Die ehrenamtlichen Richter – und die Besetzungsrüge

Zur ordnungsgemäßen Darlegung des Verfahrensfehlers, das Finanzgericht sei in der mündlichen Verhandlung nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 FGO), weil die Haupt- und Hilfsliste der ehrenamtlichen Richter nicht gemäß § 27 FGO vom Präsidium des Finanzgerichts für das Geschäftsjahr neu bestimmt worden ist, hat der Beschwerdeführer darzulegen, dass er diese Tatsache durch Einsichtnahme in die Unterlagen über die Wahl oder Heranziehung der ehrenamtlichen Richter ermittelt hat oder nicht ermitteln konnte, weil ihm der Präsident des Finanzgerichts beziehungsweise die von diesem beauftragte Stelle die erforderliche Einsichtnahme verweigert hat.

Die ehrenamtlichen Richter – und die Besetzungsrüge

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall trägt der Kläger vor, dass das Finanzgericht gegen § 27 FGO verstoßen habe, indem im Lauf des Geschäftsjahres 2021 in einer einheitlichen Neuwahl alle ehrenamtlichen Richter neu gewählt worden seien, es aber darauf verzichtet habe, für das Geschäftsjahr 2022 entsprechend § 27 FGO eine gesonderte Liste aufzustellen, die die Reihenfolge der Heranziehung der ehrenamtlichen Richter nur für das Geschäftsjahr 2022 eigens regele. Der Kläger beruft sich hierzu auf eine Auskunft der Urkundsbeamtin des 8. Senats des Finanzgerichts, nach der eine Hauptliste für das Jahr 2022 nicht existiert habe und stattdessen die einmal erstellte Hauptliste für die fünfjährige Dauer der Wahlperiode beibehalten werde.

Dieses Vorbringen des Klägers führt nicht zu einer schlüssigen Besetzungsrüge, weil der Kläger insoweit seine Ermittlungsobliegenheit nicht erfüllt hat.

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Die richterliche Unabhängigkeit

Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Aufstellung der Listen nach § 27 FGO durch das Präsidium des Finanzgerichts, so ist, ebenso wie bei einer nicht ordnungsgemäßen Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans, die Richterbank nicht ordnungsgemäß besetzt1. Bei der Prüfung von § 119 Nr. 1 FGO ist die Rechtmäßigkeit der Listen nach § 27 FGO ebenso wie die Rechtmäßigkeit des Geschäftsverteilungsplans -anders als seine Auslegung und Würdigung durch das Gericht- nicht nur auf Willkür, sondern auf jeden Rechtsverstoß zu untersuchen2. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Rechtsverstoß geeignet ist, die Sachlichkeit der Entscheidungsfindung in Frage zu stellen3.

Eine zulässige Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts gemäß § 119 Nr. 1 FGO setzt voraus, dass die Tatsachen bezeichnet werden, die den Verfahrensmangel ergeben. Es genügt nicht, nur „auf Verdacht“ eine unvorschriftsmäßige Besetzung der Richterbank zu behaupten, die das Revisionsgericht dann in tatsächlicher Hinsicht zu prüfen hätte. Kennt ein Beteiligter die tatsächlichen Grundlagen der Besetzung der Richterbank nicht, vermutet er aber einen Verfahrensfehler, muss er versuchen, sich Aufklärung zu verschaffen und nach der mündlichen Verhandlung gegebenenfalls eigene Ermittlungen anstellen4. Diese Sachverhaltsermittlung muss in geeigneter Weise erfolgen. Ein Kläger, der die ordnungsgemäße Besetzung des Gericht prüfen will, hat einen Anspruch darauf, dass ihm das Finanzgericht Einblick in die Unterlagen über die Wahl und Heranziehung der ehrenamtlichen Richter gewährt5. Dieser Anspruch ist durch schriftliches Einsichtsbegehren gegenüber dem Präsidenten des Finanzgerichts geltend zu machen6. Zur ordnungsgemäßen Darlegung des Verfahrensfehlers, das Finanzgericht sei in der mündlichen Verhandlung nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, weil die Haupt- und Hilfsliste der ehrenamtlichen Richter nicht gemäß § 27 FGO vom Präsidium des Finanzgerichts für das Geschäftsjahr neu bestimmt worden ist, hat der Kläger dementsprechend darzulegen, dass er diese Tatsache durch Einsichtnahme in die Unterlagen über die Wahl oder Heranziehung der ehrenamtlichen Richter ermittelt hat oder nicht ermitteln konnte, weil ihm der Präsident des Finanzgerichts beziehungsweise die von diesem beauftragte Stelle die erforderliche Einsichtnahme verweigert hat.

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Einsicht in einen spruchkörperinternen Geschäftsverteilungsplan

Der Kläger hat seiner Ermittlungsobliegenheit nicht genügt, indem er sich auf die Einholung einer Auskunft bei der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des zuständigen Senats beim Finanzgericht beschränkt hat. Er hat diese Auskunft nicht durch Einholung einer Auskunft bei der zuständigen Stelle sowie durch Prüfung der Unterlagen über die Aufstellung der Listen nach § 27 FGO durch das Präsidium des Finanzgerichts verifiziert. Aus der vom Kläger wiedergegebenen Auskunft ergibt sich auch nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit, dass konkrete Mängel bei der Aufstellung und Beschlussfassung des Präsidiums des Finanzgerichts über die Hauptliste der ehrenamtlichen Richter für das Jahr 2022 vorlagen oder eine Beschlussfassung vollständig fehlte. Er hat schließlich auch nicht dargelegt, aus welchen Gründen die nach seinen Angaben befragte Urkundsbeamtin des 8. Senats des Finanzgerichts überhaupt in der Lage war, sachgerecht Auskunft zu geben, da es nach § 27 FGO Aufgabe des Präsidiums des Finanzgerichts ist, die Hauptliste der ehrenamtlichen Richter aufzustellen.

Auch die vom Kläger zitierte Passage des Geschäftsverteilungsplans des Finanzgerichts für das Jahr 2022, nach der die Ladung der ehrenamtlichen Richter innerhalb der Hauptliste auch nach dem Jahreswechsel in der laufenden Reihenfolge der Liste erfolge, belegt keinen Verstoß gegen § 27 FGO. Es ist gerade Aufgabe des Präsidiums des Finanzgerichts festzulegen, ob bei Beginn eines neuen Geschäftsjahres während der laufenden Amtsperiode der ehrenamtlichen Richter wieder mit dem ersten in der Liste aufgeführten Richter zu beginnen oder über den Jahreswechsel hinaus in der bisherigen Reihenfolge fortzufahren ist7.

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Internet-Sperren

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 25. Juli 2023 – VIII B 31/22

  1. Schmid in Hübschmann/Hepp/Spitaler -HHSp-, § 27 FGO F. Rechtsmittel Rz 16[]
  2. Schmid in HHSp, § 27 FGO, F. Rechtsmittel, Rz 16[]
  3. vgl. zum Geschäftsverteilungsplan BFH, Beschluss vom 14.03.2019 – V B 34/17, Rz 12 f.[]
  4. BFH, Beschlüsse vom 19.05.2008 – V B 29/07, BFH/NV 2008, 1501, unter III.A.03.b [Rz 27]; vom 20.04.2001 – IV R 32/00, BFHE 194, 346, BStBl II 2001, 651, unter 3.a [Rz 16]; vom 10.04.1995 – VIII R 69/94, BFH/NV 1995, 912, [Rz 8]; Schmid in HHsp, § 27 FGO F. Rechtsmittel Rz 16[]
  5. BFH, Beschluss vom 20.04.2001 – IV R 32/00, BFHE 194, 346, BStBl II 2001, 651, unter 3.b.aa (2) [Rz 21][]
  6. vgl. BFH, Beschluss vom 20.04.2001 – IV R 32/00, BFHE 194, 346, BStBl II 2001, 651[]
  7. BFH, Beschluss vom 06.04.1999 – XI R 17/97, BFH/NV 1999, 1243, unter II. am Ende [Rz 10][]

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