Ein versicherungswidriges Verhalten i.S.d. § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III ist dann anzunehmen, wenn der Arbeitslose bei telefonischer Einladung zu einem Vorstellungsgespräch darauf hinweist, er wolle sich in drei bis vier Monaten selbständig machen. Ein wichtiger Grund liegt nicht vor, wenn der Arbeitslose keine konkreten Umsetzungsschritte zur Aufnahme der Selbständigkeit in zeitlicher Hinsicht unternommen hat. Der Arbeitslose ist gehalten, sein Verhalten so auszurichten, dass eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zeitnah aufgenommen werden kann.

In dem hier vom Sozialgericht Gießen entschiedenen Fall bezog der 1993 geborene Arbeitnehmer von der Bundesagentur für Arbeit seit Januar 2021 Arbeitslosengeld I. Die Bundesagentur für Arbeit unterbreitete dem Arbeitnehmer am 28.01.2021 einen Vermittlungsvorschlag als Bauleiter. Der Arbeitnehmer bewarb sich bei dem potentiellen Arbeitgeber am 10.03.2021. Dieser rief den Arbeitnehmer an, um ein Vorstellungsgespräch zu vereinbaren. In diesem Telefonat wies der Arbeitnehmer den potentiellen Arbeitgeber darauf hin, dass er sich selbständig machen wolle und lediglich eine Beschäftigung von drei bis vier Monaten Zeitdauer suche. Nach dem der potentielle Arbeitgeber die Bewerbung als „Verhinderungsbewerbung“ bezeichnet hatte, teilte die Bundesagentur für Arbeit dem Arbeitnehmer mit Bescheid vom 14.01.2021 mit, während der Zeit vom 31.03.2021 bis 20.04.2021 sei eine Sperrzeit eingetreten. Das Arbeitsangebot für eine Beschäftigung als Bauleiter habe den Grundsätzen einer sachgerechten Arbeitsvermittlung entsprochen. Die Arbeit sei dem Arbeitnehmer zuzumuten. Trotz Belehrung über die Rechtsfolgen habe der Arbeitnehmer das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses vereitelt. Der Widerspruch des Arbeitnehmers blieb ohne Erfolg.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem Sozialgericht Gießen keinen Erfolg:
Das Sozialgericht wies darauf hin, dass es sich bei dem Vermittlungsvorschlag um ein hinreichend benanntes und zumutbares Beschäftigungsangebot gehandelt habe. Dieses Beschäftigungsangebot habe der Arbeitnehmer nicht angenommen.
Der Nichtannahme sei gleichzustellen, wenn dem gesamten Verhalten der eindeutige Wille entnommen werden könne, dass der Arbeitslose nicht bereit sei, die ihm angebotene Arbeit anzunehmen oder die Einstellung durch abschreckendes oder besonders provokantes Verhalten gegenüber dem Arbeitgeber vorsätzlich verhindert werde.
Hier sei die Anbahnung eines Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere das Zustandekommens eines Vorstellungsgesprächs, durch das Verhalten des Arbeitnehmers verhindert worden (§ 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 3. Variante). Der Arbeitslose müsse sich gegenüber dem potentiellen Arbeitgeber so verhalten, wie dies üblicherweise von einem an einer Aufnahme interessierten Arbeitslosen erwartet werden könne. Er habe alle Bestrebungen zu unterlassen, die den Arbeitgeber veranlassen könnten, ihn bereits vor einer persönlichen Vorstellung aus dem Bewerberkreis auszuschließen.
Den Arbeitslosen treffe die Obliegenheit, alle Maßnahmen zu ergreifen, um die Arbeitslosigkeit so schnell wie möglich zu beenden und eine ihm angebotene Arbeit zu erhalten. Dem könne der Arbeitnehmer nicht damit begegnen, dass er einen potentiellen Arbeitgeber nicht anlügen dürfe. Eine Offenbarungspflicht etwa im Hinblick auf eine Nebentätigkeit habe nicht bestanden. Vielmehr habe der Arbeitnehmer unmissverständlich erklärt, dem Arbeitsangebot nicht lange nachkommen zu können.
Dem Arbeitnehmer habe für sein Verhalten auch kein wichtiger Grund zur Seite gestanden. Denn es fehle an konkreten Umsetzungsschritten des Arbeitnehmers hin zur Selbständigkeit, auch in zeitlicher Hinsicht. Eine mögliche Selbständigkeit habe nicht konkret in Aussicht gestanden.
Sozialgericht Gießen, Urteil vom 12. Juli 2021 – S 14 AL 81/21