Nach § 116 Abs. 6 FGO kann der Bundesfinanzhof (BFH) das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vorliegen. Ein Verfahrensfehler im Sinne der letztgenannten Vorschrift liegt vor, wenn das Urteil „nicht mit Gründen versehen ist“ (§ 119 Nr. 6 FGO).

Dies war hier der Fall:
Der Verfahrensmangel nach § 119 Nr. 6 FGO liegt nur vor, wenn die Urteilsgründe ganz oder zum Teil fehlen und sie den Prozessbeteiligten keine Kenntnis darüber vermitteln, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Überlegungen das Urteil beruht. Dies erfordert nicht, dass jedes Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen erörtert werden müsste; vielmehr liegt dieser Verfahrensmangel erst dann vor, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Dagegen ist ein dahingehender Verfahrensmangel nicht gegeben, wenn noch zu erkennen ist, welche Überlegungen für das Gericht maßgeblich waren1. Anerkannt ist, dass das Finanzgericht auf andere eigene Entscheidungen Bezug nehmen darf2. Dies ist der Fall, wenn beide Entscheidungen zwischen den Beteiligten ergangen, gleichzeitig verkündet und am gleichen Tag zugestellt worden sind3. Auch eine Bezugnahme des Finanzgericht in seinem Urteil auf die Einspruchsentscheidung des Finanzamt nach § 105 Abs. 5 FGO ist möglich und ausreichend, wenn das Finanzamt in dieser Entscheidung bereits zu allen vom Kläger im Klageverfahren vorgebrachten entscheidungserheblichen Einwendungen Stellung genommen hat4.
Ausweislich des Tatbestands des finanzgerichtlichen Urteils hat sich der Kläger hier neben der Berücksichtigung eines Verlustrücktrags aus dem Jahr 2011 in einer solchen Höhe, dass sich eine Einkommensteuerfestsetzung auf 0 EUR ergebe, auch (ausdrücklich) gegen die Erhöhung des Gewinns aus Gewerbebetrieb um den hinzugeschätzten Kassenfehlbetrag gewandt. Zu diesem Klagegegenstand schweigt das Finanzgericht, Urteil. Soweit es auf den Verlustrücktrag aus dem Jahr 2011 eingeht, erläutert das Finanzgericht nur, warum § 10d Abs. 1 Satz 3 EStG einen höheren Verlustrücktrag, wie vom Kläger begehrt, hier nicht möglich mache und verweist insoweit auf den Änderungsrahmen nach § 177 Abs. 1 AO. Bezugnahmen auf andere Finanzgericht, Entscheidungen zwischen den Beteiligten oder die Einspruchsentscheidung hinsichtlich der Höhe der Kassendifferenzen in den Folgejahren enthält das Finanzgericht, Urteil nicht.
Ein Eingehen auf die Höhe der Gewinnschätzung im Streitjahr wäre aber erforderlich gewesen, um dem Kläger so nicht nur die Möglichkeit zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Hinzuschätzung zu geben, sondern es ihm auch zu ermöglichen das Volumen seines Verlustrücktrags zu bestimmen. Denn anders als im Fall eines Verlustvortrags wird über den nach § 10d Abs. 1 EStG als Verlustrücktrag abgezogenen Betrag nicht im Feststellungsverfahren nach § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG entschieden, das (erstmals) im Jahr der Verlustentstehung durchzuführen ist, sondern im Rahmen der Entscheidung zur Höhe des Gesamtbetrags der Einkünfte des Rücktragsjahres.
Vorliegend war im Rahmen der streitigen Einkommensteuerfestsetzung über die Höhe des Verlustrücktrags zu entscheiden. Eine solche Entscheidung setzte voraus, dass sich das Finanzgericht über die Höhe des Gesamtbetrags der Einkünfte Klarheit verschaffte. Insoweit musste es über die Höhe der Gewinnschätzung entscheiden, unabhängig von dem Änderungsrahmen des § 177 Abs. 1 AO. Dies musste das Finanzgericht in den Entscheidungsgründen den Beteiligten darlegen und erläutern. Da solches hier nicht geschah, ist das Finanzgericht, Urteil insoweit ohne Gründe i.S. des § 119 Nr. 6 FGO.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 9. Februar 2017 – X B 49/16