Das Doppelbesteuerungsabkommen mit Jugoslawien – und die Organisation der Vereinten Arbeit

Der in Art. 8 und Art. 14 Abs. 3 DBA-Jugoslawien verwendete Begriff der „Organisation der Vereinten Arbeit“ erfasst auch diejenigen juristischen Personen, die insgesamt an deren Stelle getreten sind. Das sind zunächst die nach Maßgabe des jugoslawischen Gesellschaftsrechts zwingend bis zum 31.12.1991 hinsichtlich ihrer Rechtsform angepassten (ehemaligen) Organisationen der Vereinten Arbeit sowie steuerpflichtige juristische Personen, die nach 1988 errichtet worden sind.

Das Doppelbesteuerungsabkommen mit Jugoslawien – und die Organisation der Vereinten Arbeit

Der Bundesfinanzhof hält an seiner Rechtsprechung zur sog. statischen Abkommensauslegung1 fest, stellt aber klar, dass bei Vorliegen einer sog. Fortgeltungsvereinbarung für die Abkommensauslegung auf den Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung abzustellen sein kann.

Gemäß Art. 14 Abs. 3 DBA-Jugoslawien, dessen unveränderte Fortgeltung Deutschland undBosnien-Herzegowina am 13.11.1992 vereinbart haben2, können Gewinne aus der Veräußerung von Rechten aus einem Vertrag über Investitionen in einer jugoslawischen Organisation der Vereinten Arbeit in Jugoslawien (bzw.Bosnien-Herzegowina als Nachfolgestaat) besteuert werden. Gewinne aus der Veräußerung des in Art. 14 Abs. 1 bis 4 DBA-Jugoslawien nicht genannten Vermögens können hingegen nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem der Veräußerer ansässig ist (Art. 14 Abs. 5 DBA-Jugoslawien). Bei einer in Deutschland ansässigen Person (Art. 4 Abs. 1 DBA-Jugoslawien) werden, soweit nicht Art. 24 Abs. 1 Buchst. b DBA-Jugoslawien anzuwenden ist, von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer die Einkünfte aus Jugoslawien (Bosnien-Herzegowina) ausgenommen, die nach dem DBA-Jugoslawien in Jugoslawien (Bosnien-Herzegowina) besteuert werden können. Deutschland behält aber das Recht, die so ausgenommenen Einkünfte bei der Festsetzung des Steuersatzes zu berücksichtigen (Art. 24 Abs. 1 Buchst. a DBA-Jugoslawien). Zwischen den Beteiligten ist insoweit nur streitig, ob der in 2009 erzielte Gewinn des hier klagenden Gesellschafters aus der Veräußerung der Anteile an der B-Unternehmung an die A-Gesellschaft einen Gewinn aus der Veräußerung von Rechten aus einem Vertrag über „Investitionen in einer jugoslawischen Organisation der Vereinten Arbeit“ i.S. des Art. 14 Abs. 3 DBA-Jugoslawien darstellt. Dies ist mit dem Finanzgericht Düsseldorf3 zu bejahen.

Zur Ermittlung des Regelungsgehalts eines völkerrechtlichen Vertrags ist das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23.05.1969 -WÜRV-4 heranzuziehen, das seit Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes vom 03.08.19855 am 20.08.19876 in innerstaatliches Recht transformiert ist7. Danach sind Doppelbesteuerungsabkommen nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen (Art. 31 Abs. 1 WÜRV). Maßgeblich sind insbesondere der Wortlaut des Vertrags (Art. 31 Abs. 2 WÜRV) und die gewöhnliche Bedeutung der verwendeten Ausdrücke. Dementsprechend sind abkommensrechtliche Begriffe nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs8 zunächst nach dem Wortlaut und den Definitionen des Abkommens und sodann nach dem Sinn und dem Vorschriftenzusammenhang innerhalb des Abkommens auszulegen. Auf die Begriffsbestimmungen des innerstaatlichen Rechts ist grundsätzlich erst auf einer nachgelagerten Prüfungsebene zurückzugreifen.

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Der Begriff der Organisation der Vereinten Arbeit wird im DBA-Jugoslawien selbst nicht definiert.

Dies hat seinen historischen Hintergrund darin, dass zur Zeit des Abschlusses des DBA-Jugoslawien im Jahr 1987 deutsche Steuerpflichtige aus Jugoslawien nicht Dividenden, sondern nur Gewinne aus der genannten Organisation erhalten konnten, die als sozialistische Unternehmensform durch das Selbstbestimmungsrecht der in der Organisation arbeitenden Menschen bestimmt war, aber die Investition privater Mittel mit dem Ziel der Gewinnerzielung erlaubte. Aus diesem Grund wurden seinerzeit die Regelungen in Art. 8 und Art. 14 Abs. 3 DBA-Jugoslawien vereinbart und der Dividendenartikel des Art. 11 DBA-Jugoslawien für Dividenden aus Deutschland einseitig gefasst, um zu einer sachgerechten Aufteilung der Besteuerungsrechte zu gelangen9.

Nach den insoweit den Bundesfinanzhof nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des Finanzgericht konnten Organisationen der Vereinten Arbeit auf Grundlage des bis zum 31.12.1988 geltenden Gesetzes über die Vereinte Arbeit (GVA) vom 25.11.197610 gegründet werden. Nach Art. 29 Abs. 1 GVA wurden Wirtschafts- und andere Tätigkeiten innerhalb der Vereinten Arbeit mit den Mitteln im gesellschaftlichen Eigentum innerhalb der Organisationen der Vereinten Arbeit und anderer Formen der Vereinten Arbeit und Mittel ausgeübt. Diese Tätigkeiten konnten unter den Bedingungen bestimmter Gesetze auch innerhalb von gesellschaftlich-politischen und anderen durch das Gesetz bestimmten gesellschaftlichen Organisationen und Bürgervereinigungen ausgeübt werden, wenn das im Interesse für die Realisierung von gesellschaftlichen Funktionen und Aufgaben dieser Organisationen war. Gemäß Art. 29 Abs. 3 GVA konnten Wirtschafts- und andere Tätigkeiten auch durch selbständige persönliche Arbeit mit den Arbeitsmitteln im Eigentum der Bürger unter den durch das Gesetz vorgeschriebenen Bedingungen ausgeübt werden, wenn die Ausübung von diesen Tätigkeiten nicht gesetzlich verboten war. Organisationen der Vereinten Arbeit umfassten damit verschiedene Gesellschaftsformen, die sowohl mit gesellschaftlichen als auch mit privaten Mitteln ausgestattet sein konnten.

Durch das Gesetz über Unternehmen vom 29.12.198811 wurde indessen die Anpassung der Organisationen der Vereinten Arbeit an neue Unternehmensformen (vergesellschaftete Unternehmen, Genossenschaftsunternehmen, Privatunternehmen oder gemischte Unternehmen) bis zum 31.12.1991 angeordnet. Im Anschluss daran entwickelten die Nachfolgestaaten der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien -und darunter auchBosnien-Herzegowina- ihr eigenes Gesellschaftsrecht12. Spätestens seit Ende 1991 existierten Organisationen der Vereinten Arbeit nicht mehr13.

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Wird ein Begriff im Abkommen selbst nicht definiert und lässt sich der Bedeutungsinhalt -wie im Streitfall- auch nicht unmittelbar aus dem allgemeinen und im Einklang mit dem Sinn und Vorschriftenzusammenhang des Abkommens stehenden Sprachgebrauch gewinnen14, kommt dem Begriff nach Art. 3 Abs. 2 DBA-Jugoslawien die Bedeutung zu, die ihm nach dem Recht über die Steuern des Anwendestaates (hier: Deutschland) zukommt. Indessen hatte und hat der Begriff der „Organisation der Vereinten Arbeit“ im deutschen Steuerrecht keine Bedeutung15. Vielmehr handelt es sich um einen Rechtsbegriff des jugoslawischen Rechts, an den die Abkommensparteien bewusst angeknüpft haben. Es entspricht dann aber dem Zweck des Art. 3 Abs. 2 DBA-Jugoslawien, Entscheidungsharmonie zwischen der Abkommensauslegung und dem innerstaatlichen Steuerrecht des Anwendestaates dadurch herzustellen, dass der genannte Rechtsbegriff im Einklang mit der Begriffsbedeutung im anderen Vertragsstaat (hier: Jugoslawien) auszulegen ist15. Ein anderes Verständnis würde ohne hinreichenden Grund die Gefahr fördern, dass das Abkommen in den einzelnen Vertragsstaaten unterschiedlich ausgelegt wird, und damit der im Grundsatz angestrebten Entscheidungsharmonie entgegenwirken16.

Für die Entscheidung des Streitfalles kommt es nach dem Vorstehenden darauf an, ob angesichts der gesellschaftsrechtlichen Entwicklung in Jugoslawien und seinen Nachfolgestaaten auch die an die Stelle der Organisationen der Vereinten Arbeit getretenen Nachfolgeunternehmen und alle steuerpflichtigen juristischen Personen, die nach 1988 in Übereinstimmung mit dem jugoslawischen Gesellschaftsrecht bzw. dem Gesellschaftsrecht der Nachfolgestaaten errichtet worden sind, Art. 14 Abs. 3 DBA-Jugoslawien unterfallen17, oder sich der Wortlaut der Bestimmung mit dem Finanzamt auf die nach bosnisch-herzegowinischem Gesellschaftsrecht seit dem 31.12.1991 nicht mehr existierende jugoslawische Organisation der Vereinten Arbeit beschränkt. Der Bundesfinanzhof schließt sich dazu der Rechtsauffassung des Finanzgericht an. Er hält an seiner Rechtsprechung zur sog. statischen Abkommensauslegung1 fest, stellt aber klar, dass bei Vorliegen einer sog. Fortgeltungsvereinbarung für die Abkommensauslegung auf den Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung abzustellen sein kann.

Für die vom Finanzgericht gewählte Auslegung spricht zunächst maßgeblich die Tatsache, dass in dem Zeitpunkt, in dem Deutschland undBosnien-Herzegowina die Fortgeltung des bisherigen DBA-Jugoslawien vereinbart haben (hier: 13.11.1992), keine Organisationen der Vereinten Arbeit mehr existierten und dies beiden Vertragsstaaten auch bewusst gewesen sein muss18. Im Zeitpunkt des Abschlusses der sog. Fortgeltungsvereinbarung waren wesentliche (gesellschaftsrechtliche) Entwicklungen in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens bereits vollzogen19 und waren nach bosnisch-herzegowinischem Gesellschaftsrecht alle vormaligen Organisationen der Vereinten Arbeit bereits hinsichtlich ihrer Rechtsform angepasst. Dass die Vertragsstaaten Art. 14 Abs. 3 DBA-Jugoslawien angesichts dieser Tatsache mit dem Finanzamt hätten ohne Anwendungsbereich belassen und leerlaufen lassen wollen, ist nicht vorstellbar.

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Vielmehr spricht angesichts der bis dahin gewollten und praktizierten Anknüpfung an das Begriffsverständnis nach dem Recht vonBosnien-Herzegowina alles dafür, dass das bisherige Abkommen nach dem Willen der Parteien der sog. Fortgeltungsvereinbarung auf diejenigen juristischen Personen Anwendung finden sollte, die insgesamt an die Stelle der bisherigen Organisationen der Vereinten Arbeit getreten waren. Das sind zunächst die nach Maßgabe des jugoslawischen Gesellschaftsrechts zwingend bis zum 31.12.1991 hinsichtlich ihrer Rechtsform angepassten (ehemaligen) Organisationen der Vereinten Arbeit20.

Nichts anderes kann aber auch für steuerpflichtige juristische Personen gelten, die nach 1988 errichtet worden sind. Insoweit ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. d Unterabs. i DBA-Jugoslawien, dass die Organisation der Vereinten Arbeit nur eine Sonderform der juristischen Person im Sinne des Abkommens ist, weil danach Gesellschaft im Sinne des Abkommens die vorgenannte Organisation und „andere“ juristische Personen sind. Die dort erwähnten anderen „der Steuer unterliegenden juristischen Personen“ werden zwar in Art. 14 Abs. 3 DBA-Jugoslawien nicht erwähnt, indessen war die Organisation der Vereinten Arbeit bei Unterzeichnung des DBA-Jugoslawien die einzige Unternehmensform, in die Privatinvestoren investieren konnten. Nur insoweit hat überhaupt die Gefahr einer Doppelbesteuerung von Gewinnen bestanden. Ein Anlass, in Art. 14 Abs. 3 DBA-Jugoslawien einen anderen Begriff als den der Organisation der Vereinten Arbeit zu wählen bzw. auf den in Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Jugoslawien gewählten Begriff der „Gesellschaft“ abzustellen, hat damit nicht bestanden.

Es wäre auch nicht verständlich, dass nach 1988 gegründete juristische Personen gegenüber den zuvor gegründeten Organisationen der Vereinten Arbeit, die sodann in eben solche juristische Personen umzuwandeln waren, benachteiligt werden sollten. Auch insoweit ist zu berücksichtigen, dass den Vertragsparteien, die später die Fortgeltung des Abkommens für das Verhältnis Deutschlands zuBosnien-Herzegowina vereinbart haben, die seit 1988 stattgefundenen gesellschaftsrechtlichen Entwicklungen bekannt waren21. Nach dem Begriffsverständnis vonBosnien-Herzegowina fallen unter „Organisationen der Vereinten Arbeit“ aber auch sonstige juristische Personen (wie im vorliegenden Fall die B). Dies geht nach den Bundesfinanzhof bindenden Feststellungen des Finanzgericht (§ 118 Abs. 2 FGO) u.a. aus den Schreiben des Ministeriums für Finanzen und staatliche Finanzgeschäfte vonBosnien-Herzegowina vom 18.07.2014 und 05. und 20.01.2015 sowie 09.06.2016 hervor, wonach der Begriff der Organisation der Vereinten Arbeit juristischen Personen im Sinne des jetzt geltenden Gesellschaftsgesetzes vonBosnien-Herzegowina gleichsteht bzw. alle juristischen Personen im Sinne der geltenden Vorschriften umfasst.

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Für diese Auslegung spricht auch, dass mit den Nachfolgestaaten Slowenien und Kroatien, für die das DBA-Jugoslawien ebenfalls fortgilt, Verständigungsvereinbarungen i.S. des Art. 26 Abs. 3 DBA-Jugoslawien mit entsprechendem Inhalt getroffen worden sind22. Danach werden alle juristischen Personen bzw. Kapitalgesellschaften, die nach neuerem slowenischen bzw. kroatischen Gesellschaftsrecht gegründet worden sind, einbezogen und ist die deutsche Seite erkennbar nicht -wie aber das Finanzamt für das Verhältnis zuBosnien-Herzegowina meint- davon ausgegangen, dass die Abkommensregelungen zur Organisation der Vereinten Arbeit zum Zeitpunkt der Vereinbarung der Fortgeltung des DBA-Jugoslawien ins Leere liefen.

Diese Auslegung führt auch zu einem dem ursprünglichen Abkommensziel der sachgerechten Verteilung der Besteuerungsrechte für Gewinne aus jugoslawischen Organisationen der Vereinten Arbeit einerseits bzw. Dividenden von in Deutschland steuerpflichtigen juristischen Personen andererseits entsprechenden Ergebnis. Da Art. 11 DBA-Jugoslawien einseitig nur für Ausschüttungen deutscher Gesellschaften gilt, und bereits zum 31.12.1991 keine Organisationen der Vereinten Arbeit in ihrer ursprünglichen Rechtsform mehr existent gewesen sein können, würde eine Auslegung im Sinne des vom Finanzamt gewünschten Ergebnisses zu einer Verschiebung des Besteuerungsrechts für Dividenden zugunsten Deutschlands führen, weil die für Gewinnempfänger in Deutschland nach Art. 24 Abs. 1 Buchst. a DBA-Jugoslawien eigentlich vorgesehene Freistellung sich nach Art. 22 DBA-Jugoslawien faktisch in eine volle Steuerpflicht verwandeln würde23. Dies widerspräche dem Geist des Abkommens.

Dass die bezeichneten Einkünfte inBosnien-Herzegowina nicht besteuert worden sind, steht der vorgenannten Auslegung nicht entgegen. Dies folgt bereits daraus, dass eine Nichtbesteuerung durch den Quellenstaat nicht ohne die Vereinbarung einer ausdrücklichen Rückfallklausel zum Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats führen würde24. Eine solche Rückfallklausel enthält das DBA-Jugoslawien nicht.

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Die Freistellung der Einkünfte ist auch nicht im Hinblick auf die Regelung in § 50d Abs. 9 Satz 1 EStG zu versagen. Danach ist die DBA-Freistellung von Einkünften eines unbeschränkt Steuerpflichtigen ungeachtet des Abkommens nicht zu gewähren, wenn der andere Staat die Bestimmungen des Abkommens so anwendet, dass die Einkünfte in diesem Staat von der Besteuerung auszunehmen sind oder nur zu einem durch das Abkommen begrenzten Steuersatz besteuert werden können, oder die Einkünfte in dem anderen Staat nur deshalb nicht steuerpflichtig sind, weil sie von einer Person bezogen werden, die in diesem Staat nicht auf Grund ihres Wohnsitzes, ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung, des Sitzes oder eines ähnlichen Merkmals unbeschränkt steuerpflichtig ist. Im Streitfall liegt aber kein Qualifikationskonflikt i.S. des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG vor, dennBosnien-Herzegowina legt das DBA-Jugoslawien nicht so aus, dass die Einkünfte (Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften) dort von der Besteuerung auszunehmen sind. Vielmehr verzichtetBosnien-Herzegowina nach dem nationalen Recht auf die Besteuerung derartiger Veräußerungsgewinne. Die Einkünfte sind auch nicht nur deshalb inBosnien-Herzegowina nicht steuerpflichtig, weil der Gesellschafter dort nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist (§ 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG).

Auch für die Gewinnausschüttung des Streitjahres 2012 fehlt es an einem Besteuerungsrecht Deutschlands. Gemäß Art. 8 Satz 1 DBA-Jugoslawien kann der Gewinn aus Investitionen in einer jugoslawischen Organisation der Vereinten Arbeit, den eine in Deutschland ansässige Person bezieht, in Jugoslawien (Bosnien-Herzegowina) besteuert werden. Dividenden, die eine in Deutschland ansässige Gesellschaft an eine in Jugoslawien ansässige Person zahlt, können hingegen in Deutschland besteuert werden (Art. 11 Abs. 1 Satz 1 DBA-Jugoslawien). Gemäß Art. 22 Abs. 1 DBA-Jugoslawien können Einkünfte einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person, die in den vorstehenden Artikeln nicht behandelt wurden, ohne Rücksicht auf ihre Herkunft nur in diesem Staat besteuert werden.

Nach den obigen Ausführungen fällt die Gewinnausschüttung der A aus dem Jahr 2012 unter Art. 8 Satz 1 DBA-Jugoslawien. Es handelt sich um den Gewinn aus Investitionen in einer jugoslawischen Organisation der Vereinten Arbeit. Damit besteht ein Besteuerungsrecht vonBosnien-Herzegowina.

§ 50d Abs. 9 Satz 1 EStG gelangt nicht zur Anwendung, weil weder ein Qualifikationskonflikt i.S. des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG vorliegt noch § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG erfüllt ist. Dividenden gelten nach dem vom Finanzgericht festgestellten Inhalt des nationalen Steuerrechts vonBosnien-Herzegowina unabhängig von der Ansässigkeit des Anteilseigners nicht als Einkommen und werden in § 50d Abs. 9 Satz 2 EStG ohnehin grundsätzlich von der Normanwendung ausgenommen.

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Bundesfinanzhof, Beschluss vom 13. Juli 2021 – I R 63/17

  1. BFH, Urteile vom 10.06.2015 – I R 79/13, BFHE 250, 110, BStBl II 2016, 326, m.w.N.; vom 25.11.2015 – I R 50/14, BFHE 253, 52, BStBl II 2017, 247[][]
  2. BGBl II 1992, 1196; dazu BMF, Schreiben vom 19.01.2016, BStBl I 2016, 76[]
  3. FG Düsseldorf, Urteil vom 05.09.2017 – 3 K 2745/16 E[]
  4. BGBl II 1985, 927[]
  5. BGBl II 1985, 926[]
  6. BGBl II 1987, 757[]
  7. BFH, Urteile vom 11.07.2018 – I R 44/16, BFHE 262, 354; vom 30.05.2018 – I R 62/16, BFHE 262, 54; BFH, Beschluss vom 30.09.2020 – I R 76/17, BFHE 270, 455, BStBl II 2021, 275[]
  8. BFH, Urteile vom 25.02.2004 – I R 42/02, BFHE 206, 5, BStBl II 2005, 14; vom 26.08.2010 – I R 53/09, BFHE 231, 63, BStBl II 2019, 147; in BFHE 270, 455, BStBl II 2021, 275[]
  9. vgl. Denkschrift zum Abkommen zu Art. 8, BT-Drs. 11/886, S. 23 f.; Raber in Wassermeyer, Jugoslawien Art. 8 Rz 1[]
  10. Amtsblatt der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien, Nr. 53/1976[]
  11. Amtsblatt der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien Nr. 77/1988[]
  12. Raber, a.a.O., Art. 8 Rz 2[]
  13. Raber, a.a.O., Art. 8 Rz 5[]
  14. dazu BFH, Urteil in BFHE 231, 63, BStBl II 2019, 147[]
  15. Raber, a.a.O., Art. 8 Rz 6[][]
  16. vgl. BFH, Urteil vom 28.04.2010 – I R 81/09, BFHE 229, 252, BStBl II 2014, 754; BFH, Beschluss vom 11.12.2013 – I R 4/13, BFHE 244, 1, BStBl II 2014, 791; s.a. Schönfeld/Häck in Schönfeld/Ditz, DBA, 2. Aufl., Systematik Rz 109[]
  17. so Raber, a.a.O., Art. 8 Rz 7 und 8[]
  18. dazu Graw, EFG 2017, 1655, 1656[]
  19. Raber, a.a.O., Art. 8 Rz 10[]
  20. Raber, a.a.O., Art. 8 Rz 7[]
  21. Raber, a.a.O., Art. 8 Rz 8[]
  22. vgl. BMF, Schreiben vom 21.07.1997, BStBl I 1997, 724; und vom 16.06.2001, BStBl I 2001, 366[]
  23. Raber, a.a.O., Art. 8 Rz 10; Graw, EFG 2017, 1655, 1656[]
  24. BFH, Urteile vom 15.03.2021 – I R 61/17, zur Veröffentlichung bestimmt, und – I R 1/18[]

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