Die eine Pflichtveranlagung begründende Steuererklärung entfaltet keine anlaufhemmende Wirkung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO, wenn diese Steuererklärung erst nach dem Ablauf der Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 AO abgegeben wird.

Nach § 47 AO erlöschen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis u.a. durch Verjährung. Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung und Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO).
Die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer beträgt regelmäßig vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Sie beginnt grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 1. Alt. AO).
Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall begann entgegen der Auffassung des Finanzgericht die vierjährige Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 1 AO bereits mit Ablauf des Jahres 1998, nämlich dem Jahr der Entstehung des Steueranspruchs (vgl. § 38 AO i.V.m. § 36 Abs. 1 EStG), und endete dementsprechend mit Ablauf des Jahres 2002.
Nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist zwar dann, wenn eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erklärung, die Anmeldung oder die Anzeige eingereicht bzw. erstattet wird, und spätestens mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist. Der Anlauf der Festsetzungsfrist ist allerdings dann nicht gehemmt, wenn keine Steuererklärung einzureichen ist1. So lag der Fall hier. Denn bis zum Ende der allgemeinen Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 2002 bestand mangels eines Veranlagungstatbestandes aus § 46 Abs. 2 Nrn. 1 bis 7 EStG keine Steuererklärungspflicht.
Die erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingereichte Steuererklärung konnte hier auch nicht mehr nachträglich eine rückwirkende Hemmung des Beginns der Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO bewirken. Denn gemäß §§ 25 Abs. 3, 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4a Buchst. c 2. Alt. EStG i.V.m. § 56 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStDV führte zwar der Antrag auf Gewährung eines Haushaltsfreibetrags zu einer Pflichtveranlagung, so dass eine Steuererklärung einzureichen und damit der Anwendungsbereich des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO grundsätzlich eröffnet war. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt der für das Streitjahr bestehende Einkommensteueranspruch aufgrund der Verjährung nach § 47 AO bereits erloschen.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH, dass eine behördliche Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung den Anlauf der Festsetzungsfrist dann nicht mehr hemmt, wenn sie dem Steuerpflichtigen erst nach dem Ablauf der Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 AO zugeht. Denn in diesen Fällen kann die behördliche Aufforderung wegen des Erlöschens des Steueranspruchs durch Verjährung (§ 47 AO)- keine anlaufhemmende Wirkung mehr entfalten2.
Entsprechendes gilt nach Auffassung des Bundesfinanzhofs, wenn sich die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung nicht aus einer behördlichen Aufforderung ergibt, sondern der Steuerpflichtige selbst erst eine solche Pflicht durch seinen Antrag nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4a Buchst. c 2. Alt. EStG begründet. Denn auch der Steuerpflichtige kann durch Stellung eines Antrags die in § 47 AO gesetzlich festgelegte und unmittelbare Beendigung des Steuerschuldverhältnisses nicht rückwirkend aufheben.
Auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob ein Antrag auf Übertragung des Haushaltsfreibetrags zugleich ein Antrag i.S. des § 171 Abs. 3 AO ist, kommt es angesichts dessen nicht mehr an. Selbst wenn der am 23.12.2005 eingegangene Antrag auf Übertragung des Haushaltsfreibetrags ein Antrag i.S. des § 171 Abs. 3 AO sein sollte, könnte dieser Antrag als ein weit nach Ablauf der Festsetzungsfrist (mit Ablauf des Jahres 2002) liegendes Ereignis die Ablaufhemmung ebenfalls nicht mehr bewirken.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 28. März 2012 – VI R 68/10