Aussetzungszinsen – und Zeitpunkt der endgültigen Erfolglosigkeit des Rechtsbehelfs

Es tritt keine Verjährung der Aussetzungszinsen ein, wenn sich nach tatsächlicher Verständigung im Klageverfahren und Beendigung des Klageverfahrens die Umsetzung in Änderungsbescheiden aufgrund von Einwendungen der Klägerin verzögert – maßgeblicher Zeitpunkt für die endgültige Erfolglosigkeit des Rechtsbehelfs (§ 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 AO) ist nicht die tatsächliche Verständigung oder die Erledigungserklärung im Klageverfahren, sondern erst der Eintritt der Bestandskraft der geänderten Bescheide.

Aussetzungszinsen – und Zeitpunkt der endgültigen Erfolglosigkeit des Rechtsbehelfs

Soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage u.a. gegen einen Steuerbescheid endgültig keinen Erfolg gehabt hat, ist gemäß § 237 Abs. 1 Satz 1 AO der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen.

Zinsen werden gemäß § 237 Abs. 2 AO erhoben vom Tag des Eingangs des außergerichtlichen Rechtsbehelfs bei der Behörde, deren Verwaltungsakt angefochten wird, oder vom Tag der Rechtshängigkeit beim Gericht an bis zum Tag, an dem die Aussetzung der Vollziehung endet. Ist die Vollziehung erst nach dem Eingang des außergerichtlichen Rechtsbehelfs oder erst nach der Rechtshängigkeit ausgesetzt worden, so beginnt die Verzinsung mit dem Tag, an dem die Wirkung der Aussetzung der Vollziehung beginnt.

Diesen vorstehenden Regelungen entspricht die Festsetzung der Aussetzungszinsen im angefochtenen Bescheid. Einwendungen (der Höhe nach) gegen die vom Finanzamt vorgenommene Berechnung der Aussetzungszinsen sind weder dargelegt noch ersichtlich.

Auf die Zinsen sind gemäß § 239 Abs. 1 Satz 1 AO die für die Steuern geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, jedoch beträgt die Festsetzungsfrist ein Jahr. Die Festsetzungsfrist beginnt gemäß § 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 AO in den Fällen des § 237 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage endgültig erfolglos geblieben ist.

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Endgültig keinen Erfolg gehabt hat eine Anfechtungsklage, wenn sie durch unanfechtbare Entscheidung abgewiesen und damit das klageabweisende Urteil rechtskräftig geworden oder die Klage zurückgenommen worden ist1. Diese Umstände liegen im Streitfall nicht vor. „Endgültig keinen Erfolg gehabt“ hat der Rechtsbehelf „jedoch nicht nur dann, wenn er durch unanfechtbare Entscheidung abgewiesen oder vom Rechtsbehelfsführer zurückgenommen worden ist; § 237 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 meint jede Art der Erledigung … Endgültig erfolglos ist eine Anfechtungsklage auch dann, wenn die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären“2. Die Klägerin hat insoweit zutreffend geltend gemacht, dass mit dem Eingang beider übereinstimmender Erledigungserklärungen der Beteiligten bei Gericht das Klageverfahren in der Hauptsache sein Ende findet. „Die Erledigungserklärungen sind konstitutiv, d.h. sie führen unmittelbar zur Beendigung des Rechtsstreits; ein gerichtlicher Ausspruch hierüber ist nicht erforderlich …. Das Gericht darf nicht prüfen, ob die Hauptsache tatsächlich erledigt ist.“3.

Im Streitfall war das Klageverfahren mit Abgabe der beiderseitigen Erledigungserklärungen im 2009 beendet. Damit stand jedoch nicht fest, in welchem – für die Festsetzung der Aussetzungszinsen maßgeblichen – Umfang das Klageverfahren endgültig erfolglos geblieben war. Die Frage der Erfolglosigkeit „dem Grunde nach“ kann bei einem Steuerbescheid, mit dem Steuern festgesetzt werden, nicht von der Frage der Erfolglosigkeit „der Höhe nach“ abgekoppelt werden. Zu verzinsen ist gemäß § 237 Abs. 1 Satz 1 AO der geschuldete „Betrag“, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde. Dieser Betrag ergibt sich aus einem Vergleich der festgesetzten Steuern. Geschuldet aufgrund eines Steuerbescheides werden nicht die Besteuerungsgrundlagen, sondern die festgesetzten Steuern. Gemäß § 157 Abs. 2 AO bildet die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen einen mit Rechtsbehelfen nicht selbständig anfechtbaren Teil des Steuerbescheids, soweit die Besteuerungsgrundlagen nicht gesondert festgestellt werden; letzteres ist im Streitfall nicht einschlägig. Für die Festsetzung der Aussetzungszinsen ist „maßgeblich … der endgültig geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des Steuerbescheides ausgesetzt war“. „Richtet sich … der Einspruch gegen einen Steuerbescheid, bei dem die Besteuerungsgrundlagen nicht selbständig anfechtbar sind (§ 157 Abs. 2 AO 1977), hat der Rechtsbehelf insoweit keinen Erfolg, als das Finanzamt dem Begehren, den festgesetzten Steuerbetrag herabzusetzen, im Ergebnis nicht abhilft. Aus welchem Grund der Antrag auf Herabsetzung der festgesetzten Steuer endgültig erfolglos bleibt, ist ohne Bedeutung, weil die Besteuerungsgrundlagen auf Grund ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung (§ 157 Abs. 2 AO 1977) nur unselbständiger Teil der Regelung und deshalb nur der Begründung (§ 121 AO 1977) zugeordnet sind …. Ist deshalb …ein Einkommensteuerbescheid angefochten, so ist nach § 237 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 der Unterschiedsbetrag zwischen den ausgesetzten und den auf Grund bestandskräftiger Festsetzungen geschuldeten Beträgen … ohne Rücksicht auf den Grund für die Erfolglosigkeit des Rechtsbehelfs zu verzinsen“4. Gleiches gilt zur Überzeugung des Gerichts auch im vorliegenden Fall, der nicht Einkommen, sondern Körperschaftsteuerfestsetzungen betrifft.

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Um festzustellen, in welcher Höhe ein Rechtsbehelf im Sinne des § 237 AO endgültig erfolglos geblieben ist, ist es erforderlich, dass – endgültig, d.h. bestandskräftig – die aufgrund der Beendigung des Rechtsbehelfsverfahrens geschuldete Steuer feststeht. Dies ist nicht bereits dann der Fall, wenn die Beteiligten eine tatsächliche Verständigung getroffen und das zugrundeliegende Klageverfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Jedenfalls dann, wenn die Berechnung der aufgrund der tatsächlichen Verständigung festzusetzenden Steuern zwischen den Beteiligten streitig ist, tritt die endgültige Erfolglosigkeit erst dann ein, wenn die aufgrund der tatsächlichen Verständigung erfolgten Steuerfestsetzungen bestandskräftig geworden sind.

Die tatsächliche Verständigung bezog sich auf die anzusetzenden Besteuerungsgrundlagen. Welche daraus folgenden Steuern festzusetzen waren, war nicht allein Gegenstand einer rechnerischen Umsetzung, sondern blieb zwischen den Beteiligten weiter streitig, wie die von der GmbH gegen die Änderungsbescheide vom … 2010 eingelegten Einsprüche und der weitere Schriftwechsel einschließlich der umfangreichen vor und nach Erlass der Bescheide wechselseitig erfolgten Berechnungen belegen. Laut Protokoll des gerichtlichen Erörterungstermins sollten die Steuern, die sich bei der in Aussicht genommenen Einigung ergeben, von den Beteiligten noch einmal durchgerechnet werden. Das ist aber offensichtlich nicht bzw. jedenfalls nicht einvernehmlich erfolgt. Darüber hinaus machte die GmbH im Einspruchsverfahren gegen die Änderungsbescheide vom … 2010 auch Punkte geltend, die nicht Gegenstand der tatsächlichen Verständigung gewesen waren. Weder aus der Niederschrift über die tatsächliche Verständigung noch sonst aus den Akten geht hervor, dass die Beteiligten im Zusammenhang mit der tatsächlichen Verständigung auch Dauerschuldzinsen bei der Gewerbesteuer und die entsprechenden Folgen bei der Körperschaftsteuer erörtert und sich insoweit verständigt hätten. Auch die von der GmbH geltend gemachten weiteren Punkte („Schecks von XY“ und „Leasingraten …“) belegen, dass für sie mit der tatsächlichen Verständigung und der Abgabe der Erledigungserklärung im Klageverfahren das Rechtsbehelfsverfahren gegen die ursprünglichen Änderungsbescheide nicht abschließend erledigt war. Der vorliegende Sachverhalt weicht insoweit von dem vom Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 11.12.19965 entschiedenen Sachverhalt ab; aus der Entscheidung des Bundesfinanzhofs ist nicht ersichtlich, dass die Steuerpflichtigen mit dem Finanzamt eine tatsächliche Verständigung geschlossen und sodann über die Höhe der hieraus folgenden Steuern und um weitere Punkte gestritten hätten. Die Höhe der aufgrund der tatsächlichen Verständigung festzusetzenden Steuern und damit die Höhe des Umfangs, hinsichtlich derer das Rechtsbehelfsverfahren gegenüber dem ursprünglich geschuldeten Betrag erfolglos geblieben war, stand deshalb erst mit Eintritt der Bestandskraft der Einspruchsentscheidung vom … 2013 fest. Dass das Finanzamt – seinem Hinweis in der Ergänzung der Rechtsbehelfsbelehrung in den Änderungsbescheiden vom … 2010 folgend – im Ergebnis die Einsprüche der Klägerin als unzulässig verworfen hat, führt nicht dazu, dass bereits früher der Umfang, in dem der Rechtsbehelf „endgültig“ erfolglos geblieben war, festgestanden hätte. Entsprechend hat das Finanzamt die Aussetzungszinsen mit Bescheid vom … 2013 noch innerhalb der einjährigen Festsetzungsfrist festgesetzt.

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Das Gericht merkt an, dass es jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Beteiligten nach Abschluss einer tatsächlichen Verständigung weiterhin in einem Rechtsbehelfsverfahren mit umfangreichen und komplizierten Berechnungen und neuen Einwendungen gegen die aufgrund der tatsächlichen Verständigung geänderten Bescheide streiten, der Verfahrensökonomie entspricht, erst den Zeitpunkt der Bestandskraft der Änderungsbescheide als maßgeblich für den Beginn des Zinslaufs im Sinne des § 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 AO anzusehen, weil erst dann endgültig feststeht, wie hoch letztlich die geschuldete Steuer ist und in Höhe welches Betrages der Rechtsbehelf erfolglos geblieben ist. Hätte das Finanzamt bereits nach Erlass der Änderungsbescheide vom … 2010 die Aussetzungszinsen festgesetzt, ist davon auszugehen, dass die Klägerin geltend gemacht hätte, dass dies zu früh oder mindestens überhöht erfolgt sei, weil die Höhe des endgültigen Erfolgs bzw. Misserfolgs noch nicht endgültig feststehe. Nach Eintritt der Bestandskraft der Einspruchsentscheidung vom … 2013 über die Einsprüche gegen die geänderten Bescheide vom … 2010 war dies hingegen einfach und eindeutig feststellbar. Zudem ist zweifelhaft, ob § 237 Abs. 5 AO, nach dem ein Zinsbescheid nicht aufzuheben oder zu ändern ist, wenn der Steuerbescheid nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt wird, einer Änderung des Zinsbescheides zugunsten der Steuerpflichtigen entgegengestanden hätte6.

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Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 28. November 2014 – 7 K 168/137

  1. vgl. BFH, Beschluss vom 07.07.1994 – XI B 3/94, BStBl II 1994, 785, mit weiteren Nachweisen – m.w.N.-; BFH, Urteil vom 11.02.1987 – II R 176/84, BStBl II 1987, 320[]
  2. BFH, Urteil vom 11.12 1996 – X R 123/95, BFH/NV 1997, 275 m.w.N.[]
  3. BFH, Urteil vom 11.12 1996 – X R 123/95, BFH/NV 1997, 275[]
  4. BFH, Urteil vom 27.11.1991 – X R 103/89, BStBl II 1992, 319 m.w.N.[]
  5. BFH, Urteil vom 11.12.1996 – X R 123/95, BFH/NV 1997, 275[]
  6. das vom BFH im Urteil vom 11.12 1996 – X R 123/95 hierzu angeführte Urteil des BFH vom 25.03.1992 – I R 159/90 BStBl II 1992, 997 betrifft die Erhöhung der Bemessungsgrundlage der Aussetzungszinsen aufgrund einer Erhöhung der Steuerfestsetzung nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens, nicht hingegen den Fall einer Minderung der Steuer aufgrund eines weiteren Rechtsbehelfsverfahrens gegen den Änderungsbescheid[]
  7. nicht rechtskräftig; Revision eingelegt zum BFH – I R 38/15[]