Die Voraussetzungen für eine insolvenzbedingte Arbeitslosigkeit i.S.d. § 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 3 Halbsatz 3 SGB VI sind auch dann erfüllt, wenn es nach bereits eingetretener Insolvenz des letzten Arbeitgebers zu einem Beschäftigungsverhältnis mit einer Transfergesellschaft und anschließend zu keinem Beschäftigungsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber mehr gekommen ist.

Mit dieser Begründung hat das Bayerische Landessozialgericht in dem hier vorliegenden Fall die beklagte Rentenversicherung dazu verpflichtet, dem Kläger die begehrte abschlagsfreie Altersrente zu gewähren. Gleichzeitig ist das anderslautende Urteil des Sozialgerichts Augsburg abgeändert worden. Bis zum 31.01.2012 war der Kläger bei einer Aktiengesellschaft (AG) und nach deren Insolvenzanmeldung im November 2011 noch vom 01.02.2012 bis zum 31.10.2012 in einer Transfergesellschaft versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend war der Kläger bis zum Beginn der Altersrente am 01.07.2015 arbeitslos. In einem zwischen dem Kläger, dem Insolvenzverwalter der AG und dem Geschäftsführer der Transfergesellschaft geschlossenen dreiseitigen Vertrag wurde neben der Aufhebung des Beschäftigungsverhältnisses mit der AG zugleich die Begründung eines befristeten Beschäftigungsverhältnisses mit der Transfergesellschaft vereinbart.
Bei der Beklagten hat der Kläger eine abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährige Versicherte beantragt. Diese erfordert eine Mindestversicherungszeit von 45 Jahren (540 Monate) und ist nur gegeben, wenn die Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld des Klägers ab 01.11.2012 auf die Mindestversicherungszeiten angerechnet werden.
Dies hat die beklagte Rentenversicherung abgelehnt. Auf die Wartezeit von 45 Jahren würden Kalendermonate mit Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nur angerechnet, wenn der Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt sei. Das sei im Fall des Klägers, dessen letzter Arbeitgeber die Transfergesellschaft gewesen sei, nicht der Fall. Nachdem sowohl der Widerspruch als auch die Klage1 ohne Erfolg geblieben waren, hat der Kläger sein Ziel mit der Berufung weiter verfolgt.
In seiner Urteilsbegründung hat das Bayerische Landessozialgericht ausführlich erklärt, dass die Voraussetzungen für eine insolvenzbedingte Arbeitslosigkeit i.S.d. § 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 3 Halbsatz 3 SGB VI auch dann erfüllt seien, wenn es nach bereits eingetretener Insolvenz des letzten Arbeitgebers zu einem Beschäftigungsverhältnis mit einer Transfergesellschaft und anschließend zu keinem Beschäftigungsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber mehr gekommen sei und der Aufhebungsvertrag und der befristete Arbeitsvertrag mit der Transfergesellschaft vom Insolvenzverwalter unterzeichnet worden seien. Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich, dass mit der Einschränkung auf die Tatbestände „vollständige Geschäftsaufgabe“ und „Insolvenz“ vor allem Fehlanreize im Sinne einer gesteuerten Frühverrentung und Mitnahmeeffekte beim Arbeitslosengeld vermieden werden sollten.
Weiter wird auf das Bundessozialgericht verwiesen, das bereits entschieden habe, dass der Bezug von Arbeitslosengeld dann insolvenzbedingt sei, wenn die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses nicht auf einer Erklärung des Arbeitgebers, sondern des Insolvenzverwalters beruhe. Dann könne ein Missbrauch durch Zusammenwirken zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgeschlossen werden. Für diese Auslegung sprächen auch arbeitsmarktpolitische Überlegungen. Die befristete Beschäftigung in einer Transfergesellschaft stehe in Zusammenhang mit dem Bezug von Transferkurzarbeitergeld nach dem SGB III und solle dem Versicherten ermöglichen, eine Anschlussbeschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden. Es handele sich also primär um eine aktivierende Maßnahme. Voraussetzungen für den Bezug von Transferkurzarbeitergeld sei aber ein noch bestehendes Beschäftigungsverhältnis. Würde man nun ältere Versicherte, die – wie der Kläger – nach eingetretener Insolvenz ihres Arbeitgebers nicht mehr weiter beschäftigt werden könnten, faktisch zwingen, die insolvenzbedingte Kündigung abzuwarten, um nicht die Anwartschaft auf die abschlagsfreie Rente für besonders langjährige Versicherte zu verlieren, würde man sie der politisch ausdrücklich erwünschten Möglichkeit berauben, mithilfe der Förderungsmöglichkeiten in einer Transfergesellschaft doch noch eine Anschlussbeschäftigung zu finden und eine Arbeitslosigkeit gerade zu vermeiden.
Aus diesen Gründen hat das Bayerische Landessozialgericht die Beklagte zur Gewährung der begehrten Rente verurteilt.
Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 1. Juli 2020 – L 1 R 457/18
- SG Augsburg, Urteil vom 27.06.2018 – S 13 R 888/15[↩]
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