Änderungsbescheide nach Außenprüfungen – und die Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens

Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO muss die Klage u.a. den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen.

Änderungsbescheide nach Außenprüfungen – und die Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens

Fehlt es an einem der in § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO genannten Erfordernisse, kann der Vorsitzende oder Berichterstatter dem Kläger für die erforderliche Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen (§ 65 Abs. 2 Satz 2 FGO).

Entspricht die eingereichte Klage den in § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO genannten Erfordernissen, ist eine gleichwohl verfügte Ausschlussfrist hinfällig1.

Eine ausreichende Bezeichnung des Klagebegehrens erfordert, dass der Kläger substantiiert darlegt, inwiefern der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist, und ihn in seinen Rechten verletzt2. Wie weit das Klagebegehren einer Klage im Einzelnen zu substantiieren ist, hängt von den Umständen des Falles ab3, insbesondere von dem Inhalt des angefochtenen Verwaltungsaktes, der Steuerart und der Klageart4.

Die Nennung der angefochtenen Verwaltungsakte reicht zur Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens nicht aus5. Auch kann vom Finanzgericht nicht verlangt werden, den Gegenstand des Klagebegehrens anhand einer Vielzahl ihm vorgelegter Unterlagen selbst zu ermitteln, und die Anforderungen des § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO als erfüllt anzusehen, wenn die vorgelegten Unterlagen dies mehr oder weniger leicht und zuverlässig ermöglichen6.

Entscheidend ist, ob das Gericht durch die Angaben des Klägers in die Lage versetzt wird, zu erkennen, worin die den Kläger treffende Rechtsverletzung nach dessen Ansicht liegt7. Der Gegenstand des Klagebegehrens kann auch im Wege der Auslegung und unter Rückgriff auf die Steuerakten festgestellt werden8. Bei der Auslegung einer beim Finanzgericht erhobenen Klage sind sämtliche diesem und der Finanzbehörde erkennbaren Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art zu berücksichtigen9. Das Finanzgericht hat bei der Auslegung der Klageschrift u.a. die Unterlagen zur Kenntnis zu nehmen, auf die in der Klageschrift durch ausdrückliche Bezeichnung Bezug genommen worden ist10. Auch ein Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung (AdV) kann zur Auslegung der Klageschrift heranzuziehen sein11.

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§ 65 Abs. 2 Satz 2 FGO erlegt dem Kläger keine zusätzlichen, weitergehenden Obliegenheiten auf als § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO und begründet keinen Anspruch des Finanzgericht, dass ihm eine ohne Hinzuziehung noch nicht vorliegender Steuerakten aus sich heraus verständliche Darstellung des nach Ansicht des Klägers maßgeblichen steuerlichen Sachverhalts vorgelegt wird12. Den rechtzeitigen Eingang einer minimalen Klagebegründung zu gewährleisten, ist Zweck des § 79b FGO13, von dem das Finanzgericht ebenfalls Gebrauch gemacht hatte.

Hat ein Kläger z.B. die Festsetzung der Umsatzsteuer auf bestimmte Beträge beantragt, die den Umsatzsteuerfestsetzungen vor Ergehen von Änderungsbescheiden aufgrund einer Außenprüfung entsprechen, hat er den Gegenstand des Klagebegehrens ausreichend bezeichnet14.

Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall bedeutete dies: Der Gegenstand des Klagebegehrens i.S. des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO ergibt sich unter Berücksichtigung der Akten des Finanzamtes und des Umstands, dass es sich um Änderungsbescheide handelt, aus der Zusammenschau der Klageschriften, dem Ablauf der Einspruchsverfahren, den Steuerbescheiden, den Prüfungsberichten sowie den Einspruchsentscheidungen. Das Finanzgericht kann daraus mit hinreichender Sicherheit entnehmen, dass der Kläger den Streitpunkt der Einspruchsverfahren und der Außenprüfungen mit den Klagen weiterverfolgen wollte. Die Klagen waren darauf gerichtet, die vorgenommenen Änderungen rückgängig zu machen. Dass es um eine Rückgängigmachung in voller Höhe ging, ergibt sich aus der Höhe der beantragten AdV.

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Daraus, dass erfahrungsgemäß Streitpunkte im Klageverfahren häufig reduziert werden, folgt nicht, dass das Klagebegehren nicht hinreichend bezeichnet wäre. Eine Begrenzung auf bestimmte Positionen ist bis zum Ende der mündlichen Verhandlung möglich und daher für die Zulässigkeit der Klage unerheblich15. Aus der Klageschrift sind zunächst keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger sein Begehren einschränken wollte. Diese ergeben sich erst aus später beim Finanzgericht eingegangenen Schreiben des Klägers.

Hat hiernach das Finanzgericht die Klage zu Unrecht durch Prozessurteil abgewiesen, stellt dies einen Verfahrensfehler dar16 und wird zugleich den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt17. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers führt in derartigen Fällen ur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Es erscheint sachgerecht, gemäß § 116 Abs. 6 FGO das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen, da bei unzutreffender Abweisung einer Klage als unzulässig von einer Revisionsentscheidung regelmäßig keine weitere rechtliche Klärung zu erwarten ist18.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 25. Juli 2017 – XI B 29/17

  1. vgl. BFH, Beschlüsse vom 17.01.2002 – VI B 114/01, BFHE 198, 1, BStBl II 2002, 306; vom 28.06.2012 – XI B 44/12, BFH/NV 2012, 1811; jeweils m.w.N.[]
  2. BFH, Beschluss vom 26.11.1979 – GrS 1/78, BFHE 129, 117, BStBl II 1980, 99[]
  3. BFH, Urteil vom 14.06.2000 – X R 18/99, BFH/NV 2001, 170, m.w.N.[]
  4. BFH, Beschlüsse vom 08.06.2004 – XI B 46/02, BFH/NV 2004, 1417; vom 09.06.2011 – X B 47/10, BFH/NV 2011, 1713[]
  5. vgl. BFH, Beschluss vom 17.01.2002 – XI B 127/02, BFH/NV 2003, 788[]
  6. BFH, Urteil vom 13.06.1996 – III R 93/95, BFHE 180, 247, BStBl II 1996, 483[]
  7. BFH, Beschlüsse vom 30.04.2001 – VII B 325/00, BFH/NV 2001, 1227; in BFHE 198, 1, BStBl II 2002, 306[]
  8. BFH, Beschluss vom 20.09.2002 – IV B 198/01, BFH/NV 2003, 190, m.w.N.[]
  9. vgl. BFH, Beschluss in BFH/NV 2014, 872, m.w.N.[]
  10. vgl. BFH, Urteil vom 27.07.1999 – VIII R 55/98, BFH/NV 2000, 196[]
  11. BFH, Urteil vom 18.05.1999 – X R 20/98, BFH/NV 1999, 1603, unter II. 2.[]
  12. BFH, Urteil in BFHE 180, 247, BStBl II 1996, 483; BFH, Beschluss in BFH/NV 2004, 1417[]
  13. vgl. BFH, Urteil vom 23.01.1997 – IV R 84/95, BFHE 182, 273, BStBl II 1997, 462[]
  14. vgl. BFH, Beschlüsse vom 06.04.1999 – XI B 132/96, BFH/NV 1999, 1243, Leitsatz; in BFH/NV 2014, 872; s.a. BFH, Urteil vom 26.07.1984 – IV R 214/80 zu Änderungsbescheiden nach Betriebsprüfung[]
  15. BFH, Beschluss in BFH/NV 2004, 1417, unter II. 1.c[]
  16. vgl. z.B. BFH, Beschlüsse vom 01.08.2007 – XI B 183/06, BFH/NV 2007, 1921; vom 05.02.2014 – XI B 73/13, BFH/NV 2014, 872[]
  17. vgl. BFH, Beschluss vom 23.04.2009 – X B 43/08, BFH/NV 2009, 1443[]
  18. vgl. BFH, Beschlüsse vom 29.01.2010 – II B 107/09, BFH/NV 2010, 938; vom 22.03.2012 – XI B 1/12, BFH/NV 2012, 1170, Rz 19[]
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