Das von der Rechtsnachfolgerin einer vollbeendeten Personengesellschaft eingelegte Rechtsmittel

Die für den Fall des Rechtsmittels einer vollbeendeten Personengesellschaft gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid entwickelten Auslegungsgrundsätze (sog. Spiegelbildbetrachtung) gelten auch dann, wenn ein entsprechendes Rechtsmittel von der Rechtsnachfolgerin einer vollbeendeten Personengesellschaft eingelegt worden ist. Ergibt die Auslegung, dass nicht alle nunmehr klagebefugten Gesellschafter als Rechtsmittelführer in Betracht kommen, sind die übrigen -soweit sie durch die streitgegenständliche(n) Feststellung(en) beschwert sind- zum Verfahren hinzuzuziehen bzw. notwendig beizuladen.

Das von der Rechtsnachfolgerin einer vollbeendeten Personengesellschaft eingelegte Rechtsmittel

So auch in dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall: Der Bundesfinanzhof legt die gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 1995 für die A-KG eingelegte Klage und Revision rechtsschutzgewährend dahin aus, dass sie von der im Wege einer formwechselnden Umwandlung aus der H-KG als im Streitjahr an der A-KG beteiligter ehemaliger Kommanditistin hervorgegangenen AG eingelegt worden sind. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist nämlich im Zweifel davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige denjenigen Rechtsbehelf hat einlegen wollen, der seinem materiell-rechtlichen Begehren am ehesten zum Erfolg verhilft1. Auch die Bezeichnung des Beteiligten in der Revisionsschrift muss für die Beteiligtenstellung nicht in jedem Fall ausschlaggebend sein2.

Nach den Feststellungen des Finanzgericht wurde die A-KG im Jahr 2006 auf die bislang als Klägerin und Revisionsklägerin bezeichnete B-KG verschmolzen. Die Verschmelzung einer Personengesellschaft als übertragender Rechtsträger auf eine andere Personengesellschaft als übernehmender Rechtsträger hat gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes 1995 (UmwG 1995) zur Folge, dass das Vermögen der übertragenden Gesellschaft mit Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister der übernehmenden Gesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf diese übergeht. Zugleich erlischt die übertragende Gesellschaft (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG 1995), d.h. sie wird ohne Liquidation vollbeendet3.

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Erlischt eine Personengesellschaft durch Vollbeendigung ohne Abwicklung, kann nach ständiger Rechtsprechung des BFH ein Gewinnfeststellungsbescheid nur noch von den früheren Gesellschaftern angefochten werden, deren Mitgliedschaft die Zeit berührt, die der anzufechtende Gewinnfeststellungsbescheid betrifft4. Die aus § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO folgende Befugnis der Personengesellschaft, in Prozessstandschaft für ihre Gesellschafter Rechtsbehelfe gegen die Gewinnfeststellungsbescheide einzulegen, endet mit deren Vollbeendigung. Insoweit lebt die bis zum Zeitpunkt der Vollbeendigung überlagerte Klagebefugnis der einzelnen Gesellschafter wieder auf5. Die Klagebefugnis geht deshalb -anders als etwa bei einer Klage gegen einen Gewerbesteuermessbescheid6- auch nicht auf den Gesamtrechtsnachfolger der Personengesellschaft über7. Dies gilt auch, wenn -wie im Streitfall- eine Personengesellschaft auf eine andere Personengesellschaft verschmolzen wird.

Nach diesen Maßstäben ist die B-KG als Gesamtrechtsnachfolgerin der A-KG, in deren Namen im Jahr 2004 Einspruch gegen den angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid eingelegt worden ist, nicht klagebefugt. Gleichwohl können Klage und Revision als solche der H-KG -nach deren formwechselnder Umwandlung im Jahr 2001 einer AG- als ehemaliger, an der streitbefangenen Gewinnfeststellung beteiligter Kommanditistin der A-KG ausgelegt werden.

Der Bundesfinanzhof ist wiederholt von der Zulässigkeit einer Klage ausgegangen, die namens einer vollbeendeten Personengesellschaft eingelegt worden ist, wenn das Rubrum der Klageschrift spiegelbildlich dem -unzutreffenden- Rubrum der Einspruchsentscheidung entspricht, das die Gesellschaft fehlerhaft als Inhaltsadressatin aufführt, obwohl dem Finanzamt bereits im Zeitpunkt des Erlasses die Vollbeendigung der Personengesellschaft bekannt gewesen sein muss, und sich die Einspruchsentscheidung damit auf einen gegenüber den ehemaligen Gesellschaftern ergangenen Gewinnfeststellungsbescheid bezieht8. Dies hat der Bundesfinanzhof u.a. damit begründet, dass Einspruchsführer bei zutreffender Auslegung nur diejenigen sein konnten, an die nach Eintritt der Vollbeendigung der Feststellungsbescheid zu richten war und die im Feststellungsbescheid aufgeführt waren9.

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Der Streitfall stimmt mit der vorgenannten Situation darin überein, dass das Finanzamt in Kenntnis der -hier während des Einspruchsverfahrens eingetretenen- Vollbeendigung einer Personengesellschaft (A-KG) seine Einspruchsentscheidung wegen Gewinnfeststellung u.a. für das Jahr 1995 nicht an die betroffenen ehemaligen Gesellschafter gerichtet hat. Er unterscheidet sich aber dadurch, dass das Rubrum der im Streitfall ergangenen Einspruchsentscheidung vom 06.02.2007 wegen Gewinnfeststellung (auch) für das Streitjahr nicht fehlerhaft die vollbeendete A-KG selbst als Einspruchsführerin benennt, sondern vielmehr -allerdings auch insoweit unzutreffend- die B-KG „als Gesamtrechtsnachfolgerin“ der A-KG. In den Gründen ist zugleich ausgeführt, dass die B-KG mit Wirkung vom …2006 das Vermögen der A-KG im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übernommen habe.

Die vom Bundesfinanzhof entwickelte Spiegelbildbetrachtung kann gleichwohl auch im Streitfall zur Anwendung kommen.

Auch bei einer nach Vollbeendigung der Personengesellschaft während des Einspruchsverfahrens unzutreffend gegen den Gesamtrechtsnachfolger dieser Personengesellschaft gerichteten Einspruchsentscheidung rechtfertigt der Umstand, dass das Rubrum der Klageschrift das fehlerhafte Rubrum der Einspruchsentscheidung spiegelbildlich fortführt, eine rechtsschutzgewährende Auslegung der Klageschrift dahingehend, dass bei richtiger Handhabung, d.h. ohne die spiegelbildliche Wiedergabe des vom Finanzamt fehlerhaft veranlassten Rubrums der Einspruchsentscheidung, ein oder mehrere von dem angegriffenen Gewinnfeststellungsbescheid betroffene ehemalige Gesellschafter Klage erhoben hätten. Denn Einspruchsführer und Kläger kann bei zutreffender Auslegung auch in der Situation, dass eine Einspruchsentscheidung fehlerhaft an den Gesamtrechtsnachfolger einer vollbeendeten Personengesellschaft gerichtet wird, nur derjenige sein, der im Gewinnfeststellungsbescheid als Feststellungsbeteiligter aufgeführt war und an den nach Eintritt der Vollbeendigung dieser Feststellungsbescheid zu richten gewesen wäre. Entsprechendes gilt für die Auslegung der Revisionsschrift, in der das vom Finanzamt veranlasste; und vom Finanzgericht fortgeführte fehlerhafte Rubrum weiterhin verwendet wird.

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Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass als Einspruchsführer und dem nachfolgend als Kläger mehrere Gesellschafter oder auch nur einer in Betracht kommen10. Zu den Mindestanforderungen, die bereits bis zum Ablauf der Klagefrist vorliegen müssen, damit die Klageschrift als fristwahrende Erhebung einer Klage gewertet werden kann, gehört zwar zunächst die Bezeichnung des Klägers bzw. der Kläger. Dies schließt jedoch nicht aus, dass eine nicht eindeutige Bezeichnung des Klägers entsprechend den für Willenserklärungen geltenden Grundsätzen vom Finanzgericht und von der Revisionsinstanz ausgelegt werden kann. Bei dieser -nach der Verständnismöglichkeit des Empfängers- vorzunehmenden Auslegung sind zur Bestimmung des in der Rechtsbehelfsschrift genannten Klägers alle dem Finanzgericht und dem Finanzamt bekannten oder vernünftigerweise erkennbaren Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art zu berücksichtigen11.

Nach diesen Maßstäben trifft die Annahme, dass ohne spiegelbildliche Übernahme des fehlerhaften Rubrums der Einspruchsentscheidung ein ehemaliger, durch die streitbefangene Feststellung beschwerter Gesellschafter als Kläger bezeichnet worden wäre, jedenfalls auf die ehemalige, im Streitjahr noch so bezeichnete H-KG (nach späterer Umwandlung in der Rechtsform einer AG) als frühere Kommanditistin der A-KG zu. Diese ist nach dem Vortrag der Bevollmächtigten im Revisionsverfahren nach der Verschmelzung der A-KG auf die B-KG auch noch Kommanditistin der B-KG gewesen. Dies sowie der Umstand, dass das fehlerhafte Rubrum der Klageschrift (nur) eine Personengesellschaft als Klägerin benennt, rechtfertigt die Auslegung, dass jedenfalls die „richtige“ Gesellschaft hätte klagen sollen. Soweit hingegen die Komplementär-GmbH der A-KG nach den Feststellungen der Außenprüfung nicht am Vermögen der A-KG beteiligt war, kann diese durch die angefochtene Gewinnfeststellung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt betroffen sein12. Anhaltspunkte für eine Auslegung, dass auch für die (zuletzt) im Streitjahr an der A-KG als weitere Kommanditisten beteiligten, durch die angegriffene Gewinnfeststellung beschwerten natürlichen Personen -davon einige ausweislich des angefochtenen Feststellungsbescheids als nicht näher bezeichnete Erben eines Kommanditisten der A-KG- hätte Klage erhoben werden sollen, ergeben sich nicht; solche Gesellschafter wären aber noch im Wege einer notwendigen Beiladung nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO am Verfahren zu beteiligen (§ 57 Nr. 3 FGO).

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Der vom Finanzgericht übergangene Beweisantrag

Ausgehend von der dargelegten (alleinigen) Klagebefugnis der von der streitbefangenen Gewinnfeststellung betroffenen ehemaligen Gesellschafter der A-KG sind die im Streitjahr neben der H-KG an der A-KG beteiligten Kommanditisten zum Klageverfahren nach § 60 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 48 Abs. 1 Nr. 2 bzw. Nr. 5 FGO notwendig beizuladen. Soweit nach bisheriger Aktenlage die ehemalige Komplementär-GmbH der A-KG -wie dargelegt- nicht betroffen sein kann, ist ihre Beiladung entbehrlich. Eine unterbliebene notwendige Beiladung stellt einen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens dar. Die Vorschriften über die notwendige Beiladung regeln eine unverzichtbare Sachentscheidungsvoraussetzung, die vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen ist13.

§ 123 Abs. 1 Satz 2 FGO eröffnet zwar dem BFH die Möglichkeit, eine notwendige Beiladung im Revisionsverfahren nachzuholen14. Der Bundesfinanzhof übt dieses Ermessen jedoch dahingehend aus, die unterbliebene Beiladung nicht nachzuholen und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen. Dies ist im Streitfall zweckmäßig und ermessensgerecht. Die betroffenen Gesellschafter der A-KG hatten bisher weder im Einspruchs- noch im Klageverfahren die Möglichkeit, sich zu dem angegriffenen Feststellungsbescheid in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern15. Hinzu kommt, dass die Sache auch im Fall einer nachgeholten Beiladung nicht entscheidungsreif wäre und das Verfahren zur Nachholung weiterer Feststellungen ohnehin an das Finanzgericht zurückverwiesen werden müsste16.

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Leistungsempfänger eines Rückforderungsanspruchs

Bundesfinanzhof, Urteil vom 28. November 2019 – IV R 54/16

  1. z.B. BFH, Urteil vom 01.07.2004 – IV R 4/03, BFH/NV 2005, 162, unter 2.a, m.w.N.[]
  2. näher z.B. BFH, Urteil vom 22.02.2018 – VI R 17/16, BFHE 260, 532, BStBl II 2019, 496, Rz 14 ff., m.w.N.[]
  3. z.B. BFH, Urteil vom 20.09.2018 – IV R 39/11, BFHE 262, 393, BStBl II 2019, 131, Rz 19[]
  4. z.B. BFH, Beschluss vom 13.02.2018 – IV R 37/15, Rz 22, m.w.N.[]
  5. z.B. BFH, Urteile in BFH/NV 2005, 162, unter 2.a; vom 22.01.2015 – IV R 62/11, Rz 12; in BFHE 262, 393, BStBl II 2019, 131, Rz 19, m.w.N.[]
  6. vgl. BFH, Urteil vom 22.01.2015 – IV R 62/11, Rz 13[]
  7. z.B. BFH, Beschlüsse vom 30.05.2017 – IV B 20/17, Rz 17; vom 13.06.2019 – VIII B 146/18, Rz 6[]
  8. vgl. BFH, Beschluss vom 06.05.1998 – IV B 108/97, BFH/NV 1999, 146, unter 1.a aa; BFH, Urteile in BFH/NV 2005, 162, unter 2.a; vom 22.01.2015 – IV R 62/11, Rz 18[]
  9. BFH, Urteil in BFH/NV 2005, 162, unter 2.a[]
  10. BFH, Urteil in BFH/NV 2005, 162, unter 2.a, m.w.N.[]
  11. BFH, Beschluss in BFH/NV 1999, 146, unter 1.a aa, m.w.N.[]
  12. vgl. z.B. BFH, Urteil vom 09.02.2011 – IV R 37/08, Rz 17, dort bzgl. einer notwendigen Beiladung[]
  13. z.B. BFH, Urteil vom 12.05.2016 – IV R 27/13, Rz 17, m.w.N.[]
  14. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteil vom 04.09.2014 – IV R 44/13, Rz 14, m.w.N.[]
  15. vgl. z.B. BFH, Urteile vom 19.01.2017 – IV R 5/16, Rz 16 f.; vom 06.06.2019 – IV R 7/16, BFHE 265, 147, BStBl II 2019, 513, Rz 20[]
  16. vgl. auch BFH, Urteil vom 04.09.2014 – IV R 44/13, Rz 15[]
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Entscheidung über Richterablehnung als Verfahrensmangel