Eine Ablaufhemmung i. S. d. § 171 Abs. 3 AO wird auch dadurch ausgelöst, wenn ein Antrag der Einreichung der Steuererklärung beim Finanzamt eingeht und nach Einreichung der Steuererklärung noch nicht verbeschieden worden ist.

Eine Steuerfestsetzung ist nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Frist dafür ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist der Steuerbescheid den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat (§ 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO).
Die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer beträgt nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO vier Jahre. Der Beginn der Festsetzungsfrist war im Streitfall nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO gehemmt, weil eine Steuererklärung einzureichen war. Danach beginnt die Festsetzungsfrist vorbehaltlich eines späteren Beginns nach § 170 Abs. 1 AO erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist.
Nach § 171 Abs. 3 AO läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, als vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klagverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung gestellt wird, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.
Als Antrag in diesem Sinne sind nur solche Willensbekundungen zu verstehen, die ein Tätigwerden der Finanzbehörden außerhalb des in Folge der Amtsmaxime ohnehin gebotenen Verwaltungshandelns auslösen sollen. Die Abgabe von gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärungen gehört hierzu nicht; sie stellt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs1, der sich das Finanzgericht anschließt, grundsätzlich keinen den Ablauf der Festsetzungsfrist hemmenden Antrag auf Steuerfestsetzung im Sinne des § 171 Abs. 3 AO dar. Denn sie erfolgt in Erfüllung der allgemeinen Mitwirkungspflicht der Betroffenen und dient nur der Durchführung der regulären Steuerfestsetzungstätigkeit der Finanzbehörden, die diese auch ohne Erklärungsabgabe – wenn auch unter erschwerten Bedingungen – vorzunehmen hätten. Im Gegensatz zu Anträgen auf Steuerfestsetzung im Sinne des § 170 Abs. 3 AO sind die Auswirkungen des Einreichungszeitpunktes von Steuererklärungen auf die Festsetzungsfrist abschließend in § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO geregelt. Den zeitlichen Rahmen für die Pflicht zur Abgabe der Steuererklärung umschreibt § 149 Abs. 2 Satz 1 AO (5 Monate nach Ablauf des Veranlagungsjahres). Wer mit der Abgabe der Steuererklärung bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist wartet, muss deshalb grundsätzlich den Nachteil davon tragen, wenn ein Steuerbescheid nicht mehr in der gemäß § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO notwendigen Weise erlassen wird.
§ 171 Abs. 3 AO erfasst alle – ausdrücklich oder stillschweigend – vorgetragenen Begehren oder Bitten an die Finanzbehörde auf ein die Steuerfestsetzung herbeiführendes Verwaltungshandeln2. Dies gilt auch dann, wenn der Antrag auf Maßnahmen abzielt, die die Behörde – wie eine Steuerfestsetzung – von Amts wegen vornehmen muss3. Maßgebend ist der objektive Erklärungsinhalt des Antrags; er muss hinreichend konkretisiert sein und seinen sachlichen Inhalt zumindest in groben Zügen zu erkennen geben.
Ob und mit welcher Reichweite ein Antrag i. S. von § 171 Abs. 3 AO vorliegt, ist im Wege der Auslegung (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) zu ermitteln4.
Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 13. Mai 2014 – 6 K 54/13
- BFH, Urteile vom 18.06.1991 – VIII R 54/89, BFHE 165, 445, BStBl II 1992, 124; vom 10.07.2008 – IX R 90/07, BStBl II 2009, 816; vom 17.02.1998 – VIII R 21/95, BFH/NV 1998, 1356; vom 25.05.2011 – IX R 36/10, BFHE 233, 314, BStBl II 2011, 807; vom 22.01.2013 – IX R 1/12, BFHE 239, 385, BStBl II 2013, 663; vom 15.05.2013 – IX R 5/11, BFHE 241, 310, BStBl II 2014, 143[↩]
- BFH Urteil vom 22.01.2013 – IX R 1/12, a. a. O; Paetsch in Beermann/Gosch AO § 171 Rz 23[↩]
- BFH Urteil vom 24.06.2008 – IX R 64/06, BFH/NV 2008, 1676 mit weiteren Nachweisen[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 05.02.1992 – I R 76/91, BFHE 168, 1, BStBl II 1992, 995; vom 10.03.1993 – I R 93/92, BFHE 175, 481, BStBl II 1995, 165; vom 23.04.2003 – IX R 28/00, BFH/NV 2003, 1140; vom 15.05.2013 – IX R 5/11, a. a. O.[↩]