Der elektronische Fristenkalender, die nicht eingetragene Frist – und keine Wiedereinsetzung

Die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt voraus, dass der Beteiligte ohne Verschulden verhindert war, die versäumte Frist einzuhalten (§ 56 Abs. 1 FGO). Jedes Verschulden -also auch einfache Fahrlässigkeit- schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus1. Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten ist dem Beteiligten nach § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung zuzurechnen.

Der elektronische Fristenkalender, die nicht eingetragene Frist – und keine Wiedereinsetzung

Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe müssen für eine zuverlässige Fristenkontrolle sorgen und die Organisation des Bürobetriebs so gestalten, dass Fristversäumnisse vermieden werden2. Wird -wie im Streitfall- Wiedereinsetzung wegen eines entschuldbaren Büroversehens begehrt, muss substantiiert und schlüssig vorgetragen werden, dass kein Organisationsfehler vorliegt, d.h. dass der Prozessbevollmächtigte alle Vorkehrungen getroffen hat, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind (z.B. BFH, Beschluss vom 14.12 2011 – X B 50/11, BFH/NV 2012, 440).

Bei einer elektronischen Fristenkontrolle gelten keine geringeren Anforderungen3. Dementsprechend ist nach ständiger und gefestigter Rechtsprechung ein die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließendes Organisationsverschulden anzunehmen, wenn ein Prozessbevollmächtigter einen EDV-gestützten Fristenkalender verwendet und die dort vorgenommenen Eintragungen nicht durch Ausgabe der eingegebenen Einzelvorgänge über den Drucker oder durch Ausgabe eines Fehlerprotokolls durch das Programm kontrolliert werden4. Die Kontrolle ist erforderlich, um nicht nur Datenverarbeitungsfehler des EDV-Programms, sondern auch Eingabefehler oder -versäumnisse mit geringem Aufwand zu erkennen und zu beseitigen (z.B. BGH, Beschluss in NJW-RR 2012, 1085).

Weiterlesen:
Rechtliches Gehör - gehört, aber nicht erhört

Danach haben im vorliegenden Fall nach Ansicht des Bundesfinanzhofs die Prozessbevollmächtigten der Kläger die Revisionsfrist nicht ohne Verschulden versäumt. Nach ihrem Vorbringen handelte es sich um eine erstmalige Fehlleistung der ansonsten zuverlässigen Mitarbeiterin Z durch Vergessen, Übersehen oder nicht erfolgter Abspeicherung des Dokuments. Die von der Rechtsprechung geforderte Kontrolle der Eingaben in das EDV-Programm war dem dargelegten organisatorischen Ablauf zufolge nicht vorgesehen und ist offenbar auch tatsächlich nicht durchgeführt worden. Denn andernfalls hätte auffallen müssen, dass die Erfassung im System auf dem Urteil dokumentiert wurde, obwohl sie tatsächlich nicht erfolgt war.

Im Übrigen tragen die Kläger zwar vor, das Urteil habe bei der erstmaligen Vorlage an den Steuerberater „alle internen Prüfmerkmale“ aufgewiesen. Tatsächlich war jedoch nur ein schlichter Eingangsstempel angebracht. Ob eine Erfassung im Fristenkontrollprogramm vorgenommen worden war, war für den Steuerberater damit nicht erkennbar.

Auch wenn es sich bei der Nichterfassung der Revisionsfrist im elektronischen Fristenkalender um ein einmaliges Versehen einer ansonsten zuverlässigen Mitarbeiterin handeln sollte, wäre dies bei einer entsprechenden Büroorganisation durch eine Kontrolle des Erfassungsvorgangs vermeidbar gewesen.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 9. Januar 2014 – X R 14/13

  1. u.a. BFH, Beschluss vom 30.11.2010 – IV B 39/10, BFH/NV 2011, 613, m.w.N.[]
  2. u.a. BFH, Beschluss vom 27.07.2011 – IV B 131/10, BFH/NV 2011, 1909, m.w.N.[]
  3. vgl. BFH, Beschluss in BFH/NV 2011, 1909[]
  4. vgl. BFH, Beschlüsse vom 30.04.2013 – IV R 38/11, BFH/NV 2013, 1117; vom 06.08.2001 – II R 77/99, BFH/NV 2002, 44; BGH, Beschlüsse vom 17.04.2012 – VI ZB 55/11, NJW-RR 2012, 1085; vom 02.02.2010 – XI ZB 23-24/08, NJW 2010, 1363; vom 12.12 2005 – II ZB 33/04, NJW-RR 2006, 500; vom 12.10.1998 – II ZB 11/98, HFR 1999, 670; vom 20.02.1997 – IX ZB 111/96, NJW-RR 1997, 698; vom 23.03.1995 – VII ZB 3/95, HFR 1995, 674[]
Weiterlesen:
Der auf 0,- € lautende Einkommensteuerbescheid