Besteuerung von Abfindungen

Die durch das Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vorgenommene Kürzung der Entlastung von Entschädigungen für entgangene oder entgehende Einnahmen ist, wie jetzt das Bundesverfassungsgericht entschied, teilweise verfassungswidrig. Die Beschränkung der steuerlichen Entlastung von Entschädigungen für entgangene oder entgehende Einnahmen im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG durch § 34 Abs. 1 in Verbindung mit § 52 Abs. 47 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 war mit belastenden Folgen einer unechten Rückwirkung verbunden, die zum Teil den Grundsätzen des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes widersprechen.

Besteuerung von Abfindungen

Die jährliche Erhebung der Einkommensteuer und der progressive Verlauf des Einkommensteuertarifs können zu einer Progressionsverzerrung führen, wenn Einkünfte zusammengeballt in einem Jahr zufließen, die wirtschaftlicher Ertrag mehrerer Veranlagungszeiträume sind. Die Einkünfte werden dann zu einem erheblichen Teil mit einem höheren Steuersatz belastet, als dies bei der Verteilung des Einkommens auf mehrere Veranlagungszeiträume der Fall wäre, ohne dass die finanzielle Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen entsprechend höher zu bewerten ist. Dieses Problem möglicher Belastungsverzerrungen berücksichtigt § 34 EStG durch eine Steuerermäßigung für „außerordentliche“ Einkünfte, zu denen u. a. die Entschädigungen als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen (§ 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG) gehören.

Bis zum Ende des Jahres 1998 galt für die außerordentlichen Einkünfte ein ermäßigter Tarif, der nur die Hälfte des durchschnittlichen Steuersatzes des Steuerpflichtigen betrug. Besonders günstig war dies für die Bezieher hoher Einkünfte, bei denen die Einkünfte, selbst wenn sie nicht zusammengeballt zugeflossen wären, dem Spitzensteuersatz unterlegen hätten. Nachdem verschiedene Änderungsinitiativen zunächst erfolglos geblieben waren, trat nach dem Regierungswechsel im Jahr 1998 an die Stelle des halben durchschnittlichen Steuersatzes die sog. Fünftel-Regelung nach § 34 Abs. 1 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, das am 9. November 1998 in den Bundestag eingebracht und am 31. März 1999 verkündet wurde. Danach werden außerordentliche Einkünfte mit einem Steuersatz besteuert, der hinsichtlich des progressiven Tarifverlaufs angewendet worden wäre, wenn sie anteilig jeweils zu einem Fünftel in fünf Veranlagungszeiträumen zugeflossen wären. Nach § 52 Abs. 47 EStG galt die Neuregelung ab dem Veranlagungszeitraum 1999, bezog aber – rückwirkend – auch Entschädigungen ein, die bereits vor der Verkündung der Neuregelung vereinbart worden waren.

Die Kläger der drei Ausgangsverfahren erhielten als Arbeitnehmer im Veranlagungszeitraum 1999 aufgrund der Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses Abfindungen, die jeweils noch vor der Verkündung der Neuregelung im Januar bzw. März 1999 ausgezahlt wurden. Die zugrundeliegenden Aufhebungsvereinbarungen wurden teils bereits vor der Einbringung des Gesetzentwurfs geschlossen (im Oktober 1996 bzw. Juli 1998), teils aber auch erst danach (im November 1998). In allen Fällen wandte das Finanzamt anstelle des halben durchschnittlichen Steuersatzes die Fünftel-Regelung an, was eine steuerliche Mehrbelastung von rund 5.000, 20.000 bzw. 62.000 DM zur Folge hatte. Die erhobenen Klagen führten jeweils zur Richtervorlage durch den Bundesfinanzhof1 an das Bundesverfassungsgericht. In den zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Normenkontrollverfahren hat das Bundesverfassungsgericht nun entschieden, dass die rückwirkende Anwendung der Fünftel-Regelung nach § 34 Abs. 1 i. V. m. § 52 Abs. 47 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 wegen Verstoßes gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes teilweise verfassungswidrig ist.

§ 34 Absatz 1 in Verbindung mit § 52 Absatz 47 und § 39b Absatz 3 Satz 9 in Verbindung mit § 52 Absatz 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (Bundesgesetzblatt I Seite 402) verstoßen gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und sind nichtig, soweit danach für Entschädigungen im Sinne des § 24 Nummer 1 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes die sogenannte Fünftel-Regelung anstelle des zuvor geltenden halben durchschnittlichen Steuersatzes auch dann zur Anwendung kommt, wenn diese im Jahr 1998, aber noch vor der Einbringung der Neuregelung in den Deutschen Bundestag am 9. November 1998 verbindlich vereinbart und im Jahr 1999 ausgezahlt wurden, oder – unabhängig vom Zeitpunkt der Vereinbarung – noch vor der Verkündung der Neuregelung am 31. März 1999 ausgezahlt wurden.

Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem am gleichen Tag gefassten Beschluss zur Verlängerung der Spekualtionsfrist bei Grundstücksgeschäften2 näher ausgeführt hat, ist an der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum grundrechtlich und rechtstaatlich begründeten Rückwirkungsverbot und zu den Grundsätzen des Vertrauensschutzes festzuhalten.

Eine Rechtsnorm entfaltet danach eine – grundsätzlich unzulässige – „echte“ Rückwirkung, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll („Rückbewirkung von Rechtsfolgen“). Erst mit der Verkündung, das heißt, mit der Ausgabe des ersten Stücks des Verkündungsblattes, ist eine Norm rechtlich existent. Bis zu diesem Zeitpunkt, zumindest aber bis zum endgültigen Gesetzesbeschluss3, muss der von einem Gesetz Betroffene grundsätzlich darauf vertrauen können, dass seine auf geltendes Recht gegründete Rechtsposition nicht durch eine zeitlich rückwirkende Änderung der gesetzlichen Rechtsfolgenanordnung nachteilig verändert wird4.

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Soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden („tatbestandliche Rückanknüpfung“), liegt eine „unechte“ Rückwirkung vor5. Eine solche unechte Rückwirkung ist nicht grundsätzlich unzulässig, denn die Gewährung vollständigen Schutzes zugunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde den dem Gemeinwohl verpflichteten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen6. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht insbesondere nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren7. Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz8.

Der Gesetzgeber muss aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte anknüpft, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung tragen. Die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage sind abzuwägen9. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss gewahrt sein10. Eine unechte Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes daher nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt.

Die maßgebliche Rechtsfolge steuerrechtlicher Normen ist das Entstehen der Steuerschuld. Im Sachbereich des Steuerrechts liegt eine echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen) daher nur vor, wenn der Gesetzgeber eine bereits entstandene Steuerschuld nachträglich abändert. Für den Bereich des Einkommensteuerrechts bedeutet dies, dass die Änderung von Normen mit Wirkung für den laufenden Veranlagungszeitraum der Kategorie der unechten Rückwirkung zuzuordnen ist; denn nach § 38 AO in Verbindung mit § 36 Abs. 1 EStG entsteht die Einkommensteuer erst mit dem Ablauf des Veranlagungszeitraums, das heißt nach § 25 Abs. 1 EStG des Kalenderjahres11. Auch dann aber, wenn der Gesetzgeber das Einkommensteuerrecht während des laufenden Veranlagungszeitraums umgestaltet und die Rechtsänderungen auf dessen Beginn bezieht, bedürfen die belastenden Wirkungen einer Enttäuschung schutzwürdigen Vertrauens stets einer hinreichenden Begründung nach den Maßstäben der Verhältnismäßigkeit. Hier muss der Normadressat eine Enttäuschung seines Vertrauens in die alte Rechtslage ebenfalls nur hinnehmen, soweit dies aufgrund besonderer, gerade die Rückanknüpfung rechtfertigender öffentlicher Interessen unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt ist. Wäre dies anders, so fehlte den Normen des Einkommensteuerrechts als Rahmenbedingung wirtschaftlichen Handelns ein Mindestmaß an grundrechtlich und rechtsstaatlich gebotener Verlässlichkeit.

Die Neuregelung der Besteuerung von Entschädigungen im Sinne von § 24 Nr. 1 EStG durch § 34 Abs. 1 in Verbindung mit § 52 Abs. 47 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 wurde am 31. März 1999 verkündet und war erstmals für den Veranlagungszeitraum 1999 anzuwenden. Dies führte zu einer unechten Rückwirkung (tatbestandlichen Rückanknüpfung) in allen Fällen, in denen die Entschädigung vor der Verkündung vereinbart worden und nicht bereits bis Ende des Jahres 1998 zugeflossen war12. Darin liegt ein Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes, soweit die Vereinbarung innerhalb des Jahres 1998, aber noch vor der Einbringung des Gesetzentwurfs in den Bundestag am 9. November 1998 verbindlich getroffen wurde. Im Übrigen ist die Einbeziehung bereits bestehender Entschädigungsvereinbarungen in die Neuregelung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, es sei denn, die Entschädigung wurde vor der Verkündung des neuen Rechts ausgezahlt.

Soweit die Entschädigungsvereinbarung im Jahr 1998, und zwar noch vor der Einbringung des Gesetzentwurfs in den Bundestag am 9. November 1998, verbindlich getroffen wurde, war die damit verbundene Erwartung, auf die Entschädigung werde nur der halbe durchschnittliche Steuersatz nach § 34 Abs. 1 EStG a.F. zur Anwendung kommen, uneingeschränkt schutzwürdig. Die vom Gesetzgeber für den Übergang auf die Fünftel-Regelung nach § 34 Abs. 1 EStG n.F. angegebenen Gründe rechtfertigen eine Enttäuschung dieser Erwartung nicht.

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Das beim Abschluss der Entschädigungsvereinbarung betätigte Vertrauen verdient grundsätzlich verfassungsrechtlichen Schutz, denn für den Steuerpflichtigen hat die Frage, welcher Steuersatz auf eine künftig zufließende Entschädigung anzuwenden ist, eine erhebliche Bedeutung, weil sich erst daraus der für ihn letztlich entscheidende Nettoertrag ergibt. Absoluten verfassungsrechtlichen Schutz kann der Steuerpflichtige aber nicht beanspruchen, weil er im Hinblick auf das stets in Rechnung zu stellende (mindestens potentielle) Änderungsbedürfnis des Gesetzgebers nicht auf den zeitlich unbegrenzten Fortbestand der einmal geltenden Rechtslage vertrauen kann.

Weniger schutzbedürftig sind vor diesem Hintergrund solche Entschädigungsvereinbarungen, die nach dem 9. November 1998, dem Tag der Einbringung des Gesetzentwurfs im Bundestag, abgeschlossen wurden. Hier konnten sich die an der Entschädigungsvereinbarung Beteiligten in gewissem Umfang auf eine Änderung der Rechtslage im Jahr 1999 einstellen. Mit der Einbringung eines Gesetzentwurfs im Bundestag durch ein initiativberechtigtes Organ werden geplante Gesetzesänderungen öffentlich. Ab diesem Zeitpunkt sind mögliche zukünftige Gesetzesänderungen in konkreten Umrissen allgemein vorhersehbar. Deshalb können Steuerpflichtige regelmäßig nicht mehr darauf vertrauen, das gegenwärtig geltende Recht werde auch im Folgejahr unverändert fortbestehen; es ist ihnen vielmehr grundsätzlich möglich, ihre wirtschaftlichen Dispositionen durch entsprechende Anpassungsklauseln auf mögliche zukünftige Änderungen einzustellen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Beschaffung von Informationen über laufende Gesetzgebungsverfahren sei den Steuerpflichtigen nicht zumutbar. Die Schwierigkeiten, Informationen über bereits im Bundestag in Gang gesetzte Gesetzgebungsverfahren zu erlangen, übersteigen die für den durchschnittlichen Steuerpflichtigen bestehenden Probleme verlässlicher Orientierung über das geltende Einkommensteuerrecht nicht in erheblichem Ausmaß. Gerade im Zusammenhang mit speziellen Vertragsabschlüssen von einigem wirtschaftlichen Gewicht, zu denen Abfindungsvereinbarungen zählen, ist es zudem gebräuchlich, zweckmäßig und regelmäßig auch zumutbar, professionelle Beratung über deren steuerliche Folgen in Anspruch zu nehmen.

Im Übrigen sind von vornherein nur diejenigen Konstellationen in Betracht zu ziehen, in denen die Entschädigungsvereinbarung vor der Einbringung der Neuregelung in den Bundestag am 9. November 1998 getroffen wurde, die Entschädigung aber erst im Jahr 1999 zugeflossen ist; denn auf bereits im Jahr 1998 ausgezahlte Entschädigungen fand die Neuregelung nach § 52 Abs. 47 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG, nach dem es für die Zuordnung einer Einnahme zu einem bestimmten Veranlagungszeitraum auf den Zeitpunkt des Zuflusses ankommt, keine Anwendung. In den von der Neuregelung erfassten Fällen musste der Steuerpflichtige allerdings umso eher mit etwaigen Rechtsänderungen rechnen und gegebenenfalls selbst durch Vereinbarung entsprechender Anpassungsklauseln Vorsorge tragen, je größer der zeitliche Abstand zwischen dem Abschluss der Entschädigungsvereinbarung und dem vorgesehenen Auszahlungstermin war.

Daher sind weniger schutzwürdig verbindliche Vereinbarungen einer bestimmten Entschädigung, soweit der Beendigungs- und Zahlungszeitpunkt über einen längeren Zeitraum als über das Folgejahr hinaus verschoben wurde, wenn also die Entschädigungsvereinbarung bereits im Jahr 1997 oder eher getroffen wurde, die Auszahlung aber erst für das Jahr 1999 vorgesehen war, wie dies im Verfahren 2 BvL 57/06 der Fall ist. Zwar mag es für die Vereinbarung solcher längerfristigen Zeiträume für die Beteiligten gute Gründe geben. Indes liegt es dann ferner, auf den Fortbestand des geltenden Steuerrechts zu vertrauen, und näher, mit vertraglichen Klauseln auch die Verteilung des Risikos künftiger Steuerverschärfungen zu regeln. Das gilt entgegen den Ausführungen des Bundesfinanzhofs im Verfahren 2 BvL 1/03 grundsätzlich auch dann, wenn – wie mit den zeitlichen Staffelungen im Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 – im geltenden Recht ausdrücklich bestimmte zukünftige Geltungszeiträume bestimmt sind, denn auch insoweit bleibt die Möglichkeit zukünftiger Gesetzesänderung in Betracht zu ziehen.

Im Übrigen, das heißt wenn die Entschädigungsvereinbarung im Jahr 1998 getroffen wurde, ist die Schutzwürdigkeit nicht gemindert. Zwar liegt in diesen Fällen zwischen dem Abschluss der Vereinbarung und der Auszahlung der Entschädigung erst im Folgejahr immer noch eine gewisse Zeitspanne. Diese bewegt sich aber ohne weiteres in dem für Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG üblichen Rahmen. Darunter fallen nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung nur solche Einmalzahlungen, die im Zusammenhang mit der von dritter Seite veranlassten Beendigung eines Rechtsverhältnisses – nicht notwendig, aber typischerweise eines Arbeits- oder Dienstleistungsverhältnisses – vereinbart werden. Der Entschädigungsberechtigte muss seine Rechte zwar nicht ohne seinen Willen verloren, aber doch in einer gewissen Zwangslage aufgegeben haben, nämlich unter einem erheblichen wirtschaftlichen, rechtlichen oder tatsächlichen Druck; er darf das schadenstiftende Ereignis nicht aus eigenem Antrieb herbeigeführt haben13. Bei Arbeits- oder Dienstverhältnissen geht es um Entschädigungen im Zusammenhang mit Kündigungen oder möglichen Kündigungen seitens des Arbeitgebers oder Dienstherrn, bei denen das beiderseitige Interesse der Beteiligten an einem gewissen zeitlichen Abstand zwischen Entschädigungsvereinbarung und Zahlung bei Beendigung des bisherigen Arbeits- oder Dienstverhältnisses evident ist. Der Arbeitgeber benötigt die Zeitspanne typischerweise für angemessene Kosten- und Personalplanung, der entschädigungsberechtigte Arbeitnehmer oder sonst Dienstverpflichtete für seine private und berufliche Umstellung und Neuorientierung. Schon zum Zeitpunkt der Entschädigungsvereinbarung müssen sich aber beide Seiten entscheiden, auf welche Bedingungen sie sich für die Beendigung des bisherigen Rechtsverhältnisses einlassen wollen. Auch soweit der Beendigungszeitpunkt nicht in das Jahr der Vereinbarung, sondern erst in das Folgejahr fällt, entsteht so ein besonderes Schutzbedürfnis im Hinblick auf die Abschätzbarkeit des wirtschaftlichen Ergebnisses der Vereinbarung. Für den Entschädigungspflichtigen ist dies die Höhe des zu zahlenden Bruttobetrags, für den Entschädigungsberechtigten der Nettobetrag nach Steuern.

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Der danach vorzunehmenden Unterscheidung nach dem Jahr, in dem die Entschädigungsvereinbarung abgeschlossen wurde, kann nicht entgegengehalten werden, dass die Zeitspanne, die zwischen Vereinbarung und Auszahlung liegt, auch vom innerhalb des Jahres 1999 vorgesehenen Auszahlungszeitpunkt abhängt und daher nicht in jedem Fall bei einer im Jahr 1997 geschlossenen Vereinbarung länger ist als bei einem aus dem Jahr 1998 datierenden Vertrag. Entscheidend für die verminderte Schutzwürdigkeit einer bereits im Jahr 1997 (oder eher) getroffenen Vereinbarung ist weniger der absolut längere Zeitraum bis zur Auszahlung im Jahr 1999 als vielmehr der Umstand, dass zwischen Vereinbarung und Auszahlung zwei Veranlagungszeitraumwechsel liegen. Typischerweise ändert der Gesetzgeber das Einkommensteuerrecht nämlich – dem Periodizitätsprinzip entsprechend – veranlagungszeitraumbezogen. Über mehr als einen Veranlagungszeitraumwechsel kann daher weniger vertraut werden, auch wenn der absolute Zeitraum im einzelnen Fall kürzer ist als in Fällen, in denen nur ein Veranlagungszeitraumwechsel zwischen Vereinbarung und Auszahlung liegt.

Soweit die Schutzwürdigkeit des vom Steuerpflichtigen betätigten Vertrauens nicht etwa deshalb gemindert war, weil er die Entschädigungsvereinbarung bereits vor dem Jahr 1998 oder erst nach Einbringung der Neuregelung in den Bundestag am 9. November 1998 abgeschlossen hatte, wird dieses durch den Übergang auf die Fünftel-Regelung nach § 34 Abs. 1 EStG n.F. in unzumutbarer Weise beeinträchtigt.

Der Übergang auf die Fünftel-Regelung führt verglichen mit der Anwendung des zuvor geltenden halben durchschnittlichen Steuersatzes zu einer Verschlechterung von erheblichem Gewicht, denn dadurch konnte sich der für den Empfänger der Entschädigungsleistung maßgebliche Nettobetrag nach Steuern erheblich verringern, wie die Streitfälle in den Ausgangsverfahren veranschaulichen. Zu einer entsprechenden Anpassung zugunsten der Empfänger – in vielen Fällen, wie auch in den Ausgangsverfahren, (frühere) Arbeitnehmer – waren die entschädigungspflichtigen Vertragspartner in der Regel mangels entsprechender Anpassungsklauseln nicht verpflichtet und konnten hieran auch kein Interesse haben. Die unter der Geltung des alten Einkommensteuerrechts vertraglich erworbenen Rechtspositionen wurden deshalb im typischen Anwendungsfall der Neuregelung erheblich entwertet.

Die vom Gesetzgeber für den Übergang auf die Fünftel-Regelung angeführten Gründe rechtfertigen es nicht, dies als zumutbar zu bewerten.

Gegenüber den erheblichen Entwertungen, die die vertraglich begründeten Rechtspositionen der Steuerpflichtigen durch die höhere, bei Vertragsschluss nicht vorhersehbare, Steuerbelastung erfahren haben, hat das Interesse an einer Gegenfinanzierung anderweitiger Steuerentlastung14 kein hinreichendes Gewicht. Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 7. Juli 201015 festgestellt hat, geht dieser Zweck über den eines allgemeinen Finanzbedarfs nicht hinaus. Die bloße Absicht, staatliche Mehreinkünfte zu erzielen, ist aber für sich genommen grundsätzlich noch kein den Vertrauensschutz betroffener Steuerpflichtiger überwindendes Interesse. Ob insoweit für allgemeine maßvolle Tariferhöhungen anderes gilt16, kann offen bleiben, denn bei § 34 EStG geht es nicht um eine allgemeine, alle Steuerpflichtigen nach Maßgabe der Höhe ihres zu versteuernden Jahreseinkommens gleichmäßig treffende Zusatzbelastung, sondern um einen Sondertarif nur für bestimmte, „außerordentliche“ Bezüge, dessen Umgestaltung durch den Übergang vom hälftigen durchschnittlichen Steuersatz zur Fünftel-Regelung für die speziell betroffenen Steuerpflichtigen von erheblichem finanziellen Gewicht ist. Ebenso können die möglichen Folgen unerwarteter Mindereinnahmen oder eines sonstigen außerordentlichen Finanzbedarfs17 unerörtert bleiben, denn auch darum geht es bei Maßnahmen zur Gegenfinanzierung nicht.

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Auch das Ziel, zweckwidrig überschießende Vergünstigungseffekte der alten Fassung des § 34 EStG bei Beziehern hoher Einkommen abzubauen18, vermag im Ergebnis die Versagung von Vertrauensschutz für die hier betroffene Fallgruppe nicht zu rechtfertigen, da es jedenfalls an der Dringlichkeit der Realisierung dieses Ziels fehlte. Obwohl, wie der vorlegende XI. Senat des Bundesfinanzhofs ausführlich dargelegt hat, die zweckwidrige Begünstigung der Bezieher hoher Einkünfte allgemein bekannt war, hat der Gesetzgeber dies im Wesentlichen hingenommen und sogar bestätigt. Zwar sah das Steuerreformgesetz 1990 vom 25. Juli 1988 substantielle Einschränkungen vor, denn danach sollte der halbe durchschnittliche Steuersatz nur noch für außerordentliche Einkünfte bis zu zwei Millionen DM gelten und darüber hinaus – allerdings nur bis zu einem Betrag von fünf Millionen DM – eine der jetzigen Fünftel-Regelung entsprechende Zwei-Drittel-Regelung gelten19. Diese Änderungen wurden durch das Gesetz zur Änderung des Steuerreformgesetzes 1990 vom 30. Juli 1989 aber schon, bevor sie das erste Mal wirksam wurden, wieder zurückgenommen und lediglich die Anwendung des halben durchschnittlichen Steuersatzes auf einen Höchstbetrag von 30 Millionen DM begrenzt20. Auch die mit dem Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 199721 eingeführten Höchstbeträge von 15 Millionen DM ab dem 1. August 1997 und von 10 Millionen DM ab dem Jahr 2001 stellten noch einen deutlichen Begünstigungseffekt für Steuerpflichtige mit hohem Einkommen sicher.

Auch vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, welche anderen Ziele als die der Einnahmenvermehrung den Gesetzgeber gehindert haben könnten, auf die schutzwürdigen Dispositionen der Steuerpflichtigen in ähnlich sachgerechter Weise Rücksicht zu nehmen wie bei der späteren Streichung des § 3 Nr. 9 EStG. Danach waren Abfindungen wegen einer vom Arbeitgeber veranlassten oder gerichtlich ausgesprochenen Auflösung des Dienstverhältnisses bis zu einer bestimmten Höhe, zuletzt je nach Lebensalter und Dauer des Dienstverhältnisses bis zu 11.000 Euro, steuerfrei. Durch das Gesetz zum Einstieg in ein steuerliches Sofortprogramm vom 22. Dezember 200522 wurde diese Vergünstigung abgeschafft. Nach der Übergangsregelung des § 52 Abs. 4a EStG ist sie aber weiter anzuwenden für vor dem 1. Januar 2006 entstandene Ansprüche der Arbeitnehmer auf Abfindungen oder für Abfindungen wegen einer vor dem 1. Januar 2006 getroffenen Gerichtsentscheidung oder einer am 31. Dezember 2005 anhängigen Klage, soweit die Abfindungen dem Arbeitnehmer vor dem 1. Januar 2008 zufließen.

Die mangelnde Rechtfertigung und damit die Verfassungswidrigkeit des gesetzlichen Zugriffs auf Entschädigungen, die vor der Einbringung der Neuregelung in den Bundestag im Jahr 1998 verbindlich vereinbart worden sind, betrifft unabhängig vom Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes am 31. März 1999 alle Zahlungen innerhalb des Jahres 1999. Die Unzumutbarkeit des rückwirkenden Zugriffs ergibt sich schon aus der mit dem Abschluss der Vereinbarung getroffenen Vertrauensdisposition. Auf die im Zeitpunkt des Zuflusses bestehende Vertrauenslage kommt es dann nicht mehr an, denn das verfassungsrechtlich geschützte Vertrauen ist einheitlich mit der verbindlichen Disposition zum Zeitpunkt der Entschädigungsvereinbarung betätigt worden, so dass Verlauf und Abschluss des nachfolgenden Gesetzgebungsverfahrens – unbeschadet der Möglichkeit einer Vertrauensverstärkung oder -begründung bei Zufluss der Entschädigung vor dessen Abschluss – die Schutzwürdigkeit des Vertrauens nicht mindern können.

Im Übrigen ist die Einbeziehung bereits bestehender Entschädigungsvereinbarungen in die Neuregelung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, es sei denn, die Entschädigung wurde bereits vor der Verkündung noch unter Geltung des alten Rechts ausgezahlt.

Soweit die Fünftel-Regelung auf Entschädigungsvereinbarungen zur Anwendung kommt, die schon vor dem Jahr 1998 oder erst nach Einbringung des Gesetzentwurfs in den Bundestag am 9. November 1998 getroffen wurden, ist dies verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. In diesen Fällen ist das Gewicht enttäuschten Vertrauens geringer einzuschätzen, denn soweit mögliche Erwartungen an eine Fortgeltung des alten Rechts über das Folgejahr der Vereinbarung hinausgehen, musste der Steuerpflichtige von sich aus die Möglichkeit künftiger Rechtsänderungen in Betracht ziehen und sich darauf durch vertragliche Anpassungsklauseln hinreichend einstellen. Erst recht gilt dies, soweit sich die Rechtsänderung durch die Einbringung in den Bundestag bereits konkret abzeichnete. Deshalb reichen in diesen Fällen die legitimen Änderungsinteressen des Gesetzgebers zur Rechtfertigung einer Enttäuschung des im Zeitpunkt des Abschlusses der Entschädigungsvereinbarungen bestehenden Vertrauens in den künftigen Fortbestand des Rechts aus.

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Anderes gilt, soweit die Entschädigung dem Steuerpflichtigen noch vor dem Inkrafttreten der Neuregelung mit ihrer Verkündung im Bundesgesetzblatt am 31. März 1999 zugeflossen ist.

In dieser Konstellation handelt es sich um Einkommen, das noch unter der Geltung des alten Rechts erzielt wurde. Deshalb hatten Arbeitgeber auch zunächst die Lohnsteuer nach Maßgabe des alten Rechts gemäß § 39b Abs. 3 EStG einzubehalten und abzuführen. Obwohl dieser Zeitpunkt der Einnahmenerzielung bei vereinbarungsgemäßer Erfüllung des Entschädigungsanspruchs durch die vorangegangene Entschädigungsvereinbarung bestimmt und deshalb vom Empfänger regelmäßig nicht mehr beeinflussbar ist, sondern nur noch die Annahme des Berechtigten voraussetzt, können die Steuerpflichtigen sich unabhängig von der Schutzwürdigkeit ihrer Dispositionen zum Zeitpunkt der Entschädigungsvereinbarung auf die Gewährleistungsfunktionen des zum Zeitpunkt des Mittelzuflusses geltenden Rechts berufen. Sie dürfen bei ihren Entscheidungen über Sparen, Konsum oder Investition der erzielten Einnahmen darauf vertrauen, dass der Steuergesetzgeber nicht ohne sachlichen Grund von hinreichendem Gewicht die Rechtslage zu einem späteren Zeitpunkt rückwirkend zu ihren Lasten verändert und dadurch den Nettoertrag der erhaltenen Entschädigung erheblich mindert. Daran änderte auch das im Zeitpunkt des Zuflusses bereits schwebende Gesetzgebungsverfahren nichts. Die Vorhersehbarkeit einer möglichen zukünftigen Gesetzesänderung bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses der Entschädigungsvereinbarung und zum Zeitpunkt der Erfüllung des materiellen steuerbegründenden Tatbestands steht der Anerkennung grundrechtlich geschützten Vertrauens in geltendes Recht zum Zeitpunkt der Erfüllung nicht grundsätzlich entgegen. Sie kann zwar im Ergebnis dazu führen, dass den Steuerpflichtigen die Abstimmung zukunftswirksamer Dispositionen auf künftiges Recht zuzumuten ist, kann aber die Gewährleistungsfunktionen geltenden Rechts nicht von vornherein suspendieren.

Der hier vorzunehmenden Unterscheidung zwischen dem Zeitpunkt der Einbringung der Neuregelung als maßgeblich für den Vertrauensschutz bei Abschluss der Entschädigungsvereinbarung einerseits und dem Zeitpunkt der Verkündung des neuen Gesetzes als maßgeblich für den Vertrauensschutz beim Zufluss der Entschädigung andererseits steht nicht entgegen, dass das Bundesverfassungsgericht namentlich in Fällen der echten Rückwirkung den Zeitpunkt des endgültigen Gesetzesbeschlusses (des Bundestages) wiederholt für ausschlaggebend erklärt hat. Nach dieser Rechtsprechung müssen die Betroffenen ab dem Gesetzesbeschluss mit der Verkündung und dem Inkrafttreten der Neuregelung rechnen, weshalb es ihnen von diesem Zeitpunkt an zuzumuten ist, ihr Verhalten auf die beschlossene Gesetzeslage einzurichten. Der Gesetzgeber kann deshalb berechtigt sein, den zeitlichen Anwendungsbereich einer Norm im Sinne einer echten Rückwirkung auch auf den Zeitpunkt von dem Gesetzesbeschluss bis zur Verkündung zu erstrecken23. Diese Zuordnung hat das Bundesverfassungsgericht als den „verhältnismäßig besten Ausgleich“ zwischen den denkbaren Positionen – Abstellen auf die Einbringung des Gesetzentwurfs einerseits und die Verkündung der Neuregelung andererseits – bezeichnet24.

Jedenfalls die in den Fällen der unechten Rückwirkung vorzunehmende Abwägung unter Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit lässt allerdings Raum für differenzierende Lösungen25. Hier ist einerseits zu berücksichtigen, dass das Vertrauen in die Fortgeltung des bestehenden Rechts bei lebensnaher Anschauung – wie auch im vorliegenden Fall – schon vor dem endgültigen Gesetzesbeschluss bereits mit der Einbringung der Neuregelung in den Bundestag abgeschwächt sein kann, wodurch sich die Zumutbarkeitsschwelle für tatbestandlich rückanknüpfende Rechtsänderungen erhöht26. Andererseits bedarf der Gesetzgeber unabhängig davon auch dann besonderer Gründe, wenn er einen aus der ursprünglichen Disposition noch nach Maßgabe alten Rechts, das heißt noch vor der Verkündung der Neuregelung erwachsenen konkreten Vermögensbestand, wie er sich im vorliegenden Fall aus dem Vollzug der Entschädigungsvereinbarung durch die Auszahlung der Entschädigung ergibt, durch tatbestandliche Rückanknüpfung (teilweise) entwertet. Insofern greift er auf einen Sachverhalt zu, der nach Maßgabe alten Rechts einen gesteigerten Grad an Abgeschlossenheit erreicht hat, wie insbesondere in den Fällen plastisch wird, in denen die Lohnsteuer nach Maßgabe alten Rechts vor der Auszahlung der Entschädigung bereits einbehalten war.

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Besondere Gründe, die die nachträgliche Belastung einer vor der Verkündung der Neuregelung bereits zugeflossenen Entschädigung rechtfertigen könnten, bestehen nicht. Auch insoweit eignen sich die allgemeinen Ziele der Umgestaltung des Steuerrechts und der Erhöhung des Steueraufkommens (zum Zwecke der Gegenfinanzierung) zur Rechtfertigung nicht. Der Rückbezug der Neuregelung auf Entschädigungen, die im Zeitpunkt der Verkündung bereits zugeflossen sind, dient auch nicht dem – grundsätzlich berechtigten – Interesse, „Ankündigungs- und Mitnahmeeffekte“ zur vermeiden. Zwar kann das Ziel, einen unerwünschten „Wettlauf“ zwischen Steuerpflichtigen und Gesetzgeber zu korrigieren, die Vorverlegung des Anwendungsbereichs einer steuerverschärfenden Regelung rechtfertigen27. Insoweit ist aber hervorzuheben, dass es grundsätzlich keinen Missbrauch darstellt, sondern zu den legitimen Dispositionen im grundrechtlich geschützten Bereich der allgemeinen (wirtschaftlichen) Handlungsfreiheit gehört, wenn Steuerpflichtige darum bemüht sind, die Vorteile geltenden Rechts mit Blick auf mögliche Nachteile einer zukünftigen Gesetzeslage für sich zu nutzen. Um Sondersituationen, in denen etwa missbräuchliche steuerliche Gestaltungen möglichst ohne Verzögerung unterbunden werden sollen oder es zu verhindern gilt, dass zukünftige Ansprüche auf offenkundig zweckwidrig gestaltete Subventionen in erheblicher Größenordnung begründet werden, geht es vorliegend nicht. Auch vergleichbare Umstände, aufgrund derer der Gesetzgeber größere Steuerausfälle durch zeitlich „vorgezogene“ Zahlungszeitpunkte hätte befürchten müssen oder tatsächlich befürchtet hat, sind nicht erkennbar. Im Gegenteil sprechen die besonderen Voraussetzungen der Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG, nämlich die „gewisse Zwangslage“, in der die Steuerpflichtigen als Empfänger der Entschädigung gehandelt haben müssen, wesentlich dagegen, dass ein dem Allgemeinwohl abträglicher, vielfacher „Wettlauf“ zwischen Steuerpflichtigen und Gesetzgeber zu befürchten war. Schließlich bestand ohnehin die Möglichkeit, in Kenntnis der Möglichkeit einer steuerverschärfenden Neuregelung den Zahlungszeitpunkt schon in das Jahr 1998 zu verlegen.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 7. Juli 2010 – 2 BvL 1/03, 2 BvL 57/06, 2 BvL 58/06

  1. BFH, Aussetzungs- und Vorlagebeschlüsse vom 06.11.2002 – XI R 42/01; vom 02.08.2006 – XI R 30/03; und vom 02.08.2006 – XI R 34/02[]
  2. BVerfG, Beschluss vom 07.07.2010 – 2 BvL 14/02, 2/04 und 13/05[]
  3. vgl. BVerfGE 97, 67, 79 m.w.N.[]
  4. vgl. BVerfGE 63, 343, 353 f.; 67, 1, 15; 72, 200, 241 f.; 97, 67, 78 f.; 114, 258, 300[]
  5. vgl. BVerfGE 63, 343, 356; 72, 200, 242; 97, 67, 79; 105, 17, 37 f.[]
  6. vgl. BVerfGE 63, 343, 357; 105, 17, 40; 114, 258, 301[]
  7. vgl. BVerfGE 63, 312, 331; 67, 1, 15; 71, 255, 272; 76, 256, 349 f.[]
  8. vgl. BVerfGE 38, 61, 83; 68, 193, 222; 105, 17, 40; 109, 133, 180 f.; BVerfG, Beschluss vom 08.12.2009 – 2 BvR 758/07, NVwZ 2010, S. 634, 640[]
  9. vgl. BVerfGE 30, 392, 404; 50, 386, 395; 67, 1, 15; 75, 246, 280; 105, 17, 37; 114, 258, 300[]
  10. vgl. BVerfGE 72, 200, 242 f.; 95, 64, 86; 101, 239, 263; 116, 96, 132; 122, 374, 394; 123, 186, 257[]
  11. vgl. BVerfGE 72, 200, 252 f.; 97, 67, 80; vgl. auch bereits BVerfGE 13, 261, 263 f., 272; 13, 274, 277 f.; 19, 187, 195; 30, 272, 285[]
  12. vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG[]
  13. vgl. BFH, Urteil vom 13.08.2003 – XI R 18/02, BStBl II 2004, S. 106 f. = BFHE 203, 420, 422[]
  14. vgl. BT-Drs. 14/443, S. 2 ff., 4, rechte Spalte, 12. Spiegelstrich[]
  15. 2 BvL 14/02, 2/04 und 13/05[]
  16. vgl. BVerfGE 13, 274, 278; 18, 135, 144[]
  17. vgl. BVerfGE 105, 17, 44 f.[]
  18. vgl. BT-Drs. 14/23, S. 183[]
  19. vgl. BGBl I S. 1093, 1102[]
  20. vgl. BGBl I S. 1267, 1268[]
  21. BGBl I S. 2590[]
  22. BGBl I S. 3682[]
  23. vgl. BVerfGE 13, 261, 273; 30, 272, 286 f.; 72, 200, 260 ff.; 95, 64, 86 f.; 97, 67, 79[]
  24. vgl. BVerfGE 72, 200, 261 f.[]
  25. vgl. auch BVerfGE 71, 230, 252; 76, 220, 246; 95, 64, 88 f.; 97, 67, 82; 122, 374, 394 ff.[]
  26. vgl. BVerfGE 71, 230, 252[]
  27. vgl. BVerfGE 95, 64, 88 f.; 97, 67, 81 f.[]