Die Aufhebung einer Zuständigkeitsvereinbarung durch die Finanzbehörden bedarf keiner Zustimmung des Steuerpflichtigen.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 AO kann eine andere Finanzbehörde im Einvernehmen mit der Finanzbehörde, die nach den Vorschriften der Steuergesetze örtlich zuständig ist, die Besteuerung übernehmen, wenn der Betroffene zustimmt.
Die Aufhebung einer gemäß § 27 AO begründeten Zuständigkeitsvereinbarung ist dagegen gesetzlich nicht geregelt. Das Finanzgericht München hat aber zurecht entschieden1, dass eine vorhandene Zuständigkeitsvereinbarung von den beteiligten Finanzbehörden einvernehmlich und ohne Zustimmung des Steuerpflichtigen aufgehoben werden kann, wenn -wie vorliegend- der rechtliche Grund für die abweichende Zuständigkeitsregelung wieder entfallen ist.
Da zwischen den beteiligten Finanzämtern ein Einvernehmen hinsichtlich der Übernahme der Besteuerung vorliegen muss, ist auch für die Aufhebung einer Zuständigkeitsvereinbarung ein Konsens zwischen diesen Behörden erforderlich2.
Die einvernehmliche Aufhebung einer Zuständigkeitsvereinbarung durch die Finanzbehörden bedarf aber nicht auch der (erneuten) Zustimmung des Steuerpflichtigen3. Das in § 27 AO für den Abschluss einer Zuständigkeitsvereinbarung verankerte Zustimmungserfordernis wurde eingefügt, um den Steuerpflichtigen vor willkürlichen Vereinbarungen zu schützen und um dem in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes verankerten Grundsatz, wonach niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf, zu genügen, weil die Zuständigkeit des Finanzgericht an die Zuständigkeit der Finanzbehörde anknüpft4.
§ 27 AO dient auch nicht den Interessen des Steuerpflichtigen, sondern den Interessen der Verwaltung an einer Verwaltungsvereinfachung5.
Die Zuständigkeitsvereinbarung stellt zudem keinen öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen den Finanzämtern und dem Steuerpflichtigen dar, da nach § 27 Abs. 1 Satz 1 AO nur ein Einvernehmen zwischen den beiden Finanzämtern herzustellen ist6.
Das Finanzgericht München hat des Weiteren zu Recht ausgeführt, dass durch die Aufhebung einer bestehenden Zuständigkeitsvereinbarung keine neue Zuständigkeit geschaffen wird, sondern lediglich die Rückkehr zur gesetzlich vorgesehenen örtlichen Zuständigkeit erfolgt3.
Die mit der Aufhebung der Zuständigkeitsvereinbarung verbundene Rückkehr zur gesetzlichen Zuständigkeitsregelung ist im Streitfall auch nicht grundlos erfolgt. Denn nach den Feststellungen des Finanzgerichts sind die Voraussetzungen, die für den Abschluss der Vereinbarung im Jahr 1994 maßgebend waren, entfallen. So ist die Ehefrau des Steuerpflichtigen zum einen nicht mehr beim Finanzamt beschäftigt. Zum anderen ist es in der Zwischenzeit zu einem Wechsel der mit dem Besteuerungsverfahren des Steuerpflichtigen betrauten Amtsträger gekommen. Mit dem Wegfall der für den Abschluss der Zuständigkeitsvereinbarung maßgeblichen Gründe konnte der Steuerpflichtige nicht darauf vertrauen, die Vereinbarung werde gleichwohl „für immer“ Bestand haben7. Auch kann sich der Steuerpflichtige bei dieser Sachlage nicht darauf berufen, das Finanzamt verhalte sich widersprüchlich.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 12. Juli 2021 – VI R 13/19
- FG München, Urteil vom 15.02.2019 – 8 K 142/17, EFG 2019, 587[↩]
- s. Schmieszek in Gosch, AO § 27 Rz 14.1[↩]
- ebenso BeckOK AO/Steinke, 16. Ed. [01.04.2021], AO § 27 Rz 35[↩][↩]
- BT-Drs. VI/1982, 108; BT-Drs. 7/4292, 17; Tz 1 des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung zu § 27 AO; BeckOK AO/Steinke, 16. Ed. [01.04.2021], AO § 27 Rz 35[↩]
- Wackerbeck in Hübschmann/Hepp/Spitaler -HHSp-, § 27 AO Rz 20[↩]
- Klein/Rätke, AO, 15. Aufl., § 27 Rz 2; Drüen in Tipke/Kruse, § 27 AO Rz 10; Wackerbeck in HHSp, § 27 AO Rz 7; Schmieszek in Gosch, AO § 27 Rz 9[↩]
- zur Zustimmungserklärung des Steuerpflichtigen als Vertrauensschutz begründenden Beitrag bei unverändertem Sachverhalt s. Schmieszek in Gosch, AO § 27 Rz 14.1, und Wackerbeck in HHSp, § 27 AO Rz 22[↩]
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