Im Rahmen einer Außenprüfung kann die Finanzverwaltung die Herausgabe digitalisierter Steuerdaten zur Speicherung und Auswertung auf mobilen Rechnern der Prüfer nur verlangen, wenn Datenzugriff und Auswertung in den Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen oder in den Diensträumen der Finanzverwaltung stattfinden.

Eine Speicherung von Daten über den tatsächlichen Abschluss der Prüfung hinaus ist durch § 147 Abs. 6 Satz 2 AO nur gedeckt, soweit und solange die Daten noch für Zwecke des Besteuerungsverfahrens (z.B. bis zum Abschluss etwaiger Rechtsbehelfsverfahren) benötigt werden.
§ 147 Abs. 6 Satz 2 AO gibt der Finanzverwaltung mithin nicht das Recht, die ihr im Rahmen einer Außenprüfung in digitaler Form überlassenen Daten über den Zeitraum der Prüfung hinaus auf Rechnern außerhalb der behördlichen Diensträume zu speichern.
Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall hatte das Finanzamt im Rahmen einer Außenprüfung bei dem Kläger, einem selbständig tätigen Steuerberater, mit der Prüfungsanordnung die Gewinnermittlungen sowie zu deren Prüfung die Steuerdaten in digitaler Form auf einem maschinell verwertbaren Datenträger angefordert. Dagegen erhob der Steuerberater nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage: Das Finanzamt dürfe diese Daten nicht -wie angekündigt- über die Prüfung hinaus bis zur Bestandskraft von nach der Außenprüfung erlassenen Bescheiden auf dem (mobilen) Rechner des Prüfers speichern. Das Finanzgericht Baden-Württemberg wies die Klage ab1, dagegen folgte jetzt der Bundesfinanzhof der Rechtsauffassung des klagenden Steuerberaters:
Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss der Gefahr missbräuchlicher Verwendung der Daten (z.B. wenn Daten außerhalb der Geschäftsräume des Steuerpflichtigen oder der Diensträume der Behörde infolge eines Diebstahls des Prüfer-Notebooks in fremde Hände geraten) angemessen Rechnung getragen werden. Dieser Anforderung ist ohne nennenswerte Beeinträchtigung einer rechnergestützten Außenprüfung nur dann entsprochen, wenn die Daten des Steuerpflichtigen nur in seinen Geschäftsräumen oder an Amtsstelle erhoben und verarbeitet werden sowie nach Abschluss der Außenprüfung nur noch in den Diensträumen der Finanzverwaltung gespeichert bzw. aufbewahrt werden, soweit und solange sie für Zwecke des Besteuerungsverfahrens (z.B. bis zum Abschluss etwaiger Rechtsbehelfsverfahren) benötigt werden.
Die räumliche Beschränkung des Datenzugriffs folgt zudem eindeutig aus dem Wortlaut des § 200 Abs. 2 AO und des § 6 der Betriebsprüfungsordnung 2000, wonach der Steuerpflichtige die prüfungsrelevanten Unterlagen nur in seinen Geschäftsräumen, notfalls auch in seinen Wohnräumen oder an Amtsstelle vorzulegen hat und ein anderer Prüfungsort nur ausnahmsweise in Betracht kommt.
Die angefochtene Prüfungsanordnung war daher in der Weise zu ändern, dass im Anschluss an den Satz „Zur Prüfung werden die Daten in digitaler Form auf einem maschinell verwertbaren Datenträger, entsprechend den Grundsätzen zum Datenzugriff zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU), benötigt (§ 147 Abs. 6 Satz 2 AO).“ folgender Satz ergänzt wird: „Die Herausgabe erfolgt nur zur Speicherung und Auswertung auf dem Rechner des Prüfers während der Prüfung in Ihren Geschäftsräumen oder zur Mitnahme durch den Prüfer für die Speicherung und Auswertung der Daten auf einem Rechner in den Diensträumen des Finanzamtes.“
Zu Unrecht hat das Finanzgericht aus § 147 Abs. 6 Satz 2 AO das Recht der Finanzverwaltung entnommen, aufgrund einer entsprechenden Prüfungsanordnung die ihr im Rahmen einer Außenprüfung in digitaler Form überlassenen Daten über den Zeitraum der Prüfung hinaus auf Rechnern außerhalb der Diensträume der Finanzverwaltung zu speichern.
Nach der Rechtsprechung können die Finanzbehörden auch bei Mittel, Klein- und Kleinstbetrieben von Freiberuflern eine sog. Anschlussprüfung vornehmen2.
Dabei findet die Ermessensentscheidung über die Anordnung einer Außenprüfung in dem Willkür- und Schikaneverbot eine rechtliche Grenze3.
Im Zusammenhang einer solchen Außenprüfung stehen der Finanzverwaltung die Befugnisse aus § 147 Abs. 6 AO auch bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG -wie im Streitfall- in Bezug auf alle Unterlagen zu, die der Steuerpflichtige nach § 147 Abs. 1 AO aufzubewahren hat. Dies umfasst insbesondere das Recht der Finanzverwaltung, die Überlassung der gespeicherten Unterlagen und Aufzeichnungen auf einem maschinell verwertbaren Datenträger nach § 147 Abs. 6 Satz 2 Alternative 2 AO zu verlangen4.
Diesem Datenzugriff steht grundsätzlich das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht entgegen.
Auch wenn das Bundesverfassungsgericht den Zugriff auf Daten bei Berufsgeheimnisträgern besonderen verfassungsrechtlichen Grenzen unterworfen hat5, bleibt auch der freiberuflich tätige Steuerpflichtige ungeachtet seiner Pflicht zur Wahrung des Berufsgeheimnisses auf der Grundlage des § 200 Abs. 1 Satz 2 AO zur Mitwirkung verpflichtet.
Dies beruht im Wesentlichen darauf, dass
- das Steuergeheimnis (§ 30 AO) uneingeschränkt für die auf Grund des Datenzugriffs gewonnenen Informationen gilt,
- im Falle der Datenträgerüberlassung die zur Auswertung überlassenen Datenträger spätestens nach Bestandskraft der auf Grund der Außenprüfung ergangenen Bescheide an den Steuerpflichtigen zurückzugeben oder zu löschen sind und
- dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt wird, nicht relevante oder dem Berufsgeheimnis unterliegende Daten Zugriffsbeschränkungen zu unterwerfen, um damit sicherzustellen, dass die Außenprüfung auf diese Daten nicht zugreifen kann6.
Dementsprechend hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass das Finanzamt auch bei Berufsgeheimnisträgern die Vorlage derjenigen Steuerunterlagen verlangen kann, aus denen nach Anonymisierung die Identität der Mandanten und die Tatsache ihrer Beratung nicht zu ersehen sind7. Dies steht mit der Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 113, 29 in Einklang, weil der Zugriff auf anonymisierte Daten nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit das legitime Interesse der Finanzverwaltung an der Verifikation des Sachverhalts umsetzt und nicht übermäßig in Rechte des Steuerpflichtigen eingreift8.
Indessen gebietet es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die Finanzverwaltung in Ausübung ihres legitimen Interesses an einer Überlassung digitalisierter Daten im Rahmen der Außenprüfung nicht übermäßig in Rechte des Steuerpflichtigen eingreift und deshalb ihre Befugnisse aus § 147 Abs. 6 AO nur in dem durch die Zwecke der Außenprüfung gebotenen zeitlichen und sachlichen Umfang unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Steuerpflichtigen am Schutz ihrer persönlichen Daten ausübt.
Nach diesen Grundsätzen war die angefochtene Prüfungsanordnung unrechtmäßig:
Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO lagen allerdings vor; ebenso war im Streitfall nach den für den Bundesfinanzhof nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Finanzgericht kein Anhaltspunkt für willkürliche Motive beim Erlass der -sachlich mit dem Rechtsformwechsel begründeten- Prüfungsanordnung gegeben9.
Die datenschutzrechtlichen Einwendungen des Steuerberaters sind auch entscheidungserheblich: Auf der Grundlage der obigen Ausführungen war der Steuerberater zwar nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs10 und auch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts11 zur Mitwirkung durch Überlassung der Datenträger verpflichtet.
Gleichwohl gebietet es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung der Daten Rechnung zu tragen und nach Möglichkeit auszuschließen, dass die Daten außerhalb der Geschäftsräume des Steuerpflichtigen oder der Diensträume der Finanzverwaltung z.B. infolge eines Diebstahls des Prüfer-Notebooks in fremde Hände geraten können. Dieses Bedürfnis ist ohne nennenswerte Beeinträchtigung einer rechnergestützten Außenprüfung angemessen berücksichtigt, wenn die Daten des Steuerpflichtigen nur in seinen Geschäftsräumen oder an Amtsstelle erhoben und verarbeitet werden und wenn nach dem tatsächlichen Abschluss der Außenprüfung die nach § 146 Abs. 6 AO überlassenen Daten bzw. die entsprechenden Datenträger nur noch in den Diensträumen der Finanzverwaltung gespeichert bzw. aufbewahrt werden, soweit und solange sie noch für Zwecke des Besteuerungsverfahrens (z.B. bis zum Abschluss etwaiger Rechtsbehelfsverfahren) benötigt werden. Für die Zeit nach Abschluss der Außenprüfung ist ein weitergehendes Interesse der Finanzverwaltung an der Speicherung der Daten auf mobilen Rechnern ersichtlich nicht mehr höher zu bewerten als das Interesse der Steuerpflichtigen an der Sicherheit ihrer Steuerdaten.
Die räumliche Beschränkung des Datenzugriffs folgt zudem eindeutig aus dem Wortlaut des § 200 Abs. 2 AO und des § 6 BpO 2000, wonach der Steuerpflichtige die prüfungsrelevanten Unterlagen nur in seinen Geschäftsräumen, notfalls auch in seinen Wohnräumen oder an Amtsstelle vorzulegen hat. Ein anderer Prüfungsort kommt nur ausnahmsweise in Betracht. Nach der gesetzlichen Regelung besteht danach keine Ermächtigung für die Finanzverwaltung, die Herausgabe digitalisierter Steuerdaten auf mobile Rechner des Prüfers zur Verwendung außerhalb der Geschäftsräume oder ihrer Diensträume zu verlangen.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 16. Dezember 14 VIII R 52/12
- FG Baden-Württemberg, Urteil vom 07.11.2012 – 14 K 554/12[↩]
- BFH, Beschluss vom 14.03.2006 – IV B 14/05, BFH/NV 2006, 1253 zur Anschlussprüfung bei einer Steuerberaterin, unter Bezugnahme auf den BFH, Beschluss vom 20.10.2003 – IV B 67/02, BFH/NV 2004, 311, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 28.09.2011 – VIII R 8/09, BFHE 235, 298, BStBl II 2012, 395[↩]
- BFH, Urteil vom 24.06.2009 – VIII R 80/06, BFHE 225, 302, BStBl II 2010, 452, unter Bezugnahme auf den BFH, Beschluss vom 26.09.2007 – I B 53, 54/07, BFHE 219, 19, BStBl II 2008, 415[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 12.04.2005 2 BvR 1027/02, BVerfGE 113, 29[↩]
- vgl. Schaumburg, DStR 2002, 828, 836; Drüen, StuW Wirtschaft 2003, 205, 216: Grundrecht auf Datenschutz formell durch die neuen Vorschriften zur digitalen Außenprüfung in zulässiger Weise beschränkt[↩]
- BFH, Urteil vom 28.10.2009 – VIII R 78/05, BFHE 227, 338, BStBl II 2010, 455[↩]
- BFH, Urteil vom 08.04.2008 – VIII R 61/06, BFHE 220, 313, BStBl II 2009, 579[↩]
- vgl. dazu BFH, Urteil in BFHE 235, 298, BStBl II 2012, 395; zu den Begründungsanforderungen vgl. BFH, Urteil vom 20.10.1988 – IV R 104/86, BFHE 155, 4, BStBl II 1989, 180, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteile in BFHE 220, 313, BStBl II 2009, 579, sowie in BFHE 227, 338, BStBl II 2010, 455[↩]
- BVerfG, Beschluss in BVerfGE 113, 29[↩]