Negativer Progressionsvorbehalt für nicht zu berücksichtigende Auslandsverluste

Nach einem Doppelbesteuerungsabkommen steuerfreie negative ausländische Einkünfte im Sinne des § 2a EStG 2002 sind auch nach dem Übergang von der sog. Schattenveranlagung zur sog. Hinzurechnungsmethode nicht im Wege des negativen Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen.

Negativer Progressionsvorbehalt für nicht zu berücksichtigende Auslandsverluste

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Rechtsstreit sind die Verluste der Klägerin aus ihrem in den USA belegenen Grundbesitz gemäß Art. 6 i.V.m. Art. 23 Abs. 2 Buchst. a DBA-USA 1989 a.F. im Inland steuerfrei und dürfen deshalb bei der Ermittlung der Einkommensteuer-Bemessungsgrundlage nicht zum Ausgleich steuerpflichtiger Einkünfte verwendet werden1. Nach diesen Vorschriften des DBA-USA 1989 a.F. ist die steuerliche Berücksichtigung von Einkünften aus unbeweglichem Vermögen ausschließlich dem Belegenheitsstaat –im Streitfall den USA– zugewiesen.

Diese negativen ausländischen Einkünfte der Klägerin können nicht gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG 2002 im Wege des sog. negativen Progressionsvorbehalts berücksichtigt werden.

Hat ein unbeschränkt Steuerpflichtiger Einkünfte, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung steuerfrei sind, so ist auf das nach § 32a Abs. 1 EStG 2002 zu versteuernde Einkommen ein besonderer Steuersatz anzuwenden (§ 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG 2002). Der besondere Steuersatz nach Abs. 1 ist der Steuersatz, der sich ergibt, wenn bei der Berechnung der Einkommensteuer das nach § 32a Abs. 1 EStG 2002 zu versteuernde Einkommen um die steuerfreien Einkünfte vermehrt oder vermindert wird (§ 32b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG 2002).

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§ 32b Abs. 2 EStG 2002 hat seine Fassung durch das Jahressteuergesetz 19962 erhalten. Nach der bis 1995 geltenden Fassung ermittelte sich der besondere Steuersatz nach Abs. 1 dadurch, dass bei der Berechnung der Einkommensteuer die ausländischen Einkünfte, die nach einem DBA steuerfrei waren, einbezogen wurden. Der Senat hat zu dieser Fassung des § 32b Abs. 2 EStG wiederholt entschieden, dass die Anwendung des Progressionsvorbehalts dazu führen muss, dass die der deutschen Besteuerung unterliegenden Einkünfte derjenigen prozentualen Belastung unterworfen werden, die sich ergäben, wenn das DBA nicht vorhanden wäre (Prinzip der sog. Schattenveranlagung3. Wie der Bundesfinanzhof in diesen Urteilen ebenfalls entschieden hat, schließt nach dieser Gesetzesfassung § 2a EStG die Berücksichtigung der dort bezeichneten ausländischen Einkünfte im Rahmen des Progressionsvorbehalts aus.

Durch die Neufassung des § 32b Abs. 2 EStG mit Wirkung ab 1996, nach der zur Berechnung des Steuersatzes das zu versteuernde Einkommen um die nach einem DBA steuerfreien Einkünfte zu vermehren oder zu vermindern ist (sog. Hinzurechnungsmethode), hat sich an diesem Ergebnis nichts geändert4. Die Gesetzesänderung diente allein dazu, die als zu aufwendig empfundene Technik der Schattenveranlagung aus Gründen der Vereinfachung des Progressionsvorbehalts abzuschaffen5. Einkünfte, die in einem Doppelbesteuerungsabkommen freigestellt werden, unterliegen jedoch nach wie vor nur dann dem Progressionsvorbehalt, wenn es sich um Einkünfte handelt, die nach deutschem Recht der Besteuerung unterliegen. Unter Einkünften i.S. des § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG 2002 sind die in § 2 Abs. 1 und 2 EStG 2002 genannten Einkünfte zu verstehen, die unter Anwendung der einschlägigen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes ermittelt werden. Gemäß § 2a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a EStG 2002 dürfen negative Einkünfte aus der Vermietung oder der Verpachtung von unbeweglichem Vermögen, das in einem ausländischen Staat belegen ist, nur mit positiven Einkünften der jeweils selben Art aus demselben Staat ausgeglichen werden; auch ein Abzug nach § 10d EStG 2002 ist ausgeschlossen. Sind –wie im Streitfall– positive Einkünfte nicht erzielt worden, handelt es sich nicht um in die Bemessungsgrundlage einzubeziehende Einkünfte und damit auch nicht um Einkünfte i.S. des § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG 2002.

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Dieses Auslegungsergebnis entspricht dem Zweck der Vorschrift. Ziel des § 32b EStG 2002 ist es, die im Inland steuerpflichtigen Einkünfte entsprechend der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mit dem Steuersatz zu besteuern, der für das Welteinkommen anzuwenden wäre6. Dieser Absicht liefe es aber zuwider, wenn Verluste in die Berechnung des Progressionsvorbehalts einbezogen würden, die im Fall der Steuerpflicht der Einkünfte nicht zu berücksichtigen wären. Es wäre sinnwidrig, wollte § 2a EStG 2002 zwar den Abzug ausländischer Verluste beschränken, die unter kein Doppelbesteuerungsabkommen oder ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Anrechnungsverfahren fallen, den steuermindernden Abzug solcher Verluste bei der Festsetzung des Steuersatzes aber zulassen. In letzterem Fall ist gleichermaßen eine nach dem Gesetzeszweck unerwünschte Steuerersparnis zu besorgen7.

Auch der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass Einkünfte, die unter § 2a EStG fallen, durch ein Doppelbesteuerungsabkommen aber freigestellt werden, nicht im Wege des negativen Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen sind. Denn die damalige Bundesregierung hatte im Gesetzgebungsverfahren zu § 2a EStG auf die Befürchtung des Bundesrats, der neue § 2a EStG könne bewirken, dass die entsprechenden nach den jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen steuerfreien Verluste im Wege des Progressionsvorbehalts berücksichtigt würden8, ausgeführt, eine Klarstellung sei nicht erforderlich, weil § 2a EStG die Ermittlung der Einkünfte bereits im Vorfeld regle. Zwar würden nach § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG (positive und negative) ausländische Einkünfte, die nach dem Doppelbesteuerungsabkommen steuerfrei seien, bei der Berechnung des Tarifs für die übrigen Einkünfte angesetzt. Dies gelte jedoch nur für solche Einkünfte, die nicht bereits nach deutschem Recht ohne Anwendung eines Doppelbesteuerungsabkommens von der Berücksichtigung ausgeschlossen seien9.

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Unbeachtlich ist schließlich, dass Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 DBA-USA 1989 a.F. es Deutschland ermöglicht, die durch das Doppelbesteuerungsabkommen freigestellten Einkünfte im Wege des Progressionsvorbehalts zu erfassen. Dies bedeutet nicht, dass Deutschland verpflichtet wäre, diese Einkünfte in den Progressionsvorbehalt einzubeziehen. Rechtsgrundlage für den negativen Progressionsvorbehalt ist vielmehr ausschließlich § 32b EStG 200210. Auch wenn ein Doppelbesteuerungsabkommen einen Progressionsvorbehalt vorsieht, setzt dessen Anwendung voraus, dass die betreffenden Verluste nach innerstaatlichem Recht überhaupt zu berücksichtigen sind. Das ist aber nach der im Streitjahr geltenden Fassung des § 2a EStG 2002 nicht der Fall.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 12. Januar 2011 – I R 35/10

  1. ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 11.03.2008 – I R 116/04, BFH/NV 2008, 1161; Urteil vom 17.07.2008 – I R 84/04, BFHE 222, 398, BStBl II 2009, 630[]
  2. vom 11.10.1995, BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438[]
  3. BFH, Urteile vom 17.10.1990 – I R 182/87, BFHE 162, 307, BStBl II 1991, 136; vom 13.11.1991 – I R 3/91, BFHE 166, 233, BStBl II 1992, 345; vom 20.09. 2006 – I R 13/02, BFH/NV 2007, 410; und vom 13.05.1993 – IV R 69/92, BFH/NV 1994, 100[]
  4. gl. A. Mössner in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2a Rz A 28c ff.; Frenz, dortselbst, § 32b Rz A 83 f.; Gosch in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 2a Rz 48; Blümich/Wagner, § 32b EStG Rz 36; Handzik in Littmann/Bitz/Pust, Einkommensteuerrecht, § 32b Rz 30; a.A. Probst in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32b EStG Rz 136 „Verlustausgleich“; Beck, Internationales Steuerrecht 2007, 53[]
  5. BTDrucks 13/901, S. 127, 136[]
  6. vgl. BFH, Urteil vom 19.12.2001 – I R 63/00, BFHE 197, 495, BStBl II 2003, 302[]
  7. so bereits BFH, Urteil in BFHE 162, 307, BStBl II 1991, 136[]
  8. BTDrucks 9/2140, S. 124[]
  9. BTDrucks 9/2140, S. 124; vgl. auch BTDrucks 9/2290, S. 8[]
  10. BFH, Urteil in BFHE 197, 495, BStBl II 2003, 302; Beschluss vom 04.04.2007 – I R 110/05, BFHE 217, 535, BStBl II 2007, 521[]
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