Die Verfahrensgebühr des Bevollmächtigten im finanzgerichtlichen Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheides ist nach einer aktuellen Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts mit dem Satz von 1,6, nicht 1,3 zu bemessen. Eine Terminsgebühr kann auch im AdV-Verfahren – etwa durch ein Telefonat mit dem Sachbearbeiter im Finanzamt – entstanden sein.

1,6 Verfahrensgebühr
Die Verfahrensgebühr ist auch im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung vor dem Finanzgericht nach Nr. 3200 VV-RVG mit dem Satz von 1,6 anzusetzen und nicht nach Nr. 3100 VV-RVG mit dem Satz von 1,3.
Nach der Vorbemerkung 3.1 Abs. 1 zu Abschnitt 1 des dritten Teils des VV entstehen die Gebühren dieses Abschnitts „in allen Verfahren, für die in den folgenden Abschnitten dieses Teils keine Gebühren bestimmt sind.“ Nach Nr. 3100 VV (zu Abschnitt 1) ist die Verfahrensgebühr, soweit in Nr. 3102 nichts anderes bestimmt ist (betrifft Verfahren vor den Sozialgerichten), mit 1,3 anzusetzen.
Der folgende Abschnitt 2 des dritten Teils des VV bestimmt die Gebühren für „Berufung, Revision, bestimmte Beschwerden und Verfahren vor dem Finanzgericht“ und bestimmt damit Gebühren für das finanzgerichtliche Verfahren abweichend von Abschnitt 1. Die Bestimmungen des 1. Abschnitts gelten deshalb nicht (unmittelbar) für Verfahren vor dem Finanzgericht. Nach Nr. 3200 VV (zu Abschnitt 2, Unterabschnitt 1) ist die Verfahrensgebühr, soweit in Nr. 3204 nichts anderes bestimmt ist (betrifft Verfahren vor den Landessozialgerichten), mit 1,6 anzusetzen.
Das Niedersächsische Finanzgericht hat sich in seiner früheren Entscheidung vom 27. April 20051 auf die Regelung in der Vorbemerkung 3.2, Absatz 2 des zweiten Abschnitts des dritten Teils des VV bezogen; nach dieser Vorbemerkung seien in Verfahren über vorläufigen Rechtsschutz, in denen das Berufungsgericht das Gericht der Hauptsache ist, die Gebühren nach den Gebühren des Abschnitts 3.1 zu berechnen. Vorbemerkung 3.2.1 Abs. 1 Nr. 2 VV RVG vollziehe lediglich den Schritt der gebührenrechtlichen Gleichstellung der Finanzgerichte mit den übrigen Obergerichten. Nach dem Sinn und Zweck dieser Regelung sei jedoch nicht beabsichtigt, auch das Verfahren über vorläufigen Rechtsschutz im Verfahren vor dem Finanzgericht höher zu vergüten, als bei anderen Gerichten höherer Instanz. Entsprechend berechne sich daher die Gebühr für das Aussetzungsverfahren vor dem Finanzgericht gemäß Vorbemerkung 3.2 Abs. 2 VV nach den Gebühren des Abschnitts 3.1 VV.
Dieser Auffassung folgt das Niedersächsische Finanzgericht nun nicht mehr. Für die entsprechende Anwendung des Abschnitts 3.1 des VV auf die Verfahrensgebühr im Aussetzungsverfahren fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Es liegt auch keine Regelungslücke vor, die eine entsprechende Anwendung des Abschnitts 3.1 des VV gebieten würde.
Der Vorbemerkung 3.2 Abs. 2 des Abschnitts 2 des dritten Teils des VV geht deren Abs. 1 voraus. Dieser bestimmt, dass Abschnitt 2 des dritten Teils des VV „auch in Verfahren vor dem Rechtsmittelgericht über die Zulassung des Rechtsmittels anzuwenden“ ist. Der nachfolgende Abs. 2 lautet: „Wenn im Verfahren über einen Antrag auf Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung das Berufungsgericht als Gericht der Hauptsache anzusehen ist (§ 943 ZPO), bestimmen sich die Gebühren nach Abschnitt 1. Dies gilt entsprechend im Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, auf Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung oder Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts und in Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Satz 1 gilt ferner entsprechend in Verfahren über einen Antrag nach § 115 Abs. 2 Satz 2 und 3, § 118 Abs. 1 Satz 3 oder nach § 121 GWB.“
Bereits aus Abs. 1 der Vorbemerkung 3.2 des Abschnitts 2 des dritten Teils des VV ergibt sich, dass der in Abs. 2 enthaltene Verweis auf die Anwendbarkeit des Abschnitts 1 nicht für Verfahren vor dem Finanzgericht gilt, denn das Finanzgericht ist kein Rechtsmittelgericht. Abs. 2 Satz 1 dieser Vorbemerkung betrifft nicht Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung, sondern andere (einstweilige) Verfahren. Abs. 2 Satz 2 der Vorbemerkung gilt u.a. für Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung und zwar ausdrücklich für Verfahren „vor den Gerichten der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit“ und für die weiteren dort aufgeführten Verfahren. Angesichts dieser detaillierten, eindeutigen Regelung und der Bestimmung in Vorbemerkung 3.2.1 Abs. 1 Nr. 1 zu Unterabschnitt 1, dass dieser „in Verfahren vor dem Finanzgericht“ anzuwenden ist – ohne dass dabei zwischen Hauptsacheverfahren und Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes unterschieden wird -, liegen weder ein gesetzlicher Verweis noch eine Regelungslücke vor, die die entsprechende Anwendung des Abschnitts 1 des dritten Teils des VV rechtfertigen.
Das Niedersächsische Finanzgericht schließt sich der vom Finanzgericht Brandenburg vertretenen Auffassung an, dass „aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts“ die Verfahrensgebühr im finanzgerichtlichen Verfahren einheitlich mit dem Satz von 1,6 anzusetzen ist2.
1,2 Terminsgebühr
Die Terminsgebühr ist durch eine telefonische Besprechung mit dem Sachbearbeiter des Finanzamtes entstanden und daher erstattungsfähig (und auch im Kostenfestsetzungsverfahren festsetzungsfähig) Die Gebühren unter anderem in Verfahren vor dem Finanzgericht sind im dritten Teil des VV geregelt. Vorbemerkung 3 Abs. 3 dieses Teils, die u.a. für den Abschnitt 2, der in Unterabschnitt 1 im Einzelnen die Gebühren für Verfahren vor dem Finanzgericht regelt, bestimmt:
„Die Terminsgebühr entsteht für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin oder die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins oder die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts; dies gilt nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber.“
Im Streitfall hat der Prozessbevollmächtigte an einer „auf die Vermeidung des Verfahrens gerichteten“ Besprechung (Telefonat vom …) teilgenommen; dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig und wird durch den Schriftwechsel und die über das Telefonat gefertigten Vermerke bestätigt. Nach ständiger Rechtsprechung ist es für die Entstehung der Gebühr unerheblich, ob die Besprechung während einer persönlichen Anwesenheit oder telefonisch geführt wird. Dass die telefonische Besprechung vor Stellung des Antrages bei Gericht geführt wurde, steht der Entstehung der Terminsgebühr nicht entgegen. Die Erinnerungsführerin macht zu Recht geltend, dass die Vermeidung eines Verfahrens denknotwendig voraussetzt, dass das Verfahren gerade nicht anhängig ist. Voraussetzung ist lediglich ein entsprechender Verfahrensauftrag3.
Die Erinnerungsführerin hat ferner zutreffend darauf hingewiesen, dass die von dem Erinnerungsgegner angeführten Entscheidungen zur BRAGO, damit zu einer anderen Rechtslage, ergangen sind; „mit der Verhandlungs-, Erörterungs- und Beweisgebühr der BRAGO hat die Terminsgebühr des RVG, die diese Gebühren ersetzt, nahezu nichts mehr gemeinsam“4.
Der Urkundsbeamte hat zur Begründung auf die Regelung in Anmerkung 1 zu Nr. 3104 VV, die gemäß Anmerkung 1 der für das finanzgerichtliche Verfahren geltenden Nr. 3202 VV entsprechend gilt, verwiesen. Danach entsteht die Terminsgebühr auch, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, ohne mündliche Verhandlung entschieden wird. Diese Regelung erweitert den Bereich der Vertretung, für den die Terminsgebühr entstehen kann; sie entspricht in ihrer Zielsetzung dem früheren § 117 BRAGO. Dem Rechtsanwalt steht in diesem Fall eine Terminsgebühr zu, obwohl er gerade nicht an einem Termin teilnimmt.
Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV führt drei Sachverhaltsvarianten auf, in denen eine Terminsgebühr entsteht. Diese sind alternativ, wie aus dem Wort „oder“ folgt. Die Regelung in Anmerkung 1 zu Nr. 3104 VV erweitert die Entstehung einer Terminsgebühr für die erste der in Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV aufgeführten Varianten (Vertretung in einem gerichtlichen Termin) und schließt die Entstehung der Terminsgebühr durch die – alternativ aufgeführte – Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen nicht aus5.
Die Terminsgebühr ist gemäß Nr. 3202 VV mit dem Satz von 1,2 anzusetzen. Sie entfällt nicht bzw. wird nicht dadurch gemindert, dass das Telefonat sowohl das Einspruchsverfahren als auch die Aussetzung der Vollziehung betraf, denn das Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung ist gemäß § 17 Nr. 4 c RVG gegenüber dem Verfahren der Hauptsache eine verschiedene Angelegenheit. Der geringeren Bedeutung des Aussetzungsverfahrens wird bereits durch den Ansatz des Streitwertes mit 10 % des Streitwertes der Hauptsache Rechnung getragen.
- Nds. FG, Beschluss vom 27.04.2005 – 6 KO 3/05[↩]
- FG Brandenburg, Beschluss vom 30.05.2006 – 1 KO 541/06, EFG 2006, 1704; ebenso FG Düsseldorf, Beschluss vom 29.10.2008 – 6 Ko 768/08 KF, EFG 2009, 217[↩]
- vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, Kommentar zum RVG, 18. Aufl. 2008, Teil 3, C, Rdz. 93, 94 Vorbemerkung 3 VV[↩]
- Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., Rdz. 2 zu VV Nr. 3104, Rdz. 29 zu Vorbemerkung 3 VV[↩]
- Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., Rdz. 29, 92 Vorbemerkung 3 VV[↩]