Ein auswärtiger Rechtsanwalt hat besondere zur Fallbearbeitung notwendigen Kenntnisse auf tatsächlichem Gebiet, die ihn von anderen ortsansässigen Rechtsanwälten unterscheiden, wenn er bereits vor dem Verfahren umfassend mit bauplanungsrechtlichen Aspekten einer Immobilie, Auswertung von Bildern, Plänen und Gutachten, Reisen zu Terminen vor Ort sowie anderen Verfahren zum gleichen Sachverhalt befasst war.

Zu erstatten sind gemäß § 139 Abs. 1 FGO die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten, einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. Erstattungsfähig sind somit nur notwendige Aufwendungen.
Die Norm des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO bestimmt, dass im zivilgerichtlichen Verfahren Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, nur insoweit zu erstatten sind, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war.
Die Finnazgerichtsordnung sieht zwar keine § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO entsprechende gesetzliche Einschränkung der Erstattungsfähigkeit von Reisekosten auswärtiger Rechtsanwälte vor.
In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung wird jedoch zu der § 139 Abs. 1 FGO wortgleichen Vorschrift des § 162 Abs. 1 VwGO einhellig vertreten, dass sich eine § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO vergleichbare Einschränkung bei der Beauftragung auswärtiger Rechtsanwälte über die Generalverweisung § 173 VwGO aus dem das gesamte Kostenrecht durchziehenden Sparsamkeitsgebot ergebe1.
Das Finanzgericht Hamburg schließt sich dieser verwaltungsgerichtlichen Auffassung für das finanzgerichtliche Verfahren und die hiesige Generalverweisung § 155 FGO an2.
In der somit bei der Anwendung von § 139 FGO heranziehbaren Rechtsprechung des BGH zu § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO hat dieser an seiner bisherigen Auffassung festgehalten, dass die (Reisekosten auslösende) Beauftragung eines spezialisierten auswärtigen Rechtsanwalts, der seinen Sitz weder am Gerichtsort noch am Wohnsitz bzw. Sitz der Klägerin oder des Klägers unterhält, nur dann ausnahmsweise notwendig ist, wenn ein vergleichbarer ortsansässiger Rechtsanwalt nicht beauftragt werden kann3. Ein bestehendes besonderes Vertrauensverhältnis zwischen einem Beteiligten und seinem Prozessbevollmächtigen reicht dabei nicht aus, um ortsansässige Rechtsanwälte als nicht vergleichbar erscheinen zu lassen4.
Die Frage der Vergleichbarkeit ist vielmehr aus Sicht eines verständigen, nicht notwendigerweise rechtskundigen, Beteiligten zu beantworten5.
Sie richtet sich danach, ob der auswärtige Rechtsanwalt über besondere Fachkenntnisse in einer den konkreten Fall betreffenden rechtlichen Spezialmaterie und/oder besondere zur Fallbearbeitung notwendige Kenntnisse auf tatsächlichem Gebiet verfügt, die ihn von anderen, ortsansässigen Rechtsanwälten abheben.
Über besondere Kenntnisse in tatsächlicher Hinsicht verfügt ein auswärtiger Rechtsanwalt nicht nur dann, wenn er nahezu ausschließlich eine bestimmte Gruppe von Mandanten oder Mandanten aus einer bestimmten Branche vertritt und dadurch über vertiefte Kenntnisse der branchenüblichen Gepflogenheiten und der den Rechtsstreitigkeiten zu Grunde liegenden wirtschaftlichen Sachverhalte verfügt, sondern auch, wenn er einschlägig besonders umfangreich, also über die bloße vorprozessuale Vertretung hinaus, mit den Angelegenheiten des Mandanten vorbefasst war6.
Im letzteren Sinne erfüllte in dem hier entschiedenen Fall der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Voraussetzungen der besonderen Kenntnisse in tatsächlicher Hinsicht aufgrund seiner besonders umfangreichen Vorbefassung; nämlich Vertrautheit mit den bauplanungsrechtlichen Aspekten der Immobilie der Klägerin, Auswertung von Bildern, Plänen und Gutachten, Reisen zu Terminen vor Ort; und zwar aufgrund seiner langen Mandatsbeziehung sowie im Rahmen sowohl des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens als auch des Veranlagungsverfahrens und des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens.
Finanzgericht Hamburg, Beschluss vom 12. November 2015 – 3 KO 117/15
- z. B. VG Berlin, Beschluss vom 23.02.2010 – 9 KE 27.10, 13 A 40.07; OVG Hamburg, Beschluss vom 05.03.2007 – 3 So 5/06, NVwZ-RR 2007, 565; Bayerischer VGH, Beschluss vom 27.07.2006 – 2 N 04.2476; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 01.11.2005 – 4 O 327/05; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25.02.2004 – 8 C 10550/03.OVG; VGH Mannheim, Beschluss vom 20.07.1989 2 S 1497/89[↩]
- ebenso FG Hamburg vom 18.06.2012 3 KO 209/11, Juris; FG Brandenburg vom 02.04.1996 – I Ko 242/96 KF, EFG 1996, 1054[↩]
- BGH vom 20.12 2012 – XI ZB 12/11, Juris; – XI ZB 13/11, Betriebsberater -BB- 2012, 458; vom 21.12 2011 – I ZB 47/09, Der Rechtspfleger -Rpfleger- 2012, 288 m. w. N; ständ. Rspr.[↩]
- BGH vom 20.12 2011 – XI ZB 13/11, BB 2012, 458 m. w .N[↩]
- BVerwG vom 06.12 1963 – VII C 14.63, BVerwGE 17, 245; VG Karlsruhe vom 13.04.2004 5 K 1141/02, Juris; VG Göttingen vom 26.11.2010 2 A 23/10, Juris; LG Tübingen vom 09.09.2008 2 O 374/05, Juris[↩]
- BGH vom 20.12 2011 – XI ZB 13/11, BB 2012, 458; Thüringer OLG vom 17.10.2011 9 W 488/11, Juris; OLG Düsseldorf vom 13.07.2010 I-6 W 26/10, Juris; OLG Sachsen-Anhalt vom 30.07.2010 2 W 61/10, Juris; OVG Brandenburg vom 09.10.2001 2 E 84/00, NVwZ-RR 2002, 317; Bayerischer VGH vom 17.05.1977 29 – VIII 77, BayVBl 1977, 477[↩]