Beteiligtenwechsel nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht die Anfechtungskompetenz aus §§ 4, 11 AnfG auf den Insolvenzverwalter über. Der Rechtsstreit gegen den Duldungsbescheid des Finanzamtes wandelt sich in eine Leistungsklage gegen den mit dem Duldungsbescheid in Anspruch genommenen bisherigen Kläger. Der Insolvenzverwalter übernimmt die Rolle des Klägers. Die zunächst als Anfechtungsklage gegen den Duldungsbescheid erhobene, dem Finanzrechtsweg zugewiesene Klage ist auch nach Übernahme durch den Insolvenzverwalter vom Finanzgericht zu entscheiden. Eine Verweisung kommt nicht in Betracht.

Beteiligtenwechsel nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Gemäß § 17 Abs. 1 GVG wird die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt. Während der Rechtshängigkeit kann die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. Deshalb hat das Finanzgericht über die zunächst als Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO) gegen den auf § 191 Abs. 1 AO gestützten Duldungsbescheid erhobene und damit dem Finanzrechtsweg zugewiesene Klage (§ 33 Abs. 1 und 2 FGO) selbst in der Sache zu entscheiden, obwohl sich die Rechtsnatur des Verfahrens durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens von einer öffentlich-rechtlichen in eine zivilrechtliche Streitigkeit gewandelt hat.

Das Finanzgericht hat die Beteiligten des finanzgerichtlichen Verfahrens auszuwechseln:

§ 17 Abs. 1 AnfG regelt den Fortgang eines Verfahrens über den Anfechtungsanspruch, der im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch rechtshängig ist. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 AnfG wird das Verfahren unterbrochen und der vom AG bestellte Insolvenzverwalter ist nach § 17 Abs. 1 Satz 2 AnfG zur Aufnahme dieses Verfahrens berechtigt.

Weiterlesen:
Nichtzulassungsbeschwerde - und der erbetene gerichtliche Hinweis

Die Vorschrift gilt –jedenfalls entsprechend– auch für den Rechtsstreit über die Anfechtungsklage gegen den Duldungsbescheid. Denn mit dem Duldungsbescheid verfolgte das Finanzamt seinen Anspruch aus § 11 i.V.m. § 4 AnfG – hier: die Rückgewähr des aus der Abtretung der Forderung auf Arbeitsentgelt des Ehemannes durch den Sicherungsabtretungsvertrag Erlangten. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist dieser Einzelgläubigeranfechtungsanspruch aus § 11 AnfG erloschen, der Anfechtungsanspruch gehört nunmehr zur Insolvenzmasse. Der Insolvenzverwalter ist nach § 16 Abs. 1 Satz 1 AnfG berechtigt, die von den Insolvenzgläubigern erhobenen Anfechtungsansprüche zu verfolgen, wenn über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet wird1.

Zwar tritt der Insolvenzverwalter nicht in die Beteiligtenstellung des Finanzamt; er kann nicht als Beklagter für die Bestätigung des Duldungsbescheids kämpfen. Denn die Durchsetzung eines Anfechtungsanspruchs durch Duldungsbescheid nach § 191 AO ist als hoheitliche Maßnahme dem Finanzamt vorbehalten. Er muss vielmehr einen vollstreckbaren Titel für die Insolvenzmasse erst erwirken, d.h. ggf. im Klageverfahren als Kläger erstreiten.

Einen Wechsel in der Beteiligtenstellung nach Aufnahme eines Rechtsstreits durch den Insolvenzverwalter hat der Bundesfinanzhof bereits im Urteil vom 13. November 20072 angenommen. In jenem Verfahren hatte sich ein ursprünglich gegen die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheids gerichtetes Anfechtungsverfahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Haftungsschuldners und Aufnahme des unterbrochenen Rechtsstreits durch das Finanzamt in ein Insolvenzfeststellungsverfahren gewandelt, mit dem das Finanzamt gegenüber dem Insolvenzverwalter die Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle betreiben konnte. Das Finanzamt wechselte von der Rolle des Beklagten in die Klägerrolle, der Rechtsstreit um die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids nach der AO wandelt sich in einen solchen über die Feststellung der Forderung zur Tabelle nach der Insolvenzordnung.

Weiterlesen:
Der Streit ums Kindergeld - und die Insolvenz des Vaters

Anders als der Haftungsanspruch in jenem Verfahren richtet sich der Anfechtungsanspruch im vorliegenden Rechtsstreit aber nicht gegen den späteren Insolvenzschuldner, sondern gegen einen Dritten. Gleichwohl geht die Anfechtungskompetenz mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes auf den Insolvenzverwalter über (§ 16 Abs. 1 Satz 1 AnfG). Aufgabe des Insolvenzverwalters ist hier nicht, einen Anspruch gegen die Insolvenzmasse abzuwehren, sondern im Gegenteil einen Anspruch der Masse durchzusetzen. Der Kompetenzwechsel führt aber zu keiner anderen prozessrechtlichen Stellung als sie der frühere Gläubiger innehatte, der Insolvenzverwalter rückt in dessen Beteiligtenstellung ein.

Im vereinfachten (Verbraucher-)Insolvenzverfahren (§§ 311 ff. InsO) bleibt der bisherige Gläubiger weiterhin für die Verfolgung der Anfechtungsansprüche zuständig (nach § 313 Abs. 2 InsO für solche nach der InsO und in entsprechender Anwendung des § 313 Abs. 2 InsO auch für solche nach dem AnfG, sie gehen nicht auf den Treuhänder über3). Für dieses vereinfachte Verfahren hat der Bundesfinanzhof die Beteiligtenrollen bestimmt4 bestimmt: Das Finanzamt hatte einen Anfechtungsanspruch durch Duldungsbescheid geltend gemacht. Während des gegen diesen Duldungsbescheid betriebenen (Einspruchs-)Verfahrens war das vereinfachte Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen eröffnet worden. Der Bundesfinanzhof entschied, dass das Finanzamt das Rechtsbehelfsverfahren als Anspruchsteller aufnehmen könne (mit der Maßgabe, dass der Anfechtungsanspruch –infolge des Erlöschens des Einzelgläubigeranfechtungsanspruchs nach § 11 AnfG– nunmehr zur Insolvenzmasse gehört und das Finanzamt durch Zustellung eines beim Insolvenzgericht nach § 250 der Zivilprozessordnung einzureichenden Schriftsatzes5 anzeigt, dass es als Gläubiger das Verfahren nunmehr „fremdnützig“ zugunsten der Masse fortführen möchte).

Weiterlesen:
Eigenkapitalersatz in Altfällen

Wenn im (normalen) Insolvenzverfahren der Insolvenzverwalter nach §§ 16, 17 AnfG berechtigt ist, den vom Finanzamt als Insolvenzgläubiger erhobenen Anfechtungsanspruch zu verfolgen und ein rechtshängiges Verfahren aufzunehmen, wenn also lediglich ein Parteiwechsel vom Finanzamt auf den Insolvenzverwalter vorgesehen ist, kann das an den oben dargestellten verfahrensrechtlichen Folgen einer Aufnahme des Verfahrens nichts ändern. Der Insolvenzverwalter übernimmt anstelle des Finanzamt die Rolle des Anspruchstellers bzw. Klägers.

Der Umstand, dass die vormalige Klägerin wegen des Wechsels ihrer Beteiligtenstellung nunmehr gehindert war, die Klage gegen den Duldungsbescheid zurückzunehmen, ist verfahrensrechtlich unbeachtlich. Denn es hätte ihr jederzeit freigestanden, den nunmehr vom Insolvenzverwalter verfolgten Anspruch anzuerkennen.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 18. September 2012 – VII R 14/11

  1. vgl. BFH, Beschluss vom 30.08.2010 – VII B 83/10, BFH/NV 2010, 2298 zum Verbraucherinsolvenzverfahren; BFH, Urteil vom 29.03.1994 – VII R 120/92, BFHE 174, 295, BStBl II 1995, 225[]
  2. BFH, Ureil vom 13.11.2007 – VII R 61/06, BFHE 220, 289, BStBl II 2008, 790[]
  3. vgl. dazu BGH, Urteil vom 03.12.2009 – IX ZR 29/08, WM 2010, 269[]
  4. BFH, Beschluss in BFH/NV 2010, 2298[]
  5. vgl. zu diesem Erfordernis BGH, Urteil in WM 2010, 269[]