Der Anspruch des Arbeitgebers auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Sozialversicherungsbeiträge zur Arbeitslosenversicherung verjährt für die noch offene, über den Zeitraum von vier Jahren zurückreichende Zeit nach § 27 Abs 2 S 1 SGB IV.

Es ist nicht ermessensfehlerhaft und stellt auch keine unzulässige Rechtsausübung dar, dass sich die Bundesagentur für Arbeit auf die Einrede der Verjährung berief. Eine unbillige Härte, die ausnahmsweise hätte Anlass geben können, dem Schutz der Arbeitgeberin vor unvorhergesehenen Belastungen Vorrang gegenüber dem Interesse der Versichertengemeinschaft einzuräumen, kann regelmäßig nicht angenommen werden. Insbesondere rechtfertigt der Umstand, dass in der Vergangenheit durchgeführte Arbeitgeberprüfungen ohne Beanstandungen blieben, nicht die Annahme eines der Bundesagentur zuzurechnenden fehlerhaften Verwaltungshandelns der Prüfbehörden. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts1, dass Arbeitgeber aus Betriebsprüfungen, die ohne Beanstandungen geblieben sind, keinen besonderen Schutz gegen später folgende nachteilige behördliche Entscheidungen herleiten können. Diese Prüfungen haben nur den Zweck, die Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung im Sinne einer Kontrollfunktion zu sichern. Eine Betriebsprüfung muss nicht umfassend oder erschöpfend sein, sondern darf sich auf bestimmte Einzelfälle oder Stichproben beschränken. Unterbliebene Beanstandungen schaffen keine Vertrauensgrundlage für den Arbeitgeber, der verschiedene verfahrensrechtliche Möglichkeiten hat, eine verbindliche Klärung über die Versicherungs- oder Beitragspflicht der für ihn tätigen Personen herbeizuführen.
Diese Grundsätze gelten nach der oben zitierten Rechtsprechung auch für Betriebsprüfungen in Klein- oder Kleinstbetrieben, weil sich eine Unterscheidung zwischen Klein- und Großbetrieben hinsichtlich Umfang und Schutzzweck von Betriebsprüfungen dem geltenden Recht nicht entnehmen lässt. Daran hält das Bundessozialgericht trotz von der BSG-Rechtsprechung teilweise abweichender Äußerungen in instanzgerichtlichen Entscheidungen und im Schrifttum fest. Eine vom Sozialversicherungsrecht abweichende rechtliche Ausgestaltung ist zwar im Steuerrecht erfolgt (vgl die Änderungssperre nach § 173 Abs 2 S 1 AO), jedoch auf diesen Bereich beschränkt geblieben.
Nach § 26 Abs 2 Halbs 1 SGB IV bzw dem für das Recht der Arbeitsförderung bis zum 31.12.1997 geltenden – mit § 26 Abs 2 Halbs 1 SGB IV nahezu textidentischen – § 185a Abs 1 S 1 AFG2 sind zu Unrecht entrichtete Beiträge (zur Arbeitslosenversicherung) zu erstatten; eine Erstattung solcher Beiträge kommt nach § 26 Abs 2 Halbs 1 SGB IV nur dann in Betracht, wenn der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs aufgrund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, keine Leistungen erbracht oder zu erbringen hat (sog Verfallklausel). Gemäß § 26 Abs 3 S 1 SGB IV (iVm § 185a Abs 1 S 2 AFG) steht der Erstattungsanspruch demjenigen zu, der die Beiträge getragen hat.
Die von der Arbeitgeberin für den Arbeitnehmer im streitigen Zeitraum getragenen und gezahlten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung wurden von ihr iS von § 26 Abs 2 Halbs 1 SGB IV bzw § 185a Abs 1 S 1 AFG vorliegend zu Unrecht entrichtet; denn mit bestandskräftigem Bescheid stellte die Einzugsstelle fest, dass der (vermeintliche) Arbeitnehmer in seiner für die Arbeitgeberin ausgeübten Tätigkeit als Geschäftsführer nicht wegen Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht – und im Recht der Arbeitsförderung der Beitragspflicht – unterliegt. Die Arbeitgeberin hat ihren Beitragserstattungsanspruch erstmals im Dezember 2001 geltend gemacht; bis zu diesem Zeitpunkt wurden von der Bundesagentur Leistungen an L. nicht erbracht bzw waren nicht zu erbringen. Die Bundesagentur für Arbeit erfüllte den Beitragserstattungsanspruch bzw die Beitragserstattungsansprüche für die von Dezember 1996 bis Dezember 1999 entrichteten Beiträge durch entsprechende Zahlung.
Die für die Zeit vom 25.02.1980 bis 30.11.1996 entrichteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung wurden von der Arbeitgeberin nicht etwa (bereits) deshalb gleichwohl zu Recht entrichtet, weil in der Vergangenheit bei früheren Betriebsprüfungen (Arbeitgeberprüfungen) ein für diese verbindlicher (§ 77 SGG) Verwaltungsakt über die Feststellung der Versicherungspflicht bzw – im Bereich der Arbeitslosenversicherung – der Beitragspflicht des L. ab 25.02.1980 ergangen sein könnte; ein solcher Verwaltungsakt wäre dann nämlich (weiterhin) Rechtsgrund für die Tragung der Beiträge und ließe einen Beitragserstattungsanspruch (schon gar) nicht entstehen mit der Folge, dass über Fragen der Verjährung vorliegend (überhaupt) nicht entschieden werden müsste3. Nach den Feststellungen des LSG waren bei früheren Betriebsprüfungen durch Einzugsstellen oder Rentenversicherungsträger konkret die Versicherungspflicht bzw Beitragspflicht des L. und die Richtigkeit der Beitragszahlungen feststellende, also der materiellen Bindung fähige personenbezogene Bescheide für einen bestimmten Zeitraum4 nicht ergangen. Zwar hat das Berufungsgericht von (weiteren) Ermittlungen zu der im Oktober 1997 (für den Prüfzeitraum 1.10.1993 bis 31.12.1996) von der Einzugsstelle durchgeführten Betriebsprüfung abgesehen und nicht (weiter) aufgeklärt, ob und in welchem Umfang die versicherungsrechtlichen Verhältnisse des L. seinerzeit (tatsächlich) vollständig überprüft wurden (bzw Anlass hierfür bestand). Jedenfalls hat das LSG aber festgestellt, dass wegen fehlender Kenntnis der Vertragsgestaltung und tatsächlichen Durchführung der Geschäftsführertätigkeit von einer solchen vollständigen Prüfung abgesehen (und diese – unvollständige – Prüfung damit auch nicht durch einen Verwaltungsakt über die Versicherungspflicht bzw Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung und die Beitragshöhe abgeschlossen) wurde. Im Übrigen wären bei früheren Betriebsprüfungen ergangene Bescheide der Einzugsstelle zur Versicherungspflicht bzw Beitragspflicht des L. durch den Bescheid der Einzugsstelle vom 18.12.2001 mit Rückwirkung ab 25.02.1980 schlüssig aufgehoben worden5.
Die hier geltend gemachten entstandenen Erstattungsansprüche hinsichtlich der für die Zeit vom 25.02.1980 bis 30.11.1996 entrichteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sind verjährt.
Nach § 27 Abs 2 S 1 SGB IV (iVm § 185a Abs 1 S 2 AFG) verjährt der Anspruch auf Erstattung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Beiträge entrichtet worden sind. § 27 Abs 2 S 2 SGB IV, wonach die Verjährung erst mit Ablauf des Kalenderjahrs einer Beitragsbeanstandung durch den Versicherungsträger beginnt, findet in der Arbeitslosenversicherung keine Anwendung6. Die Verjährungsvorschriften bedürfen für den besonderen Zusammenhang des Beitragsrechts in der Arbeitslosenversicherung keiner Modifikation7. Auch ist – entgegen der von der Arbeitgeberin vertretenen Auffassung – ihre Unkenntnis von den Beitragserstattungsansprüchen und damit die Möglichkeit, diese (rechtzeitig) geltend zu machen, für die Frage der Verjährung ohne Bedeutung8.
Die entstandenen Erstattungsansprüche hinsichtlich der bis November 1996 entrichteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sind demgemäß mit Ablauf des Jahres 2000 insgesamt verjährt. Anhaltspunkte für eine Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung nach den sinngemäß geltenden Vorschriften des BGB (vgl § 27 Abs 3 S 1 SGB IV idF bis 31.12.2001 iVm §§ 198 ff BGB aF) sind nicht gegeben. Insbesondere hat die Arbeitgeberin einen schriftlichen Antrag auf Erstattung, der die Verjährung unterbrechen konnte (vgl § 27 Abs 3 S 2 SGB IV), erst im Dezember 2001 und damit nach Ablauf des Verjährungszeitraums gestellt.
Die Bundesagentur für Arbeit war auch, soweit es um die vor Dezember 1996 entrichteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung geht, zur Verweigerung der Beitragserstattung wegen Verjährung berechtigt; sie hat ohne Rechtsfehler die Einrede der Verjährung erhoben.
Der Verjährungseinrede steht nicht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung (venire contra factum proprium) als Unterfall des auch im öffentlichen Recht maßgebenden – und von Amts wegen zu beachtenden – § 242 BGB entgegen. Ob dieser Gesichtspunkt der Berufung auf den Verjährungseintritt bereits tatbestandsmäßig entgegensteht oder erst im Zusammenhang mit dem dem Schuldner nach § 27 Abs 3 S 1 SGB IV iVm § 222 Abs 1 BGB aF zustehenden Ermessen zu beachten ist9, braucht das Bundessozialgericht nicht zu entscheiden. Zutreffend geht das LSG nämlich davon aus, dass aus der Begründung des Bescheides der Bundesagentur vom 11.06.2002 und ihres Widerspruchsbescheides vom 18.11.2002 jedenfalls (auch) zu entnehmen ist, dass sie ihre Pflicht erkannte, eine Ermessensentscheidung über die Erhebung der Verjährungseinrede zu treffen10, und eine solche Ermessensentscheidung tatsächlich getroffen hat. Dabei hielt sie sich an ihre Verwaltungsanweisungen, die vorsehen, in Fällen einer „unbilligen Härte“ von der Verjährungseinrede abzusehen. Hierzu heißt es in der Durchführungsanweisung der Bundesagentur zu § 27 SGB IV: „Eine besondere Härte ist im Allgemeinen anzunehmen, wenn die Beitragszahlung deshalb zu Unrecht erfolgt ist, weil sie auf einem fehlerhaften Verwaltungshandeln der BA, der Einzugsstelle oder eines Trägers der Rentenversicherung (letzterer als Prüfinstitution) beruht, dh die fehlerhafte Beitragszahlung muss von einer dieser Stellen nachweislich verursacht worden sein.“ Dies verneinte die Bundesagentur für Arbeit für den vorliegenden Zusammenhang zu Recht.
Für das Ermessen relevante Gesichtspunkte im Sinne einer unbilligen oder besonderen Härte, die ausnahmsweise dazu hätten Anlass geben können, das Interesse der Versichertengemeinschaft, unvorhergesehene Belastungen zu verhindern, hintanzustellen11 und von der Verjährungseinrede abzusehen, liegen nicht vor. Insbesondere ist der (bloße) Umstand, dass in der Vergangenheit von Einzugsstellen oder Rentenversicherungsträgern durchgeführte Betriebsprüfungen (Arbeitgeberprüfungen) hinsichtlich erfolgter Beitragszahlungen ohne Beanstandungen blieben, später aber für bereits geprüfte (abgeschlossene) Zeiträume festgestellt wurde, dass der Mitarbeiter nicht versicherungspflichtig bzw beitragspflichtig war, kein – der Bundesagentur zuzurechnendes – fehlerhaftes Verwaltungshandeln der Prüfbehörden. Das ist unabhängig von der Betriebsgröße als „Rechtsfolge“ auch bei Betriebsprüfungen in kleinen oder Kleinstbetrieben anzunehmen. Jüngere Instanzrechtsprechung „zur Beitragsprüfung“, zu „Anforderungen der Rechtsentwicklung“ oder „aktuelle rechtliche Bedürfnisse“ veranlassen hier nicht zu einer anderen Beurteilung.
Das Bundessozialgericht hat sich bereits wiederholt – im Zusammenhang mit sog Beitragsnachforderungsfällen12 und sog Beitragserstattungsfällen13 – mit den „Rechtsfolgen“ von Betriebsprüfungen befasst, bei denen es zunächst keine Beanstandungen gab, sich später jedoch herausstellte, dass die Versicherungs- und/oder Beitragspflicht von Mitarbeitern vom geprüften Arbeitgeber schon im Prüfzeitraum unzutreffend beurteilt wurden, dieses im Rahmen der Betriebsprüfung aber nicht aufgefallen war. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich als grundlegende Erkenntnis, dass Arbeitgeber (und Arbeitnehmer) aus solchen Betriebsprüfungen keine weitergehenden Rechte herleiten können, weil Betriebsprüfungen unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und mittelbar im Interesse der Versicherten nur den Zweck haben, die Beitragsentrichtung zu einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern14. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt den Betriebsprüfungen nicht zu und kann ihnen schon deshalb nicht zukommen, weil die Betriebsprüfung nicht umfassend oder erschöpfend zu sein braucht und sich auf bestimmte Einzelfälle oder Stichproben beschränken darf15. Betriebsprüfungen – ebenso wie das Ergebnis der Prüfung festhaltende Prüfberichte der Versicherungsträger – bezwecken insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm etwa – mit Außenwirkung – „Entlastung“ zu erteilen16. Eine materielle Bindungswirkung kann sich lediglich dann und insoweit ergeben, als Versicherungs- und/oder Beitragspflicht (und Beitragshöhe) im Rahmen der Prüfung personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch gesonderten Verwaltungsakt festgestellt wurden17. Hiervon ausgehend hat das Bundessozialgericht bei unterbliebenen Beanstandungen in Beitragsnachforderungsfällen das Bestehen einer Vertrauensgrundlage für den Arbeitgeber (und den Arbeitnehmer) bzw eines vertrauensbegründenden (Verwirkungs-)Verhaltens des prüfenden Versicherungsträgers18 und in Beitragserstattungsfällen das Vorliegen eines eigenen oder zuzurechnenden fehlerhaften Verwaltungshandelns der Prüfbehörde19 verneint.
Ist die Beurteilung der sozialversicherungsrechtlichen Verhältnisse eines Mitarbeiters für den Arbeitgeber (oder Arbeitnehmer) zweifelhaft, so stehen ihm nämlich mehrere Möglichkeiten offen, Rechtsklarheit zu erlangen. Er kann gemäß § 28h Abs 2 S 1 SGB IV rechtzeitig eine Entscheidung der Beitragseinzugsstelle über die Versicherungs- und/oder Beitragspflicht des Mitarbeiters durch Verwaltungsakt herbeiführen20. An diese Entscheidung sind die Versicherungsträger nach Maßgabe der §§ 44 ff SGB X gebunden (§ 77 SGG). Mit dem gleichen Ziel kann heute der Weg des Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV beschritten werden.
Das Bundessozialgericht wendet diese Grundsätze in ständiger Rechtsprechung auch bei Betriebsprüfungen in „kleineren“ Betrieben an21. Selbst für Betriebsprüfungen in sog Kleinstbetrieben mit nur einem (einzigen) „Aushilfsarbeiter“ hat er eine Verpflichtung der Prüfbehörden verneint, die versicherungsrechtlichen Verhältnisse der (aller) Mitarbeiter vollständig zu beurteilen22. Obwohl in der Literatur teilweise die Forderung erhoben wird, die Prüfung solle umso dichter sein, je kleiner ein Betrieb ist23, darf die Prüfung von Aufzeichnungen und Unterlagen hier ebenfalls auf Stichproben beschränkt bleiben. Das Bundessozialgericht hat seine Auffassung schon in der Vergangenheit damit begründet, dass sich dem SGB IV und dem für Betriebsprüfungen geltenden Verordnungsrecht eine Unterscheidung zwischen „kleinen“ und „großen“ Betrieben hinsichtlich Umfang und Schutzweck von Betriebsprüfungen nicht entnehmen lässt24. Er hat weiter darauf hingewiesen, dass es im Übrigen auch bei kleineren Betrieben mit wenigen Arbeitnehmern ausgeschlossen sei, eine vollständige Überprüfung der Lohn(Entgelt)unterlagen vorzunehmen, weil die Prüfzeiträume mehrere Jahre umfassen und sich eine Vollüberprüfung sonst auf sämtliche Abrechnungszeiträume in allen Versicherungszweigen erstrecken müsste.
An dieser Rechtsprechung – zum obligatorischen Umfang einer Betriebsprüfung, zur fehlenden Relevanz der Betriebsgröße insoweit und zu den „Rechtsfolgen“ von Betriebsprüfungen – hält das Bundessozialgericht auch in Ansehung neuerer Instanzrechtsprechung „zur Beitragsprüfung“ und trotz im Schrifttum erhobener (vorrangig sozialpolitisch einzuordnender) Forderungen nach einer Herstellung von Rechtsfrieden zwischen Sozialverwaltung einerseits und Arbeitgeber (und Arbeitnehmer) andererseits fest.
Entgegen der vom LSG Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 25.08.200525 vertretenen Auffassung sind Prüfbehörden, wenn „außer dem Gesellschafter-Geschäftsführer nur eine weitere Angestellte gemeldet“ ist, nicht (von vornherein) zur umfassenden und erschöpfenden Prüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse aller Mitarbeiter verpflichtet. Das LSG Rheinland-Pfalz belegt seine Ansicht, dass im Hinblick auf solche betrieblichen Besonderheiten für eine Stichprobenprüfung „kein Raum“ sein bzw „grundsätzlich keine Veranlassung bestehen“ soll, die Betriebsprüfung auf Stichproben zu beschränken26 nicht mit einer juristisch nachvollziehbaren Argumentation.
Es ist auch nicht der vereinzelt im Schrifttum vertretenen Auffassung27 zu folgen, nach der zur Herstellung von „Kalkulationssicherheit bei den Arbeitgebern“ in Beitragsnachforderungsfällen bei beanstandungsfreien Betriebsprüfungen ein „Bestandsschutz“ für den gesamten geprüften Zeitraum und die versicherungsrechtlichen Verhältnisse aller Mitarbeiter angenommen werden müsse. Dieser „Bestandsschutz“ soll dieser Auffassung zufolge – konstruktiv – dadurch erreicht werden, dass eine Betriebsprüfung als in jeder Hinsicht (verfahrens)abschließend betrachtet und zu diesem Zweck das Ergebnis der Prüfung festhaltenden Prüfberichten – in ihrer (nur noch) bis Ende 2010 bestehenden Form28 – im Verhältnis zum Arbeitgeber Verwaltungsaktsqualität „zuerkannt“ bzw ein „formeller Prüfabschluss-Bescheid“ gegenüber dem Arbeitgeber gefordert wird29; bei Beitragsnachforderungen solle dann die Pflicht bestehen, die Bindungen des § 45 SGB X und dessen Vertrauensschutzregelungen zu beachten30, sodass „Eingriffe“ in abgeschlossene (oder sich jedenfalls überschneidende) Prüfzeiträume nur unter erschwerten Voraussetzungen möglich seien. In der Konsequenz dieser Auffassung müsste dann für Beitragserstattungsfälle – zum Zweck der Herstellung von „Kalkulationssicherheit bei den Arbeitgebern“ – gefordert werden, dass eine Berufung auf den Verjährungseintritt als unzulässige Rechtsausübung gehindert sei, weil die Beitragsüberzahlung auf ein zurechenbares fehlerhaftes Verwaltungshandeln der Prüfbehörde zurückgehe.
Gegen diese vor allem mit den „Anforderungen der Rechtsentwicklung“ und „aktuellen rechtlichen Bedürfnissen“ begründete Ansicht ist indessen einzuwenden, dass es – was aber (zunächst) erforderlich wäre – eine Ermächtigung für die Versicherungsträger (Prüfinstitutionen), Prüfberichte als Verwaltungsakte (mit Außenwirkung für den Arbeitgeber) zu erlassen, im SGB IV und in dem für Betriebsprüfungen geltenden Verordnungsrecht nicht gibt. So musste etwa nach § 1 Abs 3 S 1 der bis 30.06.2006 geltenden BeitrÜV vom 22.05.198931 – und § 7 Abs 3 S 1 BVV in ihrer bis 31.12.2010 geltenden Fassung (aaO) – jeder Versicherungsträger (Prüfinstitution), der eine Prüfung durchgeführt hatte, den Umfang und das Ergebnis der Prüfung … in einem „Bericht“ festhalten. Der Prüfbericht, der – mit dem Ziel seiner Weitergabe etwa an die Einzugsstellen (vgl § 1 Abs 3 S 3 BÜV und § 7 Abs 4 S 3 BVV) – lediglich festhielt, welches versicherungsrechtliche Ergebnis aus dem geprüften Sachverhalt hervorging32 sollte nach der Konzeption des Verordnungsgebers, die in den einschlägigen Vorschriften ihren Niederschlag gefunden hat, aber nur für den zuständigen, die Betriebsprüfung durchführenden Versicherungsträger (Prüfinstitution) Bedeutung erlangen und damit internen Charakter (ohne Außenwirkung für den Arbeitgeber) erhalten33. Eine (ausdrückliche) Ermächtigung zum Erlass von Verwaltungsakten „im Rahmen der Prüfung“ besteht nur in § 28p Abs 1 S 5 SGB IV, nämlich soweit Versicherungspflicht und/oder Beitragspflicht sowie Beitragshöhe personenbezogen für bestimmte Zeiträume (oder ggf durch Summenbescheid) festgestellt werden sollen.
Keine Verwaltungsakte stellen auch die – dem Arbeitgeber gegenüber schriftlich abzugebenden (vgl § 1 Abs 4 S 1 BeitrÜV und § 7 Abs 4 S 1 BVV) – Mitteilungen der Versicherungsträger (Prüfinstitutionen) über das Ergebnis der Betriebsprüfung dar. Eine solche (bloße) Prüfmitteilung kommt in Betracht, wenn die Betriebsprüfung ohne Beanstandungen blieb; andernfalls wird das Ergebnis der Betriebsprüfung nämlich in der Gestalt von Bescheiden nach § 28p Abs 1 S 5 SGB IV bekanntgegeben34. Schon nach dem Wortlaut der Verordnungsregelungen („Mitteilung“) setzt die Mitteilung an den Arbeitgeber diesem gegenüber keine (verbindliche) – regelnde oder feststellende – Rechtsfolge, sondern enthält lediglich eine (unverbindliche) Information des Versicherungsträgers (Prüfinstitution) über die zurückliegende Betriebsprüfung35.
Gegen die Annahme eines umfassenden „Bestandsschutzes“ für den Arbeitgeber (und den Arbeitnehmer) nach beanstandungsfreien Betriebsprüfungen spricht schließlich, dass das Verfahren der Betriebsprüfung (heute) inhaltsgleich und rechtlich gleichwertig neben dem Einzugsstellenverfahren (vgl § 28h Abs 2 SGB IV) und dem Anfrageverfahren (vgl § 7a SGB IV) besteht36 und für die Entscheidungskompetenzen der Einzugsstelle und der „Clearing-Stelle“ im Rahmen der Beschäftigtenversicherung (entsprechende) zeitliche Einschränkungen gesetzlich (gerade) nicht gelten. Die Entscheidung, ob eine bestimmte Tätigkeit als Beschäftigung zur Versicherungspflicht führt oder nicht, kann auch im Einzugsstellen- und Anfrageverfahren grundsätzlich ohne zeitliche Beschränkungen nachträglich getroffen werden; das hat das Bundessozialgericht für diese Verfahren stets ohne Weiteres angenommen und ist davon ausgegangen, dass Verwaltungsakte über das (Nicht)Bestehen von Versicherungspflicht hier unabhängig davon ergehen können, ob die Tätigkeit bereits zuvor von einer Einzugsstelle, der „Clearing-Stelle“ oder bei einer Betriebsprüfung beurteilt und ohne Beanstandungen geblieben war (so auch – zum Einzugsstellenverfahren – LSG Baden-Württemberg Urteil vom 28.04.2009 – L 11 KR 2495/05 = ArbuR 2009, 264). Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes sind allerdings auch im Einzugsstellen- und Anfrageverfahren (jedenfalls) dann zu prüfen, wenn in der Vergangenheit Verwaltungsakte mit materieller Bindungswirkung ergangen sind.
Vor diesem Hintergrund kann die im Schrifttum erhobene Forderung nach einem „neuen rechtlichen Rahmen“, insbesondere einem formellen „Prüfabschluss-Bescheid“, bzw einer „neuen Beitragsordnung“30 letztlich nur als Anregung an den Gesetzgeber verstanden werden, dem „Bestands- bzw Vertrauensschutz“ nach Betriebsprüfungen, die ohne Beanstandungen geblieben sind, mehr Beachtung zu schenken. Als Referenz wird insoweit vor allem die für Steuerbescheide, die aufgrund einer (steuerlichen) Außenprüfung ergangen sind, geltende Änderungssperre nach § 173 Abs 2 S 1 Abgabenordnung (AO) benannt, die – unter den dort geregelten Voraussetzungen – als zusätzliches Korrekturhindernis die allgemeinen Korrekturtatbestände des § 173 Abs 1 AO modifiziert; eine entsprechende Vorschrift existiert indessen für das Sozialversicherungsrecht nicht. Angesichts der jahrzehntelangen, dem Gesetzgeber bekannten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu den „Rechtsfolgen“ von Betriebsprüfungen kann auch nicht von einer durch eine Analogie auszufüllenden Gesetzeslücke ausgegangen werden.
Bundessozialgericht, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 AL 2/11 R
- zB BSGE 93, 119 = SozR 4-2400 § 22 Nr 2; SozR 4-2400 § 27 Nr 1[↩]
- vgl zum Zeitpunkt des Entstehens von Beitragserstattungsansprüchen allgemein BSG SozR 3-2400 § 28 Nr 1 S 4[↩]
- vgl zu einem solchen Fall BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 2[↩]
- vgl hierzu BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 20; auch BSG, Urteil vom 29.07.2003 – B 12 AL 3/03 R, AuB 2003, 341[↩]
- siehe – zu einer vergleichbaren Konstellation – BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 2 RdNr 13[↩]
- vgl BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 9, und BSG Urteil vom 29.07.2003 – B 12 AL 3/03 R, AuB 2003, 341; ferner BSGE 99, 271 = SozR 4-2400 § 27 Nr 3, RdNr 11; nunmehr ausdrücklich § 351 Abs 1 S 2 SGB III[↩]
- vgl BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 10 ff; BSG Urteil vom 29.07.2003 – B 12 AL 3/03 R, AuB 2003, 341; BSGE 99, 271 = SozR 4-2400 § 27 Nr 3, RdNr 11[↩]
- vgl BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 11 mwN; BSG Urteil vom 29.07.2003 – B 12 AL 3/03 R, AuB 2003, 341[↩]
- vgl zu dieser Frage BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 14 mwN; ferner BSG Urteil vom 29.07.2003 – B 12 AL 3/03 R, AuB 2003, 341[↩]
- vgl BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 15, mwN; BSG Urteil vom 29.07.2003 – B 12 AL 3/03 R, AuB 2003, 341[↩]
- vgl BSGE 40, 279, 280 = SozR 2200 § 29 Nr 4[↩]
- vgl BSGE 47, 194 = SozR 2200 § 1399 Nr 11; BSGE 93, 109 = SozR 4-5375 § 2 Nr 1; BSGE 93, 119 = SozR 4-2400 § 22 Nr 2; BSG SozR 4-2400 § 22 Nr 1[↩]
- vgl BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1; BSG Urteil vom 29.07.2003 – B 12 AL 3/03 R, AuB 2003, 341[↩]
- vgl stellvertretend BSGE 93, 119 = SozR 4-2400 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 36, mwN (Nachforderungsfall); BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 20 (Erstattungsfall) [↩]
- vgl BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 19 mwN[↩]
- vgl BSGE 47, 194, 198 = SozR 2200 § 1399 Nr 11[↩]
- vgl BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 20; BSG Urteil vom 29.07.2003 – B 12 AL 3/03 R, AuB 2003, 341[↩]
- vgl BSGE 47, 194, 196 ff = SozR 2200 § 1399 Nr 11[↩]
- vgl BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 21[↩]
- vgl BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 20; BSG SozR 3-2400 § 26 Nr 7 S 35[↩]
- vgl – im Zusammenhang mit Nachforderungsfällen – BSGE 93, 109 = SozR 4-5375 § 2 Nr 1, RdNr 33 bzw 34; BSGE 93, 119 = SozR 4-2400 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 36; BSG SozR 4-2400 § 22 Nr 1 RdNr 38, und – im Zusammenhang mit Erstattungsfällen – BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 21; BSG Urteil vom 29.07.2003 – B 12 AL 3/03 R, AuB 2003, 341[↩]
- vgl BSGE 93, 119 = SozR 4-2400 § 22 Nr 2, RdNr 1, 36[↩]
- vgl hierzu Neidert/Scheer, DB 2011, 2547, 2548[↩]
- vgl BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 21; BSG Urteil vom 29.07.2003 – B 12 AL 3/03 R, AuB 2003, 341[↩]
- LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.08.2005 – L 1 AL 5/05, NZA 2006, 534[↩]
- LSG, aaO[↩]
- vgl Rittweger, DB 2011, 2147 ff, unter Hinweis auf Bayerisches LSG Urteil vom 18.01.2011 – L 5 R 752/08, ASR 2011, 250, und Bayerisches LSG Beschluss vom 07.10.2011 – L 5 R 613/11 B ER, NZS 2012, 280; kritisch – auf den Gesichtspunkt der Transparenz für die Rechtsverfolgung abhebend – auch Brand, NZS 2013, 641, 644[↩]
- vgl hierzu die Streichung des § 7 Abs 3 Beitragsverfahrensverordnung (BVV) vom 03.05.2006 (BGBl I 1138) durch Art 10 Nr 1 Buchst a des Dritten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 05.08.2010, BGBl I 1127[↩]
- vgl Rittweger, DB 2011, 2147, 2148 f[↩]
- vgl Rittweger, DB 2011, 2147, 2149[↩][↩]
- BGBl I 992[↩]
- vgl zu dessen Funktion BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 20, mwN; BSG Urteil vom 29.07.2003 – B 12 AL 3/03 R, AuB 2003, 341[↩]
- so auch Neidert/Scheer, DB 2011, 2547[↩]
- vgl auch Neidert/Scheer, DB 2011, 2547; Jochim in: jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 28p RdNr 138 f; Roßbach in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 28p SGB IV RdNr 11[↩]
- so ausdrücklich Jochim, aaO, RdNr 138; Roßbach, aaO, RdNr 11; vgl auch Brand, NZS 2013, 641, 645[↩]
- vgl – zum Anfrageverfahren – BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2, RdNr 17, 22 f; BSG SozR 4-2400 § 7a Nr 3 RdNr 13, 18 f[↩]