Ein Urteil ist nur dann nicht mit Gründen versehen (§ 119 Nr. 6 FGO), wenn die Urteilsgründe ganz oder zum Teil fehlen und sie den Prozessbeteiligten keine Kenntnis darüber vermitteln, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Überlegungen das Urteil beruht.

Dies erfordert nicht, dass jedes Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen erörtert werden müsste; vielmehr liegt ein Verfahrensmangel i.S. von § 119 Nr. 6 FGO erst dann vor, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Dagegen ist ein dahingehender Verfahrensmangel nicht gegeben, wenn noch zu erkennen ist, welche Überlegungen für das Gericht maßgeblich waren1.
Danach war im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall ein Revisionsgrund nach § 119 Nr. 6 FGO nicht gegeben. Das Finanzgericht hat in den Gründen seiner Entscheidung ausgeführt, dass der Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO gehemmt gewesen sei, so dass der angefochtene Einkommensteuerbescheid noch vor Eintritt der Festsetzungsverjährung ergangen sei. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 171 Abs. 5 Satz 1 AO hat es bejaht, da die Steuerfahndungsstelle vor Ablauf der regulären Festsetzungsfrist mit Schreiben vom 06.12 2010 mit für den Kläger erkennbaren Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr begonnen habe. Das Finanzgericht hat auch ausreichend deutlich zu erkennen gegeben, dass nach seiner Auffassung der angefochtene Einkommensteueränderungsbescheid auf den Ermittlungen der Steuerfahndung beruhte. Denn es hat festgestellt, dass der Kläger erst aufgrund des Schreibens der Steuerfahndungsstelle vom 06.12 2010 die für die Überprüfung der Selbstanzeige erforderlichen Unterlagen vorgelegt habe und auf das Ergebnis der Ermittlungen der Steuerfahndung in seinem Urteil verwiesen. Aus diesen Ausführungen wird hinreichend deutlich, aus welchen Gründen das Finanzgericht die Klage abgewiesen hat.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 17. November 2015 – VIII R 68/13
- BFH, Beschluss vom 06.08.2012 – IX B 51/12, BFH/NV 2012, 1823, m.w.N.[↩]