Selbst wenn eine sachlich geäußerte richterliche Auffassung (in einer Hinweis- und Ausschlussfrist-Verfügung) unrichtig sein sollte, lässt sich daraus keine Besorgnis der – auf die Person eines Beteiligten bezogenen – Befangenheit herleiten.

Richterliche Hinweise vor Verfahrensabschluss sind naturgemäß nicht als endgültige Festlegung, sondern nur vorläufig und vorbehaltlich späterer besserer Argumente und Erkenntnisse zu verstehen.
Aufgabe eines Berichterstatters ist es, ohne dem Spruchkörper hinsichtlich nur eines Lösungswegs vorzugreifen, vor der mündlichen Verhandlung alle Anordnungen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer Verhandlung zu erledigen.
Sachliche Hinweise oder prozessleitende Verfügungen der Berichterstatterin – wie hier – entsprechen der richterlichen Vorbereitung und Prozessförderung einschließlich der Pflichten zu Hinweisen, zur Gehörsgewährung und zum Hinwirken auf gütliche Beilegung (§§ 76, 79, § 79b, 96 FGO, Art. 103 Abs. 1 GG; ferner § 155 FGO i. V. m. § 139 ZPO) [1].
Auch eine möglicherweise aus einer richterlichen Äußerung – ggf. in Form eines Hinweises in einer Verfügung – durch eine Seite entnommene negative Einschätzung der Verfahrensweise oder der Erfolgsaussicht begründet kein Misstrauen in die Unparteilichkeit des gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zur Entscheidung berufenen gesetzlichen Richters [2].
Selbst wenn eine sachlich geäußerte richterliche Auffassung – auch in Form eines Hinweises in einer Verfügung – unrichtig sein sollte, ließe sich daraus nach allgemeiner Auffassung keine Besorgnis der – auf die Person eines Beteiligten bezogenen – Befangenheit herleiten [3].
Im Übrigen sind richterliche Hinweise vor Verfahrensabschluss naturgemäß – und gegenüber einem insoweit rechtskundigen Prozessbevollmächtigten selbstverständlich – nicht als endgültige Festlegung, sondern nur vorläufig und vorbehaltlich späterer besserer Argumente und Erkenntnisse zu verstehen. Keineswegs muss ein Richter laufend auf diese Vorläufigkeit hinweisen oder entsprechende Vorbehalte – wie „eventuell“ o. ä. – anbringen [4].
Insgesamt ist es für betroffene Beteiligte von großem Vorteil, eine Richterpersönlichkeit vor sich zu haben, die ihre Überlegungen nicht – wie im Rätsel der Sphinx – bis zur Entscheidung verschweigt, sondern den Beteiligten wesentlich effektiver rechtliches Gehör i. S. v. Art. 103 Abs. 1 GG gewährt, indem sie sich der Auseinandersetzung stellt und damit zugleich die Beteiligten ehrt [5].
Schon nach diesen allgemeinen Grundsätzen ergibt sich aus dem vorliegenden, das Verfahren und Rechtsfragen betreffenden Ablehnungsgesuch ohne persönliche Parteilichkeits-Gesichtspunkte keine Besorgnis der Befangenheit gegenüber der Klägerin; und zwar unabhängig von der Verständlichkeit, Widerspruchsfreiheit oder Richtigkeit der richterlichen Hinweise und Verfügungen, sei es auch in Schriftform oder in Verbindung mit einer Ausschlussfristverfügung.
Nach denselben Grundsätzen kann ein Befangenheitsgesuch im nur vorbereitenden Verfahren nicht umgekehrt darauf gestützt werden, dass ein Richter sich bereits „entscheiden müsse“. Speziell in einer Finanzgerichtssache i. S. v. § 5 Abs. 3 FGO ist es Aufgabe eines Berichterstatters, ohne dem Finanzgericht hinsichtlich nur eines Lösungswegs vorzugreifen, gemäß §§ 79 ff. FGO vor der mündlichen Verhandlung alle Anordnungen zu treffen, die – möglicherweise zugleich in alternative Richtungen – notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer Verhandlung zu erledigen (§ 79 Abs. 1 FGO).
Nach dem Ausgeführten lässt sich eine Befangenheit der Berichterstatterin nicht darauf stützen, dass die Klägerin aufgrund der Hinweise und Aufforderungen der Berichterstatterin besorgt ist, ob sie hinsichtlich der Frage einer etwaigen Bemessungsgrundlage von unrichtigen Voraussetzungen ausgeht und auf eine unrichtige Entscheidung zusteuere. Denn selbst eine unrichtige richterliche Auffassung begründet nicht ohne weiteres die Besorgnis der Befangenheit.
Finanzgericht Hamburg, Beschluss vom 22. Mai 2014 – 3 K 207/13
- vgl. Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 71. A., § 42 Rz. 16 „Anordnung“, Rz. 28, 41 „Hinweis“, Rz. 44 „Rechtsbeurteilung“, Rz. 45 „Sachlichkeit“; Vollkommer in Zöller, ZPO, 29. A., § 42 Rz.20, 22, 24, 26[↩]
- vgl. Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 71. A., § 42 Rz. 15 „Anfrage“, Rz. 45 „Unliebsamkeit“, „Vertretbarkeit“; Vollkommer in Zöller, ZPO, 29. A., § 42 Rz. 28; jeweils m. w. N. der ständ. Rspr.[↩]
- Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 51 FGO Rd. 21; Vollkommer in Zöller, ZPO, 29. A., § 42 Rd. 28; jeweils m. w. N. der ständ. Rspr.[↩]
- vgl. Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 71. A., § 42 Rz. 45 „Vorläufigkeit“; Vollkommer in Zöller, ZPO, 29. A., § 42 Rz. 28; jeweils m. w. N. der ständ. Rspr.[↩]
- vgl. Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. A., § 42 Rz. 45 „Unliebsamkeit“; insgesamt Finanzgericht Hamburg, Beschluss vom 11.03.2011 3 – V 15/11[↩]
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