Der u.a. für Zoll- und Einfuhrumsatzsteuerfragen zuständige 4. Senat des Finanzgerichts Düsseldorf hat entschieden, dass d

Der Zinsanspruch nach § 236 Abs. 1 AO setzt – ebenso wie § 291 BGB – nicht voraus, dass der Gläubiger tatsächlich einen Zinsschaden erlitten hat. Insbesondere komme es nach § 236 AO nicht darauf an, ob der Gläubiger des Anspruchs auf Erstattung von (Einfuhr-)Umsatzsteuer tatsächlich wegen der sich an die Erstattung anschließenden Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung mit einer Festsetzung von Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO rechnen müsse.
In einem jetzt vom Finanzgericht Düsseldorf entschiedenen Streitfall hatte das beklagte Hauptzollamt von der Klägerin mehr als 2 Mio € Einfuhrumsatzsteuer nacherhoben. Die Klägerin zahlte den Betrag, erhob aber nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage. Das Finanzgericht Düsseldorf gab der Klage statt und hob den Bescheid des beklagten Hauptzollamts auf. Das Urteil wurde rechtskräftig.
Die Klägerin beantragte daraufhin die Festsetzung von über 150.000 € Prozesszinsen. Diesen Antrag lehnte das beklagte Hauptzollamt mit der Begründung ab, dass § 236 AO voraussetze, dass dem Gläubiger des Erstattungsanspruchs auch tatsächlich ein Zinsschaden entstanden sei. Die Klägerin habe die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer aber als Vorsteuer in ihrer beim Finanzamt abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldung geltend gemacht. Ein Zinsschaden könne ihr deshalb allenfalls für den Zeitraum von der Abbuchung des Steuerbetrags bis zur Gutschrift des vom Finanzamt gezahlten Erstattungsbetrags entstanden sein.
Das Finanzgericht Düsseldorf folgte dieser Argumentation jedoch nicht: Weder Wortlaut noch Zweck des § 236 Abs. 1 AO setze voraus, dass der Gläubiger tatsächlich einen Zinsschaden erlitten habe.
Anders als das beklagte Hauptzollamt meint, ist § 236 Abs. 1 AO keiner teleologischen Reduktion in den Fällen zugänglich, in denen der Gläubiger des Anspruchs auf Erstattung von Einfuhrumsatzsteuer zum Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG) berechtigt ist. Zweck der Vorschrift ist es zwar, dem Gläubiger eines Erstattungsanspruchs für die Vorenthaltung des Kapitals und der damit verbundenen Nutzungsmöglichkeiten zumindest für die Zeit ab Rechtshängigkeit eine Entschädigung zu gewähren1. Der Zinsanspruch nach § 236 Abs. 1 AO setzt jedoch nicht voraus, dass der Gläubiger tatsächlich einen Zinsschaden erlitten hat. Insbesondere kommt es nach § 236 AO nicht darauf an, ob der Gläubiger des Anspruchs auf Erstattung von (Einfuhr-)Umsatzsteuer tatsächlich wegen der sich an die Erstattung anschließenden Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung mit einer Festsetzung von Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO rechnen muss.
Die Pflicht zur Verzinsung des Erstattungsanspruchs ab Eintritt der Rechtshängigkeit nach § 236 AO entspricht der Bestimmung des § 291 BGB2. Diese Vorschrift ist hinsichtlich öffentlich-rechtlicher Geldforderungen überdies entsprechend anwendbar, wenn das einschlägige Fachgesetz keine abweichende Regelung enthält3. Ebenso wie nach § 291 BGB setzt der Zinsanspruch nach § 236 Abs. 1 AO nicht voraus, dass der Gläubiger einen Zinsschaden nachweist. Die Verzinsungspflicht nach § 291 BGB ist kein Unterfall der Verzinsungspflicht wegen Verzugs, sondern hat ihren selbständigen Rechtsgrund allein in der Rechtshängigkeit des Anspruchs4. Der Gläubiger hat nach § 291 BGB daher auch dann einen Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen, wenn ihm kein Verzugsschaden entstanden ist5. Nur hinsichtlich eines weitergehenden Zinsanspruchs muss der Gläubiger gegebenenfalls einen Zinsschaden nachweisen (§§ 291 Satz 2, 288 Abs. 3 und 4 BGB).
Hinsichtlich der Höhe des Zinssatzes enthält Art. 241 Unterabs. 2 ZK eine die einzelstaatliche Vorschrift des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO verdrängende Bestimmung (§§ 1 Abs. 3 Satz 1, 3 Abs. 4 AO). Der Zinssatz ist hiernach vom Bundesministerium der Finanzen jedoch gleichfalls auf 6 % festgesetzt worden6. Dieser Zinssatz überschreitet jedenfalls nicht den Zinssatz, der im fraglichen Zeitraum nach den §§ 291 Satz 2, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB anzuwenden war7.
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 20. Oktober 2010 – 4 K 885/10 AO
- BFH, Urteil vom 16.11.2000 – XI R 31/00, BFHE 196, 1, BStBl II 2002, 119[↩]
- vgl. Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO § 236 Randnr. 5[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 25.01.2006 – 2 B 36.05, NVwZ 2006, 605[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 14.01.1987 – IVb ZR 3/86, NJW-RR 1987, 386[↩]
- vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.12.1973 – 18 U 100/73, VersR 1974, 1074; Löwisch/Feldmann in Staudinger, BGB, 2009, § 291 Randnr. 22[↩]
- Witte/Huchatz, ZK, 5. Aufl., Art. 241 Randnr. 6[↩]
- Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 288 Randnr. 14[↩]