Das Finanzgericht kann gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 81 Abs. 1 Satz 1 FGO) verstoßen, wenn indem es die vom Kläger benannten Zeuginnen nicht vernimmt, hat, sondern stattdessen das Protokoll der Vernehmung in einem früheren Verfahren verwertet.

Im hier vom Bundesfinanzhof beurteilten Verfahren war der beim Finanzgericht entscheidende Bundesfinanzhof im Vergleich zu dem Bundesfinanzhof, der zwei Jahre zuvor über die Klagen der Ehefrau des jetzigen Klägers entschieden hatte, sowohl hinsichtlich des Berichterstatters als auch hinsichtlich der ehrenamtlichen Richter abweichend besetzt. Drei der fünf Richter hatten daher keinen eigenen unmittelbaren und persönlichen Eindruck von der früheren Beweisaufnahme. In einem solchen Fall darf, nachdem die frühere Beweisaufnahme im Wege der Protokollverlesung in das neue Verfahren eingeführt worden ist, bei der Beweiswürdigung nur das berücksichtigt werden, was auf der Wahrnehmung aller an der Entscheidung beteiligten Richter beruht oder aktenkundig ist und wozu die Beteiligten sich zu erklären Gelegenheit hatten. Nur unter diesen Voraussetzungen kann der persönliche Eindruck, den ein Zeuge bei der Beweisaufnahme hinterlassen hat, zur Beurteilung von dessen Glaubwürdigkeit herangezogen werden. Eindrücke, die die vernehmenden Richter bei der früheren Beweisaufnahme gewonnen, aber nicht im Protokoll vermerkt haben, dürfen bei der Entscheidung durch einen anders besetzten Bundesfinanzhof keine Rolle spielen1.
Das Finanzgericht hat in seinen Urteilen, die im Verfahren der Ehefrau ergangen sind, wörtlich ausgeführt, es habe sich „nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck nicht die Überzeugung davon verschaffen“ können, dass die Aussagen der Zeuginnen zutreffend seien. Diese Urteilspassage hat es im vorliegenden, gegen den Kläger ergangenen Urteil wörtlich zitiert. Vor diesem Hintergrund ist für den Bundesfinanzhof nicht nachvollziehbar, auf welcher Grundlage das Finanzgerichtim angefochtenen Urteil -ohne jede Erläuterung oder Begründung- behauptet, es habe in seiner früheren Entscheidung nicht auf die persönliche Glaubwürdigkeit der Zeuginnen abgestellt.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 16. Dezember 2014 – X B 114/14
- ständige höchstrichterliche Rechtsprechung; vgl. zum Ganzen BFH, Beschlüsse vom 30.04.2003 – I B 120/02, BFH/NV 2003, 1587, m.w.N.; und vom 07.02.2007 – X B 105/06, BFH/NV 2007, 962[↩]