Merkzeichen Bl – und die schwere Hirnschädigung

Schwerst Hirngeschädigte, die zu keiner differenzierten Sinneswahrnehmung im Stande sind, erfüllen nicht die gesundheitlichen Voraussetzungen für Merkzeichen Bl (Blindheit).

Merkzeichen Bl – und die schwere Hirnschädigung

Dies entschied jetzt das Bundessozialgericht auf die Klage eines 2007 geborenen Mädchens, das seit ihrer Geburt an einer ausgeprägten Stoffwechselstörung, einer nichtketotische Hyperglycinämie, leidet. Bei ihr besteht Pflegebedürftigkeit nach der Stufe III (jetzt Pflegegrad 5). Der Grad der Behinderung (GdB) ist mit 100 festgestellt. Die Merkzeichen H, B, G, aG und RF sind ihr zuerkannt, nicht hingegen Merkzeichen Bl.

Die Vorinstanzen haben das beklagte Land antragsgemäß verurteilt, die Voraussetzungen für das Merkzeichen Bl festzustellen. Das Mädchen sei blind, obwohl weder das Augenlicht vollständig fehle noch eine gleichzusetzende geringgradige Sehschärfe nachweisbar sei. Jedoch bestehe aufgrund der Stoffwechselerkrankung eine gleichzustellende Störung des Sehvermögens. Das Bundessozialgericht hat auf die Revision des beklagten Landes die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen:

Die Unfähigkeit zur Sinneswahrnehmung, die aus einer visuellen Agnosie oder anderen gnostischen Störungen resultiert, reicht nicht zur Annahme von Blindheit nach Teil A Nummer 6 Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung. Behinderungen und ebenso die gesundheitlichen Merkmale für Merkzeichen werden im Schwerbehindertenrecht unter ausschließlich medizinischen Gesichtspunkten getrennt nach Organ- und Funktionseinheiten erfasst und anschließend insgesamt in ihren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft bewertet. Blindheit ist danach beschränkt auf Störungen des Sehapparats und erfasst keine gnostischen – neuropsychologischen – Störungen des visuellen Erkennens. Für diese stehen im Schwerbehindertenrecht – wie hier – die gesundheitlichen Merkmale für andere Merkzeichen passgenau zur Verfügung.

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Wegen fehlender Feststellungen zur Rindenblindheit als einer weiteren möglichen Störung des Sehorgans hat das Bundessozialgericht die Sache jedoch an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Oktober 2019 – B 9 SB 1/18 R

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