Es bestehen keine grundsätzliche Bedenken dagegen, für die Auslegung des Begriffs der regelmäßigen Teilnahme in § 9 Satz 2, 4 AFBG auf den zeitlichen Umfang der Teilnahme an der geförderten Maßnahme abzustellen und dabei zwischen entschuldigten und unentschuldigten Fehlzeiten zu differenzieren.

Für die Unterscheidung zwischen entschuldigten und unentschuldigten Fehlzeiten kommt es entscheidend darauf an, ob die Ursache für die Säumnis in Umständen liegt, die der einer grundsätzlichen eigenen Gestaltungsfreiheit offenen Sphäre des Auszubildenden zuzurechnen sind, oder ob sie auf Umständen beruht, die von diesem nicht beeinflusst werden können bzw. nicht zu vertreten sind. Dabei ist von einer hinreichenden Entschuldigung für eingetretene Fehlzeiten zumindest dann auszugehen, wenn der Auszubildende gezwungen gewesen wäre, zu deren Vermeidung gegen eine gesetzliche oder arbeitsvertragliche Rechtspflicht zu verstoßen.
Die derzeitige bundesweite Verwaltungspraxis, nach der die für die Förderung zuständigen Behörden im Rahmen des § 9 Satz 2, 4 AFBG nur ärztlich attestierte krankheits- oder schwangerschaftsbedingte Fehlzeiten als entschuldigt ansehen, ist mit dem Gesetz nicht vereinbar. Ob § 16 Abs. 1 Nr. 2 AFBG auf einen Maßnahmebeitrag überhaupt anwendbar ist, hat das Verwaltungsgericht Hannover dabei offen gelassen.
Als Rechtsgrundlage für die Rückforderung von Aufstiegsfortbildungsförderung kommt nur § 16 Abs. 1 Nr. 2 AFBG (hier i. d. F. vom 08.10.2012, BGBl. I S. 2126) in Betracht. Danach ist – außer in den Fällen der §§ 44 – 50 SGB X – insoweit der Bewilligungsbescheid aufzuheben und der Förderungsbetrag zu erstatten, als die Voraussetzungen für die Leistung an keinem Tag des Kalendermonats vorgelegen haben, für den sie gezahlt worden ist, und die Förderung unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet worden ist. Eine Auflösung dieses Vorbehalts gegenüber dem Auszubildenden kommt dabei gemäß § 9 Satz 6 AFBG u.a. in Betracht, wenn die Fördervoraussetzungen des § 9 Satz 1, 2 AFBG nicht vorgelegen haben, weil dieser nicht regelmäßig an der Fortbildungsmaßnahme teilgenommen hat.
In dem hier vom Verwaltungsgericht Hannover entschiedenen Rechtsstreit konnte dabei offen bleiben, ob diese Vorschriften auf einen Fall wie dem vorliegenden, in dem es ausschließlich um die Rückforderung eines Maßnahmebeitrags geht, überhaupt anwendbar sind1. Denn selbst wenn man diese Frage bejaht, lagen jedenfalls die Voraussetzungen für eine rückwirkende „Einstellung der Leistung“ – rechtlich ist das entgegen der insoweit redaktionell missglückten Formulierung in § 9 Satz 6 AFBG als rückwirkende Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides zu werten – und für die Rückforderung der bereits an die Klägerin ausgezahlten Förderleistung in der Sache nicht vor.
Zwar hatte die Behörde die der Klägerin gewährte Förderungsleistung im Sinne von § 16 Abs. 1 Nr. 2 AFBG mit dem Bewilligungsbescheid vom 24.02.2012 gemäß § 9 Satz 6 AFBG unter den Vorbehalt der Einstellung und Rückforderung im Falle der nicht regelmäßigen Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme gestellt. Das ergibt sich mit noch hinreichender Deutlichkeit aus dem Textteil jenes Bescheides, wonach die Klägerin bis zum 15.04.2012 einen Nachweis des Bildungsträgers über die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme zu erbringen hatte. Die Bewilligungsbehörde durfte aber diesen Vorbehalt im vorliegenden Fall nicht auflösen, denn die Klägerin hat nicht im Sinne von § 9 Satz 2, 4 AFBG lediglich unregelmäßig an der geförderten Maßnahme teilgenommen.
Das AFBG selbst definiert nicht näher, unter welchen Voraussetzungen eine regelmäßige Teilnahme an der geförderten Maßnahme im Sinne des § 9 Satz 2, 4 AFBG vorliegt. Es handelt sich dabei vielmehr um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung und Anwendung seitens der Verwaltung der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt.
Dagegen, dass die Behörde insoweit dem Grunde nach unter Berufung auf die Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung zum Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes2 auf den zeitlichen Umfang der Teilnahme abstellt und im Weiteren eine Unterscheidung zwischen entschuldigten und unentschuldigten Fehlzeiten vornimmt, bestehen keine grundsätzlichen Bedenken3. Nach der Gesetzentwurfsbegründung soll von einer regelmäßigen Teilnahme noch ausgegangen werden können, wenn die Teilnehmer oder Teilnehmerinnen nicht mehr als 10% der gesamten Maßnahme unentschuldigt versäumt haben4. Nach Angaben der Bewilligungsbehörde ist diese Quote allerdings in der Verwaltungspraxis seit Juli 2012 – ohne dass sich insoweit am Gesetz etwas geändert hätte – auf 15% angehoben worden, was darauf hindeutet, dass es sich bei dieser quotenmäßigen Betrachtung nur um ein grobes, relativ zu betrachtendes Interpretationskriterium handelt.
Es kann offen bleiben, ob – wie das VG Oldenburg annimmt5, die Beurteilung der Frage einer regelmäßigen Teilnahme und in dem Zusammenhang die Beurteilung der Frage einer genügenden Entschuldigung von Fehlzeiten von Gesetzes wegen grundsätzlich und primär dem Fortbildungsträger obliegt. Denn im vorliegenden Fall hat sich der Fortbildungsträger in dem von ihm ausgefüllten Formblatt F (Teilnahmebescheinigung) zu dieser Frage nicht geäußert und, wie die telefonische Nachfrage des Berichterstatters ergeben hat, eine derartige Bewertung auch nicht vorgenommen, weshalb eine Prüfung dieser Frage von der Bewilligungsbehörde vorzunehmen war.
Es kann im Übrigen auch offen bleiben, ob – was die Verwaltungspraxis offenbar annimmt – das o.a. Quotenkriterium in dem Sinne absolut zu verstehen ist, dass bei einer Überschreitung der Quote zwingend von einer nicht mehr regelmäßigen Teilnahme auszugehen wäre. Denn im Falle der Klägerin liegt die Quote der unentschuldigten Fehlzeiten nicht über dem in der Verwaltungspraxis angesetzten Wert von 10% bzw. nunmehr 15%. Es sind nämlich nicht nur die wegen der ärztlichen Behandlung am 07.12.2011 sondern auch die wegen der Arbeitstätigkeit der Klägerin am 11., 18. und 25.02.2012 eingetretenen Fehlzeiten als entschuldigt anzusehen.
Die gegenteilige Auffassung, dass ausschließlich ärztlich attestierte krankheits- oder schwangerschaftsbedingte Fehlzeiten im Rahmen des § 9 AFBG als entschuldigt angesehen werden können, lässt sich weder aus dem Gesetz selbst noch aus den Gesetzesmaterialien ableiten. Namentlich taugt dafür nicht der Blick auf die Regelung in § 7 Abs. 4 Satz 1 AFBG, wonach, solange die Teilnahme an der Maßnahme wegen Krankheit oder Schwangerschaft nicht möglich ist, die Förderung bei Krankheit bis zu drei Monate und bei Schwangerschaft bis zu vier Monate weitergeleistet wird. Diese Regelung kann nämlich nicht isoliert betrachtet werden, sondern sie steht in einem offenkundigen unmittelbaren Zusammenhang mit der Regelung in § 7 Abs. 3a AFBG, der aber gerade neben Krankheit und Schwangerschaft auch den „anderen wichtigen Grund“ für eine prinzipiell förderunschädliche Unterbrechung der Maßnahme anerkennt. Außerdem wären die Regelungen in § 7 Abs. 4 Satz 1 AFBG einerseits und § 9 AFBG andererseits auch inkompatibel, wenn man sie als inhaltlich aufeinander bezogen ansehen wollte. Denn es kommt durchaus in Betracht, dass etwa bei einer schwangerschaftsbedingten Unmöglichkeit zur Teilnahme an der Maßnahme die von der derzeitigen Verwaltungspraxis als absolute Obergrenze förderunschädlicher Säumnis angesetzte Fehlzeitenquote von insgesamt 30% der Gesamtmaßnahme bereits deutlich vor dem Ablauf von vier Monaten erreicht werden könnte. Gleichwohl wird in solchen Fällen nach § 7 Abs. 4 Satz 1 AFBG erst nach Ablauf von vier Monaten die Förderung einzustellen und im Übrigen auch gerade nicht nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 AFBG für die Vergangenheit zurückzufordern sein. Ergänzend kann im Übrigen zur Untauglichkeit des Rückgriffs auf § 7 Abs. 4 Satz 1 AFBG für die Interpretation des Begriffs der regelmäßigen Teilnahme in § 9 AFBG auf die Ausführungen des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 23.11.20126 verwiesen werden, denen sich das Verwaltungsgericht Hannover anschließt.
Im Rahmen des § 9 AFBG kommt es bei der Auslegung des Begriffs der regelmäßigen Teilnahme für die Unterscheidung zwischen entschuldigten und unentschuldigten Fehlzeiten entscheidend darauf an, ob die Ursache für die Säumnis in Umständen liegt, die der einer grundsätzlichen eigenen Gestaltungsfreiheit offenen Sphäre des Auszubildenden zuzurechnen sind, oder ob sie auf Umständen beruht, die von diesem nicht beeinflusst werden können bzw. nicht zu vertreten sind. Dabei ist von einer hinreichenden Entschuldigung für eingetretene Fehlzeiten zumindest dann auszugehen, wenn der Auszubildende gezwungen gewesen wäre, zu deren Vermeidung gegen eine gesetzliche oder eine arbeitsvertragliche Rechtspflicht zu verstoßen.
So ist es z. B. förderrechtlich – aus Sicht der Verwaltungsgericht offenkundig – nicht begründbar, von einem (potenziell) förderschädlichen unentschuldigten Fehlen auszugehen, wenn der Auszubildende den Unterricht deshalb versäumt, weil er auf dem Weg dorthin Zeuge oder Beteiligter eines Verkehrsunfalls wird und deshalb von Gesetzes wegen – sogar strafbewehrt -verpflichtet ist, am Unfallort zu verbleiben. Gleiches gilt etwa auch für eine angeordnete Teilnahme an einem Gerichtstermin (als Beteiligter/Partei, Zeuge oder ehrenamtlicher Richter/Schöffe) während der Unterrichtszeit.
Solchen gesetzlich verankerten Hinderungsgründen sind weiterhin auch arbeitsvertraglich zulässige Weisungen des Arbeitgebers zur Erfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten während der Unterrichtszeit gleichzustellen. An dieser dem PKH, Beschluss zu Grunde liegenden Rechtsauffassung hält das Verwaltungsgericht ausdrücklich fest, zumal die Bewilligungsbehörde dem auch nichts Substanzielles entgegen gehalten hat. Zutreffend weist die Klägerin insoweit darauf hin, dass es ihr förderungsrechtlich nicht zugemutet werden könnte, zum Erhalt der persönlichen Fördervoraussetzungen einen arbeitsrechtlichen Pflichtenverstoß zu begehen, der u. U. sogar zum Verlust des Arbeitsplatzes führen könnte. Damit würde vielmehr die arbeitsmarktpolitische Zielsetzung des AFBG konterkariert, die ausweislich der Begründung des o.a. Gesetzentwurfs gerade darin liegt, „die Attraktivität beruflicher Aufstiegsfortbildungen zu steigern und noch mehr Menschen als bisher für Fortbildungen zu gewinnen, um durch eine kontinuierliche Höherqualifizierung über alle Altersgruppen hinweg dem Fachkräftemangel in Deutschland zu begegnen, die Beschäftigungsfähigkeit der Menschen auf Dauer zu erhalten und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu sichern“7.
Im vorliegenden Fall verbleiben damit als der Sphäre der Klägerin zurechenbare und in dem Sinne unentschuldigte Fehlzeiten nur diejenigen Unterrichtszeiten, die die Klägerin urlaubsbedingt versäumt hatte. Das waren lediglich 13 Stunden und damit nur 8, 125% der regulär angefallenen 160 Unterrichtsstunden. Damit lag die Klägerin sogar noch unter der ursprünglich auf der Basis der Begründung des Gesetzentwurfs von der Verwaltungspraxis zu Grunde gelegten Toleranzgrenze von 10% unentschuldigter Fehlzeiten.
Angesichts dessen kommt es im Übrigen nicht mehr darauf an, ob die von der Bewilligungsbehörde in dem angefochtenen Bescheid getroffene Bewertung auch schon deshalb fehlerhaft ist, weil ihr ein kürzerer als der in § 9 Satz 4 AFBG genannte Zeitraum zu Grunde liegt, nämlich lediglich eine Zeitspanne von rund vier Monaten.
Die rechtswidrige rückwirkende Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides und Rückforderung des an die Klägerin ausgezahlten Maßnahmebeitrags verletzen diese in ihren Rechten zumindest aus Art. 2 Abs. 1 GG.
Verwaltungsgericht Hannover, Urteil vom 13. März 2014 – 3 A 4605/12
- bejahend: VG Minden, Urteil vom 09.12.2011 – 6 K 1464/11, bestätigt von OVG NW, Beschluss vom 12.04.2012 – 12 A 236/12; verneinend: VG Augsburg, Urteil vom 11.06.2013 – Au 3 K 12.1564[↩]
- BT-Drs. 16/10996[↩]
- so auch VG Oldenburg, Urt. vom 09.11.2012 – 13 A 3804/12[↩]
- vgl. BT-Drs. 16/10996, Nr. 9 zu § 9, S. 27[↩]
- VG Oldenburg, Urt. vom 09.11.2012 – 13 A 3804/12, a.a.O.[↩]
- Sächs. OVG, Beschluss vom 23.11.2012 – 1 B 351/12[↩]
- BT-Drs. 16/10996, S. 1[↩]