Ein elektronisches Dokument, das aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) versandt wird und nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, ist nur dann wirksam auf einem sicheren Übermittlungsweg bei Gericht eingereicht, wenn die das Dokument signierende (und damit verantwortende) Person mit dem tatsächlichen Versender übereinstimmt. Der Inhaber eines beA darf sein Recht, nicht qualifiziert elektronisch signierte Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg zu versenden, nicht auf andere Personen, wie zum Beispiel Angestellte der Kanzlei, übertragen.

Mit dieser Entscheidung schließt sich der Bundesfinanzhof nun für den Bereich des § 52a FGO der gleichlautenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, des Bundesgerichtshofs, des Bundessozialgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts an.
Dass der Bevollmächtigte -statt die von ihm einfach signierte Revisionsbegründung vor Fristablauf persönlich einzureichen- seine Zugangsdaten für das beA an seine Kanzleiangestellte weitergibt, um den Schriftsatz auf diese Weise -vermeintlich form- und fristgerecht- an den Bundesfinanzhof übersenden zu lassen, ist unzulässig.
Ein anwaltlicher Prozessbevollmächtigter, der seit dem 01.01.2022 nach § 52d Satz 1 FGO zur Übermittlung elektronischer Dokumente verpflichtet ist1, muss alles ihm Zumutbare tun und veranlassen, damit die Frist und Form zur Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels gewahrt wird. In seiner eigenen Verantwortung liegt es, das Dokument gemäß § 52a Abs. 3 Satz 1 FGO entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen oder die Einreichung des einfach signierten elektronischen Dokuments auf einem sicheren Übermittlungsweg (insbesondere mittels beA nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO) vorzunehmen2.
Eigenem Bekunden zufolge unterschrieb der Prozessbevollmächtigte am 27.06.2022, dem Tag des Fristablaufs, die von ihm selbst ausgefertigte Revisionsbegründung; die Versendung über das beA sollte die Kanzleiangestellte erledigen. Die handschriftliche Unterschrift erfüllte zwar die Voraussetzungen der einfachen Signatur im Sinne des § 52a Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 FGO. Allerdings hätte dann -anders bei einer qualifizierten elektronischen Signatur (§ 52a Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 FGO)- der Versand des Schriftsatzes durch den Verantwortlichen (hier: den Prozessbevollmächtigten) selbst erfolgen müssen.
Dass ein nicht qualifiziert elektronisch signiertes Dokument nur dann auf einem sicheren Übermittlungsweg aus einem beA im Sinne des § 52a Abs. 3 Satz 1 Alternative 2, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO eingereicht wird, wenn die den Schriftsatz verantwortende Person das Dokument selbst versendet, ergibt sich schon aus der Gesetzesbegründung. Schon dem Entwurf des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten aus dem Jahr 2013 war zu entnehmen, dass diejenige Person, die den Schriftsatz verantwortet, diesen entweder qualifiziert elektronisch signieren oder einen sicheren Übermittlungsweg nutzen muss, um das Formerfordernis zu wahren3. Für die Pflicht zum Versenden durch den Verantwortlichen selbst spricht außerdem der Zweck der Vorschrift. So soll erreicht werden, die Identität des Urhebers und die Authentizität des jeweiligen Dokuments zu sichern. Würde man ein abweichendes Normverständnis zugrunde legen, wären unautorisierte Übermittlungen und Manipulationen des Textes bei nur einfach signierten Dokumenten nicht ausgeschlossen4. Entsprechend dürfen -auch wenn dies technisch möglich ist- Inhaber eines beA das Recht, nicht-qualifiziert elektronisch signierte Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg zu versenden, nicht auf andere Personen übertragen (vgl. § 23 Abs. 3 Satz 5 der Rechtsanwaltsverzeichnis- und -postfachverordnung -RAVPV-). Sie dürfen das für sie erzeugte Zertifikat keiner weiteren Person überlassen und haben die dem Zertifikat zugehörige Zertifikats-PIN geheim zu halten (§ 26 Abs. 1 RAVPV).
Da der Versand nur einfach signierter Dokumente nicht Kanzleimitarbeitern überlassen werden darf, führt ein gleichwohl vorgenommener Versand, wie er im Streitfall von der Angestellten am 27.06.2022 nach dem Inhalt der Weisung vorgenommen werden sollte, wegen Verstoßes gegen zwingende gesetzliche Formvorschriften zur Formunwirksamkeit elektronisch einzureichender Dokumente5.
Knüpft der Verschuldensvorwurf für das Fristversäumnis folglich bereits an der Entscheidung des Prozessbevollmächtigten an, eine nur einfach signierte Revisionsbegründung entgegen § 23 Abs. 3 Satz 5 RAVPV durch eine Angestellte mittels beA einreichen zu lassen, statt sie persönlich zu übersenden, kommt es auf die Frage, aus welchen Gründen die Angestellte es in der Folge unterlassen hat, den Schriftsatz am 27.06.2022 tatsächlich zu übersenden, nicht mehr an. Eine Übersendung durch die Büroangestellte am besagten Tag wäre unwirksam und daher auch nicht fristgerecht gewesen. Der Prozessbevollmächtigte hätte den -von ihm nur einfach signierten- Schriftsatz persönlich über beA einreichen müssen oder den Schriftsatz qualifiziert elektronisch signieren müssen. Beides hat er im vorliegenden Fall nicht getan.
Dass -und gegebenenfalls aus welchen Gründen- ihm beides nicht möglich gewesen wäre, ist nicht dargetan. Allein die -nicht weiter glaubhaft gemachte- Angabe, er habe die Kanzleiräume wegen eines persönlichen Termins am 27.06.2022 bereits kurz vor Mittag verlassen und sei am selben Tag nicht mehr in das Büro zurückgekehrt, genügt einer substantiierten und in sich schlüssigen Erklärung für ein entschuldbares Versäumnis nicht.
Auch ein etwaiger Rechtsirrtum des Prozessbevollmächtigten wäre nicht unverschuldet, denn mit der Einführung des beA haben die Bundesrechtsanwaltskammer und der Deutsche Anwaltverein die Anwaltschaft über die geänderten Formerfordernisse informiert sowie auf die erforderliche Personenidentität und das Verbot der Weitergabe des beA-Zugangs hingewiesen6. Außerdem war die zitierte Rechtsprechung zu den inhaltsgleichen Parallelregelungen zu § 52a Abs. 3 FGO im Juni 2022 bereits ergangen und veröffentlicht. Sie hätte dem Prozessbevollmächtigten, der sich über den aktuellen Stand der Rechtsprechung zu informieren hat, bekannt sein müssen.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 5. November 2024 – XI R 10/22
- BFH, Beschlüsse vom 27.04.2022 – XI B 8/22, BFH/NV 2022, 1057, Rz 5 f.; vom 31.10.2023 – IV B 77/22, BFH/NV 2024, 20, Rz 5; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 52d FGO Rz 13[↩]
- zu diesen Alternativen z.B. BFH, Beschluss vom 16.01.2024 – VII R 34/22, BFH/NV 2024, 1041, Rz 15; Brandis in Tipke/Kruse, § 52a FGO Rz 8[↩]
- BT-Drs. 17/12634, S. 25[↩]
- vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.10.2021 – 8 C 4.21, NVwZ 2022, 649, Rz 5; BSG, Beschluss vom 27.09.2023 – B 2 U 1/23 R, Rz 17; BGH, Beschluss vom 20.06.2023 – 2 StR 39/23, HFR 2023, 1210; BAG, Beschluss vom 05.06.2020 – 10 AZN 53/20, BAGE 171, 28, Rz 14 ff.[↩]
- vgl. BAG, Beschluss vom 05.06.2020 – 10 AZN 53/20, BAGE 171, 28, Rz 14; BVerwG, Beschluss vom 12.10.2021 – 8 C 4.21, NVwZ 2022, 649, Rz 4; BGH, Beschluss vom 20.09.2022 – IX ZR 118/22, ZInsO 2022, 2579, Rz 7; BSG, Beschluss vom 27.09.2023 – B 2 U 1/23 R, Rz 18[↩]
- vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.10.2021 – 8 C 4/21, NVwZ 2022, 649, Rz 17; und BSG, Beschluss vom 27.09.2023 – B 2 U 1/23 R, Rz 21[↩]