Der über das beA übermittelte Schriftsatz – und der Zeitpunkt des Eingangs

Der von einem Rechtsanwalt über das besondere Anwaltspostfach (beA) gemäß § 52d, § 52a Abs. 1, 2 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO in elektronischer Form übermittelte Schriftsatz -vorliegend die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde- geht dann bei Gericht ein, wenn er auf dem für das Gericht eingerichteten Server im Netzwerk für das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach gespeichert ist (vgl. § 52a Abs. 5 Satz 1 FGO)1.

Der über das beA übermittelte Schriftsatz – und der Zeitpunkt des Eingangs

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall war dem Kläger  für die Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde eine Fristverlängerung bis zum 10.02.2022 gewährt worden. Die auf jenen Tag datierte Beschwerdebegründung übermittelten die Prozessbevollmächtigten des Klägers als elektronisches Dokument über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA). Der automatisiert erstellte Prüf- und Transfervermerk vom 11.02.2022 weist aus, dass das Dokument am 11.02.2022 um „00:00:12“ (Stunden:Minuten:Sekunden) auf dem Server des Bundesfinanzhofs eingegangen ist. Die Senatsgeschäftsstelle wies die Prozessbevollmächtigten des Klägers auf den Zeitpunkt des Eingangs der Beschwerdebegründung hin. Eine Stellungnahme hierzu blieb aus. Der Bundesfinanzhof verwarf daraufhin die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig:

Der Kläger hat seine Beschwerde nicht innerhalb der von der Bundesfinanzhofsvorsitzenden gemäß § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO verlängerten Frist begründet. Die Begründung ging erst am 11.02.2022 und damit verfristet beim BFH ein.

Die Prozessbevollmächtigten des Klägers waren als Rechtsanwälte nach § 121 Satz 1, § 52d Satz 1 FGO verpflichtet, die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde und somit einen vorbereitenden Schriftsatz im Sinne der Norm als elektronisches Dokument zu übersenden2. Dieser Pflicht sind die Prozessbevollmächtigten nachgekommen, indem sie die Beschwerdebegründung als PDF-Dokument über das für den sachbearbeitenden Sozius, Rechtsanwalt X, eingerichtete beA (§ 31a BRAO) an die elektronische Poststelle des Bundesfinanzhofs übermittelt haben (§ 52a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO).

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Die auf diese Weise übermittelte Beschwerdebegründung ist außerhalb der gesetzlichen Frist eingegangen.

§ 52a Abs. 5 Satz 1 FGO bestimmt, dass ein elektronisches Dokument eingegangen ist, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist.

Nach der zur insoweit gleichlautenden Vorschrift des § 130a Abs. 5 Satz 1 ZPO ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt ein Eingang vor, wenn das Dokument auf dem für das Gericht eingerichteten Empfänger-Intermediär im Netzwerk für das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach gespeichert worden ist3. Unerheblich ist, ob und zu welchem Zeitpunkt das Dokument von dort aus an Client-Rechner innerhalb des Gerichtsnetzes weitergeleitet oder von solchen Rechnern abgeholt bzw. ausgedruckt wird4.

Diese Grundsätze hält der Bundesfinanzhof -gerade wegen des identischen Gesetzeswortlauts- auch für die Auslegung des § 52a Abs. 5 Satz 1 FGO für zutreffend5.

Im Streitfall ist das von den Prozessbevollmächtigten des Klägers übermittelte elektronische Dokument ausweislich des Prüfprotokolls erst am 11.02.2022 um 00 Uhr 00 und 12 Sekunden auf dem Server des elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs des Bundesfinanzhofs eingegangen und abgespeichert worden. Zweifel an der Richtigkeit der dort ausgewiesenen Uhrzeit bestehen für den Bundesfinanzhof nicht.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO ist nicht zu gewähren. Trotz Hinweises der Senatsgeschäftsstelle sowohl auf den verspäteten Eingang der Beschwerdebegründung als auch auf die Vorschrift des § 56 FGO hat der Kläger keinen Wiedereinsetzungsantrag gestellt. Der Bundesfinanzhof sieht trotz der zeitlich nur minimalen Fristüberschreitung von 13 Sekunden auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers ohne -einem diesem zuzurechnenden- Verschulden verhindert waren, die Beschwerdebegründungsfrist einzuhalten. Hierzu hätte der Kläger die konkreten Abläufe der Datenübermittlung im vorliegenden Einzelfall darlegen müssen.

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Auf die vom Kläger vorgebrachten Revisionszulassungsgründe kommt es daher nicht mehr an.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 25. Mai 2022 – X B 158/21

  1. Anschluss an BGH, Entscheidung vom 11.05.2021 – VIII ZB 9/20, NJW 2021, 2201, Rz 18[]
  2. vgl. zum zeitlichen Anwendungsbereich des § 52d FGO Art. 6 Nr. 4 i.V.m. Art. 26 Abs. 7 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013, BGBl I 2013, 3786[]
  3. BGH, Beschluss vom 11.05.2021 – VIII ZB 9/20, NJW 2021, 2201, Rz 18[]
  4. BGH, Entscheidungen in NJW 2021, 2201, Rz 18; vom 25.08.2020 – VI ZB 79/19, NJW/RR 2020, 1519, Rz 6 ff., sowie vom 14.05.2020 – X ZR 119/18, MDR 2020, 1272, Rz 12; ebenso Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl., § 130a Rz 14[]
  5. ebenso Brandis in Tipke/Kruse, § 52a FGO Rz 14; gleiche Auffassung für Zwecke des ebenfalls wortlautidentischen § 55a Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung Ulrich in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, § 55a VwGO Rz 94[]