Die Zulässigkeit einer Wiederaufnahmeklage (§ 134 FGO i.V.m. § 578 ZPO), also einer Nichtigkeitsklage (§ 134 FGO i.V.m. § 579 ZPO) oder einer Restitutionsklage (§ 134 FGO i.V.m. § 580 ZPO), erfordert gemäß § 134 FGO i.V.m. § 589 Abs. 1 Satz 1 ZPO die (schlüssige) Darlegung eines Nichtigkeits- oder eines Restitutionsgrundes.

In dem Beschluss in BFHE 165, 569, BStBl II 1992, 252 hat der Bundesfinanzhof für die Zulässigkeit einer Wiederaufnahmeklage verlangt, dass der geltend gemachte Wiederaufnahmegrund klägerseits ausreichend dargelegt wird (§ 134 FGO i.V.m. §§ 578, 579, 589 ZPO).
Die Zulässigkeit eines Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens erfordert hiernach nicht nur Angaben darüber, welches der vom Gesetz vorgesehenen Verfahren der Wiederaufnahme gewollt ist (§ 587 ZPO), sondern auch die schlüssige Behauptung eines der im Gesetz aufgeführten Nichtigkeits- oder Restitutionsgründe.
Zwar gehört die Bezeichnung des Anfechtungsgrundes (§ 134 FGO i.V.m. § 588 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) nicht zum gesetzlich vorgeschriebenen Mindestinhalt der Klage- oder Antragsschrift. Daraus folgt aber nur, dass die Tatsachen, aus denen sich der Wiederaufnahmegrund ergeben soll, nicht schon innerhalb der Klagefrist vorgetragen werden müssen; sie können in einem späteren Schriftsatz (im Urteilsverfahren auch in der mündlichen Verhandlung) nachgeschoben werden. Die schlüssige Behauptung eines nach § 134 FGO i.V.m. §§ 579, 580 ZPO erheblichen Wiederaufnahmegrundes gehört jedoch nach allgemeiner Meinung zur Zulässigkeit der Wiederaufnahmeklage [1].
Nach § 134 FGO i.V.m. § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO findet die Restitutionsklage statt, wenn die Partei eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.
Das Auffinden einer anderen Urkunde bedeutet, dass deren Existenz oder Verbleib dem Restitutionskläger in dem rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren unverschuldet unbekannt war. Er wird in den Stand gesetzt, eine andere Urkunde zu benutzen, wenn er deren Existenz und Verbleib zwar kannte, sie aber unverschuldet nicht vorlegen konnte [2].
Um eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu rechtfertigen, muss die aufgefundene Urkunde für die Herbeiführung einer dem Kläger günstigeren Entscheidung kausal sein. Maßgeblich ist hierfür, wie der Vorprozess zu entscheiden gewesen wäre, wenn außer dem gesamten Prozessstoff, wie er im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Vorprozesses vorlag, auch noch die jetzt beigebrachte Urkunde berücksichtigt worden wäre [3]. Die neuen entscheidungserheblichen Tatsachen müssen zudem allein durch die Urkunde in Verbindung mit dem bisherigen Prozessstoff bewiesen werden. Es genügt nicht, wenn die Urkunde nur Anlass für die Vernehmung von Zeugen gibt. Diese sind in § 580 ZPO als Beweismittel nicht zugelassen. Der Restitutionsgrund des § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO dient nicht dazu, im Vorprozess nicht gehörte Zeugen in das Verfahren einzuführen [4]. War die Tatsache, die durch die Urkunde bewiesen werden soll, nicht entscheidungserheblich, hätte auch die Urkunde eine der Partei günstigere Entscheidung nicht herbeigeführt. Maßgebend für die Entscheidungserheblichkeit ist die Auffassung des Restitutionsgerichts [5].
Die neuen entscheidungserheblichen Tatsachen müssen allein durch die Urkunde in Verbindung mit dem bisherigen Prozessstoff bewiesen werden. Der Restitutionsgrund des § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO dient nicht dazu, im Vorprozess nicht gehörte Zeugen in das Verfahren einzuführen.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 8. Juli 2015 – VI B 5/15
- BFH, Beschlüsse in BFHE 165, 569, BStBl II 1992, 252, und in BFH/NV 2009, 1125, jeweils m.w.N.[↩]
- BVerwG, Urteil vom 31.07.2012 – 4 A 6001.11, 4 A 6002.11, NVwZ-RR 2013, 173, m.w.N.[↩]
- BGH, Urteil vom 28.02.2007 – XII ZR 95/04, BGHZ 171, 232, m.w.N.[↩]
- BVerwG, Beschlüsse vom 11.10.2004 7 B 83.04 Rz 10; und vom 21.01.1982 7 B 13.82, Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 18, m.w.N.[↩]
- BVerwG, Urteil in NVwZ—RR 2013, 173[↩]
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