Nach § 56 Abs. 1 FGO ist einem Beteiligten auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Jedes Verschulden -also auch einfache Fahrlässigkeit- schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus1. Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten ist dem Kläger nach § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.

Zur Wahrung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde ist es gemäß § 116 Abs. 2 Sätze 1 und 2 FGO ausreichend, die Beschwerde unter Bezeichnung des angefochtenen Urteils einzulegen; eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils soll gemäß § 116 Abs. 2 Satz 3 FGO beigefügt werden (Mindestvoraussetzungen). Für eine „Ausformulierung“ und „Komplettierung“ sieht das Gesetz eine zweimonatige Beschwerdebegründungsfrist (§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO) vor, die auf Antrag um einen Monat verlängert werden kann (§ 116 Abs. 3 Satz 4 FGO). Die vom Kläger dargestellten gesundheitlichen Einschränkungen des ehemaligen Prozessbevollmächtigten -an denen der beschließende Bundesfinanzhof keine Zweifel hat- erklären nicht, weshalb es diesem in der Zeit zwischen dem ersten Besuch des Klägers am 4.06.2014 bis zum Fristablauf nicht möglich gewesen sein soll, die Mindestvoraussetzungen zur Wahrung der Beschwerdefrist zu erfüllen und die „Ausformulierung“ innerhalb der Begründungsfrist nachzureichen. Nach eigenem -unwidersprochenen- Vortrag war der ehemalige Prozessbevollmächtigte nicht verhindert, die Einlegungsfrist zu wahren, weil er seine Tätigkeit als Rechtsanwalt in dieser Zeit -wenn auch eingeschränkt- ausgeübt hatte. So wird insbesondere vorgetragen, dass der ehemalige Prozessbevollmächtigte „am Dienstag, den 10.06.2014 […] nach zwei anstrengenden Mandatsgesprächen über insgesamt fünf Stunden gegen 13.00 Uhr dermaßen erschöpft [gewesen sei], dass […] das Geplante […] nicht umgesetzt werden konnte“. Damit macht der Kläger im Ergebnis glaubhaft, dass der ehemalige Prozessbevollmächtigte am letzten Tag grundsätzlich in der Lage gewesen wäre, die Einlegungsfrist zu wahren, wenn er nicht anderen Tätigkeiten Vorrang eingeräumt hätte.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einlegungsfrist hat der Bundesfinanzhof vorliegend auch nicht (konkludent) dadurch gewährt, dass die zweimonatige Beschwerdebegründungsfrist (§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO) antragsgemäß durch prozessleitende Verfügung um einen weiteren Monat (§ 116 Abs. 3 Satz 4 FGO) verlängert wurde. Bei der Einlegungs- und der Begründungsfrist handelt es sich um zwei voneinander unabhängige Fristen. Die Verlängerung der Begründungsfrist erfolgte ausschließlich im klägerischen Interesse, damit die Beschwerde über die reguläre Frist hinaus substantiiert werden kann. Diese Verfügung trifft indes keine inhaltliche Aussage über das Vorliegen der Voraussetzungen der Einlegungsfrist oder einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Fristversäumnis.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 7. Januar 2015 – V B 70/14
- z.B. BFH, Beschluss vom 30.11.2010 – IV B 39/10, BFH/NV 2011, 613, m.w.N.[↩]