Nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 UVG kann der Elternteil, bei dem das unterhaltsberechtigte Kind nicht lebt, auf Erstattung von Unterhaltsvorschussleistungen für die Vergangenheit von dem Zeitpunkt an in Anspruch genommen werden, in dem er von dem Antrag auf Unterhaltsleistung Kenntnis erhalten hat und darüber belehrt worden ist, dass er für den geleisteten Unterhalt nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Anspruch genommen werden kann. Dies gilt auch dann, wenn der betroffene Elternteil – entgegen der Kenntnis der Behörde – doch mit dem anderen Elternteil, dem der Unterhaltsvorschuss gezahlt wurde, zusammen gelebt hat.

Im hier vom Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg entschiedenen Fall hat der beklagte Vater durch ein Schreiben der Unterhaltsvorschussbehörde vom 6. April 2005 Kenntnis davon erhalten, dass die Behörde ab April 2005 für das Kind Unterhaltsvorschussleistungen bewilligt hat und erbringen werde, und dass sie den Beklagten auf Erstattung des geleisteten Unterhalts nach dem UVG in Anspruch nehme. Von der Behörde wurden in der Zeit vom 1. April 2005 bis zur Eheschließung der Kindesmutter am 20. März 2008 durchgehend Unterhaltsvorschussleistungen für das Kind an die Kindesmutter erbracht.
Der rückwirkenden Geltendmachung des Unterhalts für diesen Zeitraum steht das von dem beklagten Vater behauptete Zusammenleben mit Mutter und Kind nicht entgegen. Selbst wenn die Kindesmutter im Juni 2005 beim Beklagten gewohnt hat, ist dadurch die mit Schreiben der Behörde vom 6. April 2005 erfolgte Rechtswahrungsanzeige nicht unwirksam geworden.
Die Rechtswahrungsanzeige nach § 7 Abs. 2 UVG stellt keinen Unterhaltsanspruch fest, sondern hat lediglich den Sinn, den Schuldner unverzüglich von der (zu erwartenden) Bewilligung der Unterhaltsleistungen nach dem UVG zu unterrichten, damit er nicht mehr mit Schuld befreiender Wirkung an das unterhaltsberechtigte Kind zahlen kann (vgl. § 407 Abs. 1 BGB). Unter dem Gesichtspunkt des Schuldnerschutzes hat sie eine der Mahnung vergleichbare Warnfunktion, indem sie den Unterhaltsschuldner darauf vorbereitet, dass er für Unterhaltsleistungen in Anspruch genommen werde. Sie zerstört das Vertrauen des Pflichtigen, dass die Dispositionen über seine Lebensführung durch Unterhaltspflichten nicht berührt werden, und wirkt insoweit gleich einer Mahnung1. Ihre Auswirkungen sind nicht nach verwaltungsrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen, sondern nach den Maßstäben des bürgerlichen Rechts. Der Umfang des übergeleiteten Unterhaltsanspruchs bestimmt sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Dementsprechend ist die durch die Rechtswahrungsanzeige hinsichtlich des Unterhalts für die Vergangenheit bestehende Rechtsposition ebenfalls bürgerlich-rechtlicher Natur. Daher ist auch die Frage, ob die Behörde ihre durch die Rechtswahrungsanzeige erlangte Rechtsposition wieder verloren hat, nach bürgerlichem Recht zu beantworten2.
Nach den damit anwendbaren bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen konnte im vorliegenden Fall die der Rechtswahrungsanzeige vom 6. April 2005 zukommende Warnfunktion durch ein bloßes zeitweises Zusammenleben des Beklagten mit der Mutter des Kindes allein nicht beseitigt werden. Soweit das Kind mit dem Beklagten als Vater zusammengelebt hat und damit für diese Zeit die Berechtigung des Kindes auf Unterhaltsvorschussleistung nach § 1 Abs. 1 UVG entfallen sein könnte, hat dies für sich genommen jedenfalls keine Auswirkungen auf die durch die Rechtswahrungsanzeige gegenüber dem Beklagten erfolgte Warnung. Von dem außerhalb ihrer Sphäre liegenden Zusammenleben zwischen Beklagtem und Kindesmutter hatte die Behörde keine Kenntnis und konnte sie auch nicht haben, solange sie hiervon nicht informiert wurde. Solange eine solche Mitteilung nicht erfolgt ist, konnte die Behörde nicht auf den rückständigen Unterhalt verzichten und ist auch nicht aus besonderen Gründen nach Treu und Glauben, § 242 BGB, gehindert, sich auf diese Rechtsfolgen zu berufen3.
Der Umstand des Zusammenlebens allein berechtigte den Beklagten nicht zu der Annahme, von der Behörde nicht mehr auf Unterhalt in Anspruch genommen zu werden. Für ein schützenswertes Vertrauen besteht nämlich kein Raum, wenn die Verwaltung über für ihre Entscheidung erhebliche Umstände nicht oder nicht vollständig unterrichtet ist4. Selbst wenn also davon auszugehen wäre, dass die Mutter ihre gegenüber der Behörde bestehende Anzeigepflicht verletzt hat, ließe sich allein daraus kein besonderer Vertrauenstatbestand im Verhältnis zum Beklagten herleiten. Es kommt vor, dass öffentliche Leistungen bezogen werden, obwohl die dafür erforderlichen Voraussetzungen entfallen sind. Dies dürfte auch dem Beklagten bekannt sein. Dass die Behörde demgegenüber von dem zeitweisen Zusammenleben keine Kenntnis hatte, ergibt sich für das OLG Hamburg bereits daraus, dass für das Kind durchgehend Unterhaltsvorschussleistungen erbracht worden sind, weil seitens der Unterhaltsvorschusskasse davon ausgegangen wurde, dass eine häusliche Gemeinschaft zwischen der Mutter und dem Beklagten nicht bestanden hat. Der Beklagte hat auch keine sonstigen Umstände vorgetragen, aus denen sich für ihn nach Treu und Glauben die berechtigte Annahme hätte ergeben können, dass die Behörde entgegen ihrer Mitteilung vom 6. April 2005 keine Unterhaltsvorschussleistungen für das Kind mehr erbringen oder ihn hierfür nicht mehr in Anspruch nehmen werde. In dem hier maßgeblichen Zeitraum hat der Beklagte selbst keinen (Natural-)Unterhalt gegenüber dem Kind erbracht und mit der Mutter auch nicht zusammengelebt, so dass die Behörde entgegen seiner Auffassung berechtigterweise Unterhaltsvorschuss geleistet hat.
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