Das Gericht der Hauptsache kann nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO auf Antrag die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen und nach § 69 Abs. 6 Satz 1 FGO Aussetzungsbeschlüsse über Anträge nach § 69 Abs. 3 FGO jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen (§ 69 Abs. 6 Satz 2 FGO).

Da die Entscheidung des Gerichts über einen Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO nicht in materieller Rechtskraft erwächst, steht es dem Antragsteller frei, jederzeit einen neuen Antrag zu stellen. Die Zulässigkeit eines solchen Folgeantrags ist allerdings an die Voraussetzungen des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO gebunden1. Eine erneute Entscheidung in der Sache kann der Antragsteller also nur wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände herbeiführen.
Diese Einschränkung gilt auch dann, wenn in der Hauptsache inzwischen ein Verfahren beim Bundesfinanzhof als dem Gericht der Hauptsache anhängig ist und der erneute Antrag deshalb beim Bundesfinanzhof gestellt wird. Es wäre nicht gerechtfertigt, den Beteiligten allein wegen des zwischenzeitlich eingetretenen Zuständigkeitswechsels eine Rechtsschutzmöglichkeit zu eröffnen, die das Gesetz ihnen gegenüber dem erstinstanzlichen Gericht versagt. Andernfalls könnte durch wiederholte Aussetzungsanträge die Vorschrift des § 128 Abs. 3 FGO unterlaufen werden, nach der die Beschwerde gegen den eine Aussetzung ablehnenden Beschluss des Finanzgericht nur statthaft ist, wenn das Finanzgericht sie zugelassen hat2. Diese Regelung zielt darauf ab, dass ein einmal vom Finanzgericht entschiedenes Verfahren auf AdV nicht ohne Zutun des Finanzgericht an den BFH herangetragen werden soll. Damit wäre es nicht zu vereinbaren, wenn eine Anfechtung der in der Hauptsache ergangenen Finanzgericht-Entscheidung eine solche Möglichkeit letztlich doch eröffnen würde. Hierdurch könnte die vom Gesetz vorgegebene grundsätzliche Beschränkung des einstweiligen Rechtsschutzes auf eine Instanz für eine Vielzahl von Fällen unterlaufen werden3. Im Ergebnis kann deshalb auch ein –zutreffenderweise beim Bundesfinanzhof gestellter– erneuter Antrag auf AdV nur nach § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO statthaft sein4.
Da der Bundesfinanzhof als Gericht der Hauptsache sowohl für die Entscheidung über einen neuen Antrag als auch für die Änderung oder Aufhebung des vom Finanzgericht erlassenen Beschlusses zuständig ist5 und für beide Anträge dieselbe Einschränkung des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO gilt, kann der BFH offen lassen, ob das Rechtsschutzbegehren des Klägers als Aussetzungs- oder Änderungsantrag auszulegen ist.
Nach § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO ist die Zulässigkeit des Antrags von veränderten Umständen (Alt. 1) oder von zwar unveränderten Umständen abhängig, die aber im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemacht worden sind (Alt. 2). „Umstände“ in diesem Sinne können Tatsachen und Beweismittel sein, die nach Ablehnung der AdV entstanden oder bekannt geworden sind. Dasselbe gilt, wenn eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage inzwischen höchstrichterlich (anders) entschieden worden oder inzwischen ein die entscheidungserhebliche Rechtsfrage betreffender Vorlagebeschluss ergangen ist6.
Eine Änderung der maßgeblichen Rechtslage kann auch nicht darin gesehen werden, dass das Finanzgericht die Revision zum Bundesfinanzhof wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zugelassen hat. Abgesehen davon, dass selbst eine gegenüber dem Aussetzungsbeschluss veränderte rechtliche Beurteilung durch das Finanzgericht im Hauptsacheverfahren hierfür nicht genügen würde7, ermöglicht die Zulassung der Revision durch das Finanzgericht dem BFH zwar eine entscheidungserhebliche Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, stellt selbst aber noch keine Änderung der maßgeblichen Rechtslage i.S. des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO dar.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21. Oktober 2013 – V B 68/13
- vgl. BFH, Beschlüsse vom 24.02.2005 – VIII B 216/03, BFH/NV 2005, 1328 Leitsatz 1; vom 18.09.1996 – I B 39/96, BFH/NV 1997, 247; vom 25.03.1998 – IX S 27/97, BFH/NV 1998, 1115; vom 13.10.1999 – I S 4/99, BFHE 190, 34, BStBl II 2000, 86; vom 24.08.2004 – VIII S 1/04[↩]
- vgl. BFH, Beschlüsse in BFH/NV 1998, 1115; vom 04.11.1996 – IX S 7/96, BFH/NV 1997, 492[↩]
- vgl. BFH, Beschluss in BFH/NV 1998, 1115[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 24.08.2004 – VIII S 1/04[↩]
- vgl. Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 69 FGO Rz 1194; Gosch in Beermann/Gosch, Steuerliches Verfahrensrecht, § 69 FGO Rz 335; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO Rz 164[↩]
- vgl. Koch in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 69 Rz 199; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 69 FGO Rz 166, jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. Dumke in Schwarz, Kommentar zur FGO, § 69 Rz 112a; Gosch in Beermann/Gosch, a.a.O., § 69 FGO Rz 331[↩]