Der Einspruchsentscheidung – und der private Postservice

Bedient sich die Finanzverwaltung zur Bekanntgabe von Verwaltungsentscheidungen eines privaten Postserviceunternehmens und weist der Steuerpflichtige -wie im Streitfall durch die Bestätigung des Postserviceunternehmens- nach, dass die für die Übermittlung mit einfacher Briefpost bestimmte Sendung trotz des in den Akten des Finanzamt als Tag der „Aufgabe zur Post“ vermerkten Zeitpunkts (hier: Freitag, den 11.01.2013) durch das private Postserviceunternehmen erst am ersten Werktag der Folgewoche (d.h. hier: am Montag, den 14.01.2013) von dem privaten Postserviceunternehmen sortiert und der Weiterleitung an den Adressaten zugeführt worden ist, gilt die Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO als widerlegt, da ein (vermuteter) Zugang am gleichen Tag -dem 14.01.2013- schlechthin nicht möglich ist.

Der Einspruchsentscheidung – und der private Postservice

Weist das Finanzgericht eine Klage zu Unrecht durch Prozessurteil als unzulässig ab, statt zur Sache zu entscheiden, liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ein Verfahrensfehler im Sinne von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vor1. Ein derartiger Mangel ist insbesondere gegeben, wenn das Gericht deshalb nicht zur Sache entscheidet, weil es zu Unrecht davon ausgeht, dass die Klagefrist versäumt ist2.

Im Streitfall hat das Finanzgericht die Klage zu Unrecht wegen Versäumung der Klagefrist als unzulässig abgewiesen.

Mit der Behauptung, die Klagefrist sei bei Klageerhebung nicht abgelaufen gewesen und das Finanzgericht habe in diesem Zusammenhang § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO unrichtig angewandt, da die Einspruchsentscheidung nicht, wie vom Finanzamt behauptet, als am 14.01.2013 zugegangen gilt, da sie erst am 15.01.2013 tatsächlich zugegangen ist, hat der Kläger einen Verfahrensfehler geltend gemacht und auch hinreichend dargelegt.

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Begründungsmängel im finanzgerichtlichen Urteil

Die Bescheinigung des Postserviceunternehmens musste der Bundesfinanzhof im vorliegend Fall berücksichtigen, auch wenn sie erst nach Verkündung der angefochtenen Entscheidung des Finanzgerichts vorgelegt wurde. Die Sachentscheidungsvoraussetzung der fristgerechten Klageerhebung ist vom Bundesfinanzhof von Amts wegen und ohne Bindung an die tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts zu prüfen3.

Daher ist im Streitfall von einer Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung erst zu einem späteren Zeitpunkt auszugehen, so dass die Klageerhebung noch fristgerecht war.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 25. März 2015 – V B 163/14

  1. BFH, Beschlüsse vom 01.03.2013 – IX B 144/12, BFH/NV 2013, 952; und vom 15.07.2013 – IX B 28/13, BFH/NV 2013, 1537[]
  2. BFH, Urteil vom 24.09.1985 – IX R 47/83, BFHE 145, 299, BStBl II 1986, 268; BFH, Beschlüsse vom 26.05.2010 – VIII B 228/09, BFH/NV 2010, 2080 und in BFH/NV 2013, 1537[]
  3. ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Urteil vom 21.01.1999 – IV R 40/98, BFHE 188, 523, BStBl II 1999, 563[]