Sozialversicherungspflicht in einer Rechtsanwaltsgesellschaft

Rechtsanwälte, die als Gesellschafter-Geschäftsführer einer Rechtsanwaltsgesellschaft tätig sind, können aufgrund abhängiger Beschäftigung sozialversicherungspflichtig sein. Dies ist nicht von vornherein deshalb ausgeschlossen, weil Rechtsanwälte unabhängige Organe der Rechtspflege sind. Vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an.

Sozialversicherungspflicht in einer Rechtsanwaltsgesellschaft

Mit dieser Begründung hat aktuell das Bundessozialgericht die Revisionen von fünf Rechtsanwälten zurückgewiesen. Die fünf klagenden Rechtsanwälte sind Gesellschafter-Geschäftsführer einer Rechtsanwaltsgesellschaft. Deren Gegenstand ist die Übernahme und die Ausführung von Anwaltsaufträgen, insbesondere die Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten und alle damit im Zusammenhang stehenden Geschäfte, die durch in Diensten der Gesellschaft stehende, zugelassene Rechtsanwälte unabhängig, weisungsfrei und eigenverantwortlich unter Beachtung ihres Berufsrechts ausgeführt werden. Die klagenden Rechtsanwälte hielten zunächst jeweils 20 %, nach Ausscheiden eines Klägers 25 % der Gesellschaftsanteile. Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung werden mit einfacher Mehrheit gefasst. Die Geschäftsführerverträge sehen ein festes Monatsgehalt von brutto 6500 € zuzüglich eines 13. Monatsgehalts und eine gewinnabhängige Vergütung (Tantieme) in Höhe von 10 % des tantiemepflichtigen Gewinns vor. Ferner bestehen Ansprüche auf Weiterzahlung der Vergütung bei Arbeitsunfähigkeit für die Dauer von sechs Monaten sowie auf einen Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen. Im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens stellte die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund die Versicherungspflicht der klagenden Rechtsanwälte in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund Beschäftigung fest.

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Die hiergegen gerichteten Klagen sind vor dem Sozialgericht Mannheim1 ebenso ohne Erfolg geblieben wie ihre Berufungen vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg2. Keiner der klagenden Rechtsanwälte habe, so das Landessozialgericht, über eine Sperrminorität verfügt. Allein die Ausübung eines freien Berufs bewirke nicht ihre Selbstständigkeit. Die Rechtsanwälte seien in den Betrieb der Rechtsanwaltsgesellschaft eingegliedert gewesen. Auch der jeweilige Geschäftsführervertrag spreche für eine abhängige Beschäftigung.

Mit ihren Revisionen rügen die Rechtsanwälte eine Verletzung von § 7 SGB IV. Die Vorinstanzen hätten nicht ausreichend berücksichtigt, dass sie als Rechtsanwälte unabhängige Organe der Rechtspflege seien. Zudem gewährleiste die Bundesrechtsanwaltsordnung ausdrücklich die Unabhängigkeit von Rechtsanwälten, die Geschäftsführer einer Rechtsanwaltsgesellschaft seien. Daher seien sie nicht mit Honorarärzten oder Steuerberatern vergleichbar.

Das Bundessozialgericht folgte dieser Argumentation der REchtsanwälte jedoch nicht; bei Rechtsanwaltsgesellschaften kommt es – wie allgemein bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung – für die Frage einer Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung der Gesellschafter-Geschäftsführer darauf an, ob sie über die gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht verfügen, die Geschicke des Unternehmens zu bestimmen. Etwas anderes gilt nicht für Rechtsanwälte, die in einer Rechtsanwaltsgesellschaft tätig sind. Ganz allgemein schließt die Bundesrechtsanwaltsordnung eine Tätigkeit von Rechtsanwälten in einem Anstellungsverhältnis und damit in abhängiger Beschäftigung nicht aus. Dies gilt auch in einer Rechtsanwaltsgesellschaft, denn die Regelungen der Bundesrechtsanwaltsordnung gewährleisten lediglich die fachliche Unabhängigkeit der Rechtsanwälte in ihrer anwaltlichen Tätigkeit. Aufgrund ihrer Position als Geschäftsführer können sie dennoch in das Unternehmen eingegliedert sein und im Rahmen der Unternehmenspolitik Weisungen der Gesellschafterversammlung unterliegen.

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In Anwendung dieser Maßstäbe hat das Bundessozialgericht die Urteile der Vorinstanzen bestätigt und die Revisionen zurückgewiesen. Jeder der fünf Kläger verfügte als Minderheitsgesellschafter mit einem Geschäftsanteil von ursprünglich 20 %, später 25 % nicht über die gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht, die Geschicke der Rechtsanwaltsgesellschaft zu bestimmen. Die Geschäftsführerverträge enthalten zudem typische Regelungen für eine abhängige Beschäftigung.

Bundessozialgericht, Urteil vom 28. Juni 2022 – B 12 R 4/20 R

  1. SG Mannheim, Urteil vom 15.02.2017 – S 12 R 797/16[]
  2. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.0ß9.2019 – L 13 R 1216/17[]

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