Der rechtsmissbräuchliche Befangenheitsantrag

Eine pauschale Ablehnung aller Berufsrichter eines Spruchkörpers ohne Angabe ernstlicher Gründe in der Person des einzelnen Richters ist regelmäßig rechtsmissbräuchlich und daher unzulässig. Bei einem rechtsmissbräuchlichen Befangenheitsantrag kann der Spruchkörper in der geschäftsplanmäßigen Besetzung, d.h. unter Mitwirkung der abgelehnten Richter, über das Ablehnungsgesuch entscheiden.

Der rechtsmissbräuchliche Befangenheitsantrag

Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO in Verbindung mit § 42 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Misstrauen sind gegeben, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit zu zweifeln. Es müssen Anhaltspunkte für eine unsachliche Einstellung oder Willkür des Richters vorliegen. In dem Ablehnungsgesuch ist der Ablehnungsgrund darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 44 Abs. 2 ZPO).

Das Ablehnungsgesuch muss sich grundsätzlich auf bestimmte Richter beziehen. Eine pauschale Ablehnung aller Berufsrichter eines Spruchkörpers ohne Angabe ernstlicher Gründe in der Person des einzelnen Richters ist regelmäßig rechtsmissbräuchlich und daher unzulässig1. Falsche Rechtsansichten und Verfahrensverstöße können allenfalls dann eine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn sie auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber den Prozessbeteiligten oder auf Willkür beruhen. Die Fehlerhaftigkeit muss ohne weiteres feststellbar und schwerwiegend sein sowie auf unsachliche Erwägungen schließen lassen2.

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Nach diesen Grundsätzen ist das Ablehnungsgesuch der Kläger rechtsmissbräuchlich, da mit ihm pauschal die für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständigen Richter abgelehnt werden. Konkrete Gründe, die eine Befangenheit einzelner Richter befürchten ließen, werden nicht vorgebracht. Dem Vortrag ist auch nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen die abgelehnten Richter willkürlich eine Fehlentscheidung getroffen haben sollen.

Aus diesem Grund waren dienstliche Äußerungen der betroffenen Richter zu dem missbräuchlichen Ablehnungsgesuch nicht einzuholen; ferner kann der Bundesfinanzhof in der geschäftsplanmäßigen Besetzung, das heißt unter teilweiser Mitwirkung der abgelehnten Richter, über das Ablehnungsgesuch entscheiden3.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 14. Juni 2023 – IX S 4/23

  1. ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. u.a. BFH, Beschluss vom 20.06.2013 – IX S 12/13, BFH/NV 2013, 1444, Rz 3, m.w.N.[]
  2. vgl. BFH, Beschluss vom 10.03.2015 – V B 108/14, BFH/NV 2015, 849, Rz 10 und BFH, Beschluss vom 20.06.2013 – IX S 12/13, BFH/NV 2013, 1444, Rz 3, m.w.N.[]
  3. vgl. u.a. BFH, Beschlüsse vom 29.12.2015 – IV B 68/14, BFH/NV 2016, 575, Rz 3; vom 04.05.2016 – V B 108/15, BFH/NV 2016, 1289, Rz 10; vom 28.10.2020 – XI B 26/20, BFH/NV 2021, 536, Rz 24; BFH, Beschluss vom 20.06.2013 – IX S 12/13, BFH/NV 2013, 1444, Rz 5, m.w.N.[]