin stehen, welcher (schriftliche oder mündliche) Arbeitsvertrag Grundlage des Beschäftigungsverhältnisses war. Der Kläger hat gegen keinerlei Verpflichtung verstoßen, zu deren Feststellung es der Klärung der Frage bedürfte, welcher Arbeitsvertrag dafür maßgeblich ist.
Die arbeitgeberseitige Kündigung vom 18.06.2008 führt als (einzigen) Kündigungsgrund an, dass der Kläger sich geweigert habe, den ihm vorgelegten Arbeitsvertrag zu unterschreiben. In dieser Weigerung liegt jedoch schon kein arbeitsvertragswidriges Verhalten. Dabei kann es weiter dahin stehen, um welchen zu unterschreibenden Vertragsentwurf es sich konkret handelte, da jedenfalls keine vertraglich geregelte Pflicht dahingehend bestand, einen anderen Arbeitsvertrag – gleich welchen – abzuschließen. Auch eine generelle Pflicht dazu existiert nicht, was im Übrigen auch den Grundsätzen der Vertragsfreiheit völlig zu wider laufen würde. Woraus die Beklagte eine solche Verpflichtung ableiten will, vermochte Sie auch nicht darzulegen.
Aber auch die Auslegung des Kündigungstextes führt zu keinem anderen Ergebnis. Anlass der arbeitgeberseitigen Ausführungen war die Weigerung des Klägers, den vorgelegten Arbeitsvertrag zu unterschreiben, was ausdrücklich als Kündigungsgrund angegeben wurde. Dieser war aus Sicht des Klägers für ihn ungünstig, da der Vertrag zumindest nach seinem subjektiven Verständnis seine generelle Verpflichtung zur Arbeit an den o.g. Tagen zum Inhalt hatte. Diese Verpflichtung wollte er nicht eingehen. Der Kläger wurde also schon nicht deswegen gekündigt, weil er die generelle Arbeitsbereitschaft an den o.g. Tagen verneinte, sondern weil er sich weigerte, eine aus seiner Sicht generelle Verpflichtung dazu einzugehen. Die Ausführungen in der Kündigung mögen den subjektiven Eindruck des Arbeitgebers, den dieser hinsichtlich der Arbeitsbereitschaft des Klägers hatte, wiedergeben. Ein Nachweis für eine – wohlgemerkt – schwerwiegende arbeitsvertragswidrige Weigerung, den Weisungen des Arbeitgebers generell nicht mehr Folge leisten zu wollen, stellt dieses Begründungselement der Kündigung jedenfalls nicht dar. Die Ausführungen in der Kündigung zur Arbeitsbereitschaft sind allein im Zusammenhang mit der Weigerung zur Unterschrift des Arbeitsvertrages zu sehen, nur diese war – auch aus Sicht des Arbeitgebers – der Anlass für die Kündigung. Dies gilt insbesondere deshalb, weil sich diese angebliche klägerische Haltung auf Nachfrage von Beklagtenseite beim Arbeitgeber nicht bestätigen ließ. Dort wurde vom Arbeitgeber ausdrücklich mitgeteilt, dass der Kläger keinen einzigen Arbeitseinsatz konkret verweigert hat. Er habe lediglich die Arbeit an Samstagen häufig „nicht mehr so gerne“ gewollt.
Aus diesem Grund besteht auch keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger im konkreten Einzelfall das arbeitsvertragliche Weisungsrecht des Arbeitgebers missachtet hat, z.B. indem er sich geweigert hätte, einzelnen Arbeitsaufträgen nachzukommen. Zu Unrecht nimmt die Beklagte an, der Arbeitgeber sei nicht dazu verpflichtet, ein konkretes Fehlverhalten des Arbeitnehmers abzuwarten und ihm erst dann nach den gesetzlichen Vorschriften zu kündigen. Die Meinung, ein Arbeitgeber könne vorsorglich kündigen, um in der Zukunft gegebenenfalls auftretende Probleme zu vermeiden, geht hier fehl. Dies mag zwar aus betriebswirtschaftlichen Gründen nachvollziehbar sein, ist aber nicht mit den arbeitsrechtlichen (und arbeitnehmerschützenden) Grundsätzen zu vereinbaren. Ein diesbezügliches Risiko hat der Arbeitgeber zu tragen, nicht jedoch der Arbeitnehmer in der Form, dass er sich im Falle einer – wohl rechtswidrigen – Kündigung aus diesen Gründen zusätzlich die Konsequenzen einer Sperrzeit zu tragen hat. Etwas anderes würde gegebenenfalls nur dann gelten, wenn ein Arbeitnehmer ein keinesfalls auch nur ein Mal hinzunehmendes Fehlverhalten ankündigt, was hier freilich nicht der Fall ist.
Auch für den von der Beklagten noch ins Feld geführten Verstoß gegen die betriebliche Ordnung bzw. Übung finden sich keine stichhaltigen Anhaltspunkte.
Darüber hinaus fehlt es noch an einer nachgewiesenen Abmahnung, die jedoch Voraussetzung für das weitere Tatbestandsmerkmal „grobe Fahrlässigkeit“ erforderlich ist3. Diese ist nur dann nicht Voraussetzung für die Annahme der groben Fahrlässigkeit, wenn sich diese auch arbeitsrechtlich für eine verhaltensbedingte Kündigung als entbehrlich erweist4. Auch hier überzeugt das Vorbringen der Beklagten, dass der Arbeitgeber sicherlich das Gespräch mit dem Kläger gesucht hat und diesem darauf hin nach eigener Aussage auch klar war, dass er den Arbeitsplatz verliert, wenn er den Arbeitsvertrag nicht unterschreibt (!), nicht. Dass arbeitgeberseitig eine der Kündigung vorausgehende und ihrer Warnfunktion gerecht werdende Abmahnung bezüglich einer etwaigen generellen oder konkreten Arbeitsverweigerung ausgesprochen wurde, ist ebenfalls nicht nachgewiesen. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger selbst angab, er sei am 18.06.2008 abgemahnt worden. Hier verwechselte der Kläger offensichtlich die Abmahnung mit der Kündigung (vom 18.06.2008).
Die weiteren Voraussetzungen des klägerischen Anspruchs auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.08.2008 bis zum 23.10.2008 liegen vor. Insbesondere hatte sich der Kläger arbeitslos gemeldet und stand den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung. Sonstige Ruhenstatbestände, etwa wegen einer Abfindung oder einer verspäteten Arbeitssuchendmeldung, liegen nicht vor. Die Höhe des geltend gemachten Anspruchs auf Arbeitslosengeld ergibt sich aus der Bewilligung für den Folgezeitraum. Beanstandungsgründe sind hierfür nicht ersichtlich und wurden vom Kläger auch nicht geltend gemacht.
Sozialgericht Heilbronn, Gerichtsbescheid vom 29. Oktober 2011 – S 7 AL 4100/08