Beiladung einer prozessunfähigen GmbH zum finanzgerichtlichen Verfahren

Die Beiladung einer GmbH gemäß § 60 Abs. 3 FGO ist nicht deshalb entbehrlich, weil die GmbH keinen Geschäftsführer mehr hat und damit prozessunfähig ist.

Beiladung einer prozessunfähigen GmbH zum finanzgerichtlichen Verfahren

Eine unterbliebene notwendige Beiladung stellt einen vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfenden Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens dar1.

Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO sind Dritte beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (notwendige Beiladung). Nach der Vollbeendigung einer Personengesellschaft sind alle (ehemaligen) Gesellschafter (Mitunternehmer) notwendig beizuladen, die durch die angefochtene Besteuerungsgrundlage gemäß § 40 Abs. 2 FGO beschwert sein können2.

Zwar war im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall eine (zusätzliche) Beiladung des Prozessstandschafters der Gesellschafter der GmbH & atypisch Still infolge deren bereits bei Klageerhebung eingetretenen Vollbeendigung ausgeschlossen3. Das Finanzgericht hätte jedoch die GmbH beiladen müssen. Die Vollbeendigung der K-GmbH & atypisch Still führt dazu, dass die bis zu diesem Zeitpunkt überlagerte Klagebefugnis der einzelnen Gesellschafter -auch die der GmbH- wieder auflebt4. Das Finanzgericht hätte jedoch die GmbH beiladen müssen. Die Vollbeendigung der GmbH & atypisch Still führt dazu, dass die bis zu diesem Zeitpunkt überlagerte Klagebefugnis der einzelnen Gesellschafter -auch die der GmbH- wieder auflebt5. Im Übrigen ist die GmbH als am Veräußerungsgewinn der K-GmbH & atypisch Still beteiligte Gesellschafterin durch den Rechtsstreit auch beschwert (§ 40 Abs. 2 FGO). Denn die vom klagenden atypisch stillen Gesellschafter begehrte Erhöhung seines persönlichen Verlustes würde zu einer korrespondierenden Erhöhung des Veräußerungsgewinns auf Ebene der Gesamthand führen.

Entgegen der Auffassung des in der Vorinstanz mit dem vorliegenden Fall befassten Niedersächsischen Finanzgerichts6 ist eine Beiladung der GmbH nicht entbehrlich, weil S sein Geschäftsführeramt im Jahr 2009 niedergelegt hat und die GmbH in der weiteren Folge ohne Geschäftsführer geblieben ist. Die GmbH hat zwar mit der Niederlegung des Geschäftsführeramtes durch S im Jahr 2009 ihre Prozessfähigkeit verloren7. Im Fall der Niederlegung gehört es jedoch zu den Aufgaben der Gesellschafter, für handlungsfähige Organe der Gesellschaft zu sorgen (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 2 GmbHG) und die Prozessfähigkeit der GmbH wiederherzustellen. Ist ihnen die Bestellung eines neuen Geschäftsführers aus gewichtigen Gründen nicht möglich, besteht die Möglichkeit, gemäß § 29 BGB beim Amtsgericht die Einsetzung eines Notgeschäftsführers zu beantragen8. Selbst eine etwaige Löschung der GmbH macht deren Beiladung nicht entbehrlich. In diesem Fall würde die GmbH durch einen Nachtragsliquidator vertreten, der zu diesem Zweck ggf. noch zu bestellen wäre (§ 66 Abs. 5, § 70 GmbHG)9.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 23. März 2023 – IV R 8/20 (IV R 7/17)

  1. z.B. BFH, Urteil vom 10.09.2020 – IV R 14/18, BFHE 270, 363, BStBl II 2021, 367, Rz 20, m.w.N.[]
  2. vgl. BFH, Urteil vom 21.12.2021 – IV R 13/19, Rz 21[]
  3. z.B. BFH, Urteil vom 21.12.2017 – IV R 44/14, Rz 16 ff.[]
  4. z.B. BFH, Urteil vom 06.12.2022 – IV R 21/19, Rz 21, m.w.N.[]
  5. z.B. BFH, Urteil vom 06.12.2022 – IV R 21/19, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 21, m.w.N.[]
  6. Nds. FG, Urteil vom 22.03.2017 – 9 K 92/15[]
  7. vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 28.08.2012 – I B 69/12, Rz 11[]
  8. vgl. z.B. Schneider/Schneider in Scholz, GmbHG, 13. Aufl., § 35 Rz 59, m.w.N.[]
  9. vgl. auch BFH, Urteil vom 19.07.2018 – IV R 10/17, Rz 22; BFH, Beschluss vom 14.09.2010 – IV B 15/10, Rz 10, zum Nachtragsliquidator; BFH, Urteil vom 26.03.1980 – I R 111/79, BFHE 130, 477, BStBl II 1980, 587, unter 2.[]