Nach § 129 Abs. 1 InsO können Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, vom Verwalter nach Maßgabe der §§ 130 ff. angefochten werden. Nach § 133 Abs. 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz kannte; diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Eine solche anfechtbare Rechtshandlung kann, wie aktuell wieder ein vom Finanzgericht Düsseldorf entschiedener Fall zeigt, auch in einer Zahlung an das Finanzamt liegen:

Eine Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch den Zugriff auf das Schuldnervermögen vereitelt oder erschwert1.
Im hier vom Finanzgericht Düsseldorf entschiedenen Streitfall hat der Schuldner den Betrag zunächst auf das Konto seiner Ehefrau eingezahlt, um von dort aus bargeldlos eine Überweisung an das Finanzamt zu tätigen und die diesem gegenüber bestehende Verbindlichkeit zu tilgen. Der gezahlte Betrag stammte aus dem Schuldnervermögen. Nach der Aussage eines Zeugen hat er das Geld über mehrere Monate angespart. Er hat mangels eigenen Kontos das Entgelt für seine Arbeiten von den Auftraggebern bar entgegen genommen, zu Hause aufbewahrt und schließlich auf das Konto seiner Ehefrau eingezahlt, um seine Steuerschulden begleichen zu können. Anschließend wurde der Betrag am 04.09.2007 vom Konto der Ehefrau an das Finanzamt überwiesen. Dieses Vorgehen hat auch die Ehefrau in ihrem Schreiben an das Gericht bestätigt. Damit hat der Kläger während des laufenden Insolvenzeröffnungsverfahrens den seinem Vermögen zuzurechnenden Betrag dem Finanzamt zugewendet und hierdurch andere Gläubiger benachteiligt, deren Forderungen er nicht erfüllt hat.
Unerheblich für die Beurteilung der Gläubigerbenachteiligung ist, dass bei dem Konto der Ehefrau entweder nach Überweisung an das Finanzamt ein Sollsaldo eingetreten sein muss oder aber – vor Bareinzahlung des Betrages – ein Sollsaldo im Kontokorrentverhältnis zwischen der Bank und der Ehefrau des Schuldners bestanden haben muss. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind solche Rechtshandlungen als mittelbare Zuwendungen anfechtbar, bei denen eine unmittelbare Leistung an den Empfänger, die ohne weiteres anfechtbar wäre, durch Einschalten eines Leistungsmittlers umgangen wird. Für die Anfechtbarkeit reicht aus, dass der Gegenwert für das, was über die Mittelsperson an den Gläubiger gelangt ist, aus dem Vermögen des Leistenden stammt2. Bei wirtschaftlicher Betrachtung ist das Geld vorliegend aus dem Vermögen des Schuldners B abgeflossen und stand danach anderen Gläubigern nicht mehr zur Verfügung. Der Schuldner nutzte, wie er bekundet hat, das Konto der Ehefrau nicht wie ein eigenes zur Abwicklung seiner laufenden Geschäfte; diese wickelte er üblicherweise in bar ab. Lediglich der separierte Betrag, der nicht anders als bargeldlos an das Finanzamt geleistet werden konnte, wurde in Absprache mit der Ehefrau zweckgebunden auf deren Konto eingezahlt, um ihn sogleich wieder an das Finanzamt weiterzuleiten. Mit der Einzahlung auf das Konto der Ehefrau war von daher weder eine Zuwendung an diese noch an die kontoführende Bank bezweckt; vielmehr war die Ehefrau angewiesen, den Betrag in eingezahlter Höhe dem Finanzamt zu überweisen. Insoweit hat der Kläger bekundet, dass er, sofern Überweisungen seiner Frau vom Konto zu tätigen waren, den entsprechenden Vordruck selbst ausfüllte und die Ehefrau diesen nur unterzeichnete. So ist er auch bezüglich des Betrages für das Finanzamt verfahren.
Die Gläubigerbenachteiligung erfolgte auch zumindest bedingt vorsätzlich.
Ein Schuldner, der in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit noch einzelne Gläubiger befriedigt, rechnet zwangsläufig mit der dadurch eintretenden Benachteiligung der anderen Gläubiger. Er nimmt diese jedenfalls dann billigend in Kauf, wenn er damit den begünstigten Gläubiger von der Stellung eines Insolvenzantrages abhalten will3; nichts anderes kann gelten, wenn er auf diese Weise die Rücknahme oder Erledigung des Insolvenzantrages erreichen will, wie es vorliegend der Fall war.
Der Schuldner hat hier gewusst und billigend in Kauf genommen, dass nur die Forderung des Finanzamts befriedigt wurde und andere Gläubiger nichts erhielten. Ob tatsächlich andere Gläubiger vorhanden waren, spielt dabei keine Rolle.
Eine Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung der Gläubiger nach § 133 Abs. 1 InsO setzt zudem voraus, dass der Anfechtungsgegner zur Zeit der angefochtenen Handlung den Vorsatz des Schuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen, kannte. Diese Kenntnis wird nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet, wenn der Anfechtungsgegner wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die jeweilige Handlung die Gläubiger benachteiligte. Die Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO bewirkt eine Umkehr der Beweislast. Während die Voraussetzungen des Anfechtungstatbestandes des § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO vom Insolvenzverwalter zu beweisen sind, obliegt dem Anfechtungsgegner dann, wenn der Vermutungstatbestand des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO gegeben ist, der Gegenbeweis. Dieser hat sich auf die Vermutungsfolge zu beziehen, also die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners im Zeitpunkt der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung. Der Anfechtungsgegner muss darlegen und beweisen, dass entweder der Schuldner nicht mit Benachteiligungsvorsatz handelte oder dass er, der Anfechtungsgegner, nichts von dem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners wusste4. Sind dem Anfechtungsgegner Anzeichen für die schlechte Finanzlage des Schuldners aus vorangegangenen Vollstreckungsversuchen bekannt und lassen diese den Schluss auf eine Zahlungseinstellung zu, dann spricht eine widerlegbare tatsächliche Vermutung für die Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit gem. § 133 Abs. 1 S. 2 InsO. Hieraus folgt zugleich die Vermutung der Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners5.
Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung können, weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt, nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Es genügt aber, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt6. Werden die Verbindlichkeiten des Schuldners bei dem späteren Anfechtungsgegner über einen längeren Zeitraum hinweg ständig in beträchtlichem Umfang nicht ausgeglichen und ist diesem den Umständen nach bewusst, dass es noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen gibt, begründet dies ein Beweisanzeichen im Sinne eines Erfahrungssatzes7. Zudem bildet die durch die Androhung eines Insolvenzantrags bewirkte inkongruente Deckung in der Regel ein starkes Beweisanzeichen nicht nur für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners, sondern auch für eine Kenntnis des Gläubigers hiervon8. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine während der Krise im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Sicherung oder Befriedigung als inkongruent anzusehen9. Auch der Gläubiger, der den Insolvenzantrag gestellt hat, hat in der Regel kein rechtlich geschütztes Interesse, Zahlungen des Schuldners als Erfüllung anzunehmen. Denn derartige Zahlungen führen typischerweise dazu, dass in einem später doch noch eröffneten Insolvenzverfahren der Gläubigergesamtheit eine verringerte Masse zur Verfügung steht. Es kommt deshalb, wie der BGH10 ausführt, nicht darauf an, welche Absicht der Gläubiger im Einzelfall mit der Insolvenzantragstellung verbindet. Alle dadurch bewirkten Leistungen sind inkongruent, weil sie weder dem Inhalt des Schuldverhältnisses entsprechen noch mit Zwangsmitteln erlangt worden sind, die, wie die Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung, dem einzelnen Gläubiger zur Durchsetzung seiner Ansprüche vom Gesetz zur Verfügung gestellt werden.
Nach diesen Grundsätzen war vorliegend die Kenntnis des Beklagten von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht zu vermuten; diese Vermutung hat das beklagte Finanzamt nicht widerlegt. Das Finanzamt hat selbst im Juli 2007 nach mehrfachen erfolglosen Vollstreckungsversuchen und nach Abgabe der eidesstattlichen Versicherung durch den Schuldner Insolvenzantrag gestellt. In der Begründung hierzu hat es u.a. angegeben, der Schuldner sei zahlungsunfähig und überschuldet. Nach Zahlung durch den Schuldner hat das Finanzamt seinen Insolvenzantrag für erledigt erklärt.
Da die Rechtshandlung auch innerhalb des gesetzlichen Zeitraums von zehn Jahren vor Insolvenzeröffnung erfolgte, sind die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO erfüllt, so dass das beklagte Finanzamt den erlangten Betrag nach § 143 Abs. 1 InsO an den Kläger zur Masse zurückzugewähren hat.
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 9. Februar 2012 – 7 K 2466/11 AO
- BGH vom 24.05.2007 – IX ZR 105/05 NZI 2007,452[↩]
- BGH vom 16.11.2007 – IX ZR 194/04 ZInsO 2008,106 m.w.N.[↩]
- vgl. BGH vom 17.07.2003 – IX ZR 272/02, NZI 2003, 597[↩]
- BGH vom 24.05.2007 – IX ZR 97/06 ZInsO 2007,819[↩]
- OLG Köln vom 12.11.2003 – 2 U 77/03[↩]
- BGH vom 01.07.2010 aaO.[↩]
- BGH vom 24.05.2007 – IX ZR 97/06, ZInsO 2007,819[↩]
- BGH vom 18.12.2003 – IX ZR 199/02, NZI 2004,201; Andres/Leithaus Komm. zur InsO § 133 Tz. 4; Hess Großkomm. Zur InsO § 133 Tz. 45[↩]
- BGH aaO. m.w.N.[↩]
- BGH aaO.[↩]