Allgemeinkosten bei teilweise steuerfreien Einkünften

Wie sind nicht direkt zurechenbaren Allgemeinkosten zu den inländischen (steuerpflichtigen) und ausländischen (steuerfreien) Einnahmen zuzuordnen? Mit dieser Frage musste sich aktuell das Niedersächsische Finanzgericht in Hannover befassen.

Allgemeinkosten bei teilweise steuerfreien Einkünften

Art und Höhe der inländischen Einkünfte sind ausschließlich nach den Regelungen des EStG zu ermitteln. Von der inländischen Einkommensteuer werden nach § 2 Abs. 1 EStG nur die dort im Einzelnen aufgeführten „Einkünfte“ erfasst. Andere Erträge oder Einnahmen sind nicht steuerbar. Auf der Ausgabenseite sind als „Betriebsausgaben“ oder „Werbungskosten“ nur die im Rahmen einer der in § 2 Abs. 1 EStG genannten Einkunftsarten anfallenden Aufwendungen berücksichtigungsfähig. Das folgt aus der Begriffsbestimmung für Betriebsausgaben in § 4 Abs. 4 EStG und derjenigen für Werbungskosten in § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in Verbindung mit der Bestimmung des Einkunftsbegriffs in § 2 Abs. 2 EStG. Diese Vorschriften besagen im Ergebnis, dass im Rahmen der sog. Gewinneinkünfte (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG) die „durch den Betrieb“ veranlassten Aufwendungen Betriebsausgaben und dass im Rahmen der sog. Überschusseinkünfte (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG) „Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen“ Werbungskosten sind.

Es ergibt sich aus dem System des Einkommensteuerrechts, dass Betriebsausgaben oder Werbungskosten nur angenommen werden können, wenn Ausgaben im Rahmen einer von der Besteuerung erfassten Einkunftsart anfallen. Nur soweit Ausgaben mit steuerpflichtigen Einnahmen in Zusammenhang stehen, sind sie im Rahmen der Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens zu berücksichtigen1. Dies gilt insbesondere auch beim Zusammentreffen steuerpflichtiger inländischer Einkünfte mit ausländischen, nach einem Doppelbesteuerungsabkommen freizustellenden Einkünften eines unbeschränkt Steuerpflichtigen.

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Die Vorschrift des § 3c EStG ist in diesem Zusammenhang nicht anwendbar. Sie betrifft andere Fälle. Sie dehnt lediglich diese Grundsätze auch auf solche Ausgaben aus, die zwar nicht im Zusammenhang mit an sich steuerbaren, wohl aber in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit im Einzelfall steuerfreien Einnahmen stehen2. Die in diesem Zusammenhang häufig zitierten Entscheidungen des BFH3, aus denen in der Literatur allgemeine Grundsätze für die Zuordnung von gemeinkostenartigen Aufwendungen im Rahmen der Abgrenzung inländischer und ausländischer Einkünfte abgeleitet werden4, betrafen ausschließlich Fallgestaltungen, in denen es um die Ermittlung und die Höhe von ausländischen Einkünften ging.

Die Art der nach einem DBA steuerfrei zu stellenden ausländischen Einkünfte wird demgegenüber von dem jeweiligen (vorrangigen) Abkommensrecht beeinflusst. Ausländische Einkünfte können daher bezüglich der Einkunftsart, der Höhe der Einkünfte und der Steuerbemessungsgrundlage (Besteuerung von Einnahmen oder Einkünften) von vergleichbaren inländischen Einkünften abweichen5.

Es gibt deshalb keinen allgemein gültigen objektiven Gesamtgewinn oder Gesamtbetrag der Einkünfte, der je nach Steuergläubiger in einen steuerpflichtigen und einen steuerfreien Anteil aufzuteilen wäre. Vielmehr bemisst sich der Anteil der als Betriebsausgaben bei den inländischen Einkünften abziehbaren Gemeinkosten nach ihrem wirtschaftlichen Veranlassungszusammenhang mit den steuerpflichtigen Einnahmen. Ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang der Ausgaben mit den steuerpflichtigen inländischen Einnahmen, so wie ihn der BFH in den erwähnten Entscheidungen bei der Ermittlung ausländischer Einkünfte und die Vorschrift des § 3c Abs. 1 EStG in Bezug auf steuerfreie Einnahmen verlangen, ist nicht erforderlich6. Ein bloß wirtschaftlicher Veranlassungszusammenhang ist ausreichend7. Andererseits kann aus dem fehlenden unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang von Ausgaben mit steuerfreien ausländischen Einnahmen ein wirtschaftlicher Zusammenhang dieser Aufwendungen mit steuerpflichtigen inländischen Einnahmen nicht hergeleitet werden. Aus diesem Grunde sind die vom BFH für die Ermittlung von ausländischen Einkünften aufgestellten Grundsätze8 auch nicht auf die Ermittlung inländischer Einkünfte übertragbar.

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Soweit Gemeinkosten in wirtschaftlichem Zusammenhang sowohl mit den inländischen steuerpflichtigen Einnahmen als auch mit den steuerfreien ausländischen Einnahmen stehen und eine direkte Zuordnung dieser Aufwendungen zu den steuerpflichtigen oder steuerfreien Einnahmen (unstreitig) nicht möglich ist, müssen, so die Hannoveraner Finanzrichter, diese Aufwendungen nach einem sachgerechten Schlüssel den beiden Einnahmearten zugeordnet werden und zwar nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen Veranlassung durch die inländischen bzw. die ausländischen Einnahmen9. Der Beklagte hat bei der Ermittlung der steuerpflichtigen inländischen Einkünfte des Klägers die Gemeinkosten nach dem Verhältnis der steuerpflichtigen und steuerfreien Einnahmen dem steuerpflichtigen Teil seiner Einkünfte aus selbstständiger künstlerischer Tätigkeit zugeordnet.
Dieser Aufteilungsschlüssel ist sachgerecht, weil er bei fehlender konkreter Zuordnungsmöglichkeit das Konnexitätsprinzip am besten verwirklicht. Er wird allgemein verwendet, wenn Einkünfte aus unterschiedlichsten Gründen voneinander abzugrenzen sind10.

Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 22. Januar 2009 – 1 K 64/06 (Revision zum BFH eingelegt – I R 32/09)

  1. sog. Korrespondenz oder Konnexitätsprinzip; so schon RFH, Urteil vom 05.06.1928 – I A 262/28 – RStBl. 1928, 288; Littmann/Bitz/Pust – Lindemann, Kommentar zum EStG, Loseblatt, 82. Ergänzungslieferung, Stand Februar 2009, § 3c Tz 1 f.; Crezelius in Kirchhof, EStG, 8. Aufl. 2008, § 4 Rn 140[]
  2. BFH, Urteil vom 20.07.1973 – VI R 198/69 – BStBl. II 1973 732[]
  3. BFH, Urteile vom 16.03.1994 – I R 42/93 – BStBl. II 1994, 799; vom 09.04.1997 – I R 178/94 – BStBl. II 1997, 657 und vom 29.03.2000 – I R 15/99 – BStBl. II 2000, 577[]
  4. so etwa Grotherr, Zweifelsfragen zur Ausgabenberücksichtigung bei der Ermittlung ausländischer Einkünfte, in: Gocke, Rudolf / Gosch, Dietmar / Lang, Michael (Hrsg.), Festschrift für Franz Wassermeyer, München 2005, S. 303, 310 f.[]
  5. vgl. z.B. Art. 10, 11 und 17 des OECD-Musterabkommens[]
  6. BFH, Beschluss vom 04.07.1990 – GrS 2-3/88 – BStBl. II 1990, 817[]
  7. BFH, Urteil vom 20.07.1988 – I R 49/84 – BStBl. II 1989, 140[]
  8. vgl. BFH, Urteile vom 16.03.1994 – I R 42/93 – BStBl. II 1994, 799; vom 09.04.1997 – I R 178/94 – BStBl. II 1997, 657 und vom 29.03.2000 – I R 15/99 – BStBl. II 2000, 577[]
  9. vgl. z.B. § 34c Abs. 1 Satz 3 EStG in den ab Veranlagungszeitraum 2003 geltenden Fassungen in Fällen, bei denen ausländische Einkünfte zum Gewinn eines inländischen Betriebes gehören; § 50 Abs. 1 Satz 1 EStG für die Ermittlung der inländischen Einkünfte beschränkt Steuerpflichtiger[]
  10. z.B. bei der Aufteilung der Einkünfte bei Betriebsstätten international tätiger Unternehmen, BMF-Schreiben vom 24.12.1999 (Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze), BStBl. I 1999, 1076, Tz 2.3.2; bei der Aufteilung von Aufwendungen im Rahmen der Anwendung des § 3c EStG BFH, Urteile vom 26.03.2002 – IV R 26/00 – BStBl. II 2002, 823, – VI R 25/00 – BFH/NV 2002, 1290, Beschluss vom 31.05.2005 – VI B 93/04 – BFH/NV 2005, 1555; Schmidt/Heinicke, EStG 27. Aufl. 2008, § 4 Tz. 29 und 489[]
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