Die mehr als zehnjährigen Unterbrechung einer Außenprüfung – und die Festsetzungsverjährung

Auch eine mehr als zehnjährigen Unterbrechung einer Außenprüfung läßt eine durch die Außenprüfung eingetretene Ablaufhemmung nicht entfallen.

Die mehr als zehnjährigen Unterbrechung einer Außenprüfung – und die Festsetzungsverjährung

Nach § 171 Abs. 4 Satz 2 AO entfällt die Ablaufhemmung der Festsetzungs- und Feststellungsfristen, wenn eine Außenprüfung (oder wie hier eine Steuerfahndungsprüfung i.S. von § 171 Abs. 5 Satz 1 AO) unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass eine Unterbrechung unmittelbar nach Beginn der Prüfung dann anzunehmen ist, wenn der Prüfer über Vorbereitungshandlungen, allgemeine Informationen über die betrieblichen Verhältnisse, das Rechnungswesen und die Buchführung und/oder die Sichtung der Unterlagen des zu prüfenden Steuerfalls bzw. ein allgemeines Aktenstudium nicht hinausgekommen ist.

Eine Außenprüfung ist danach nur dann nicht mehr unmittelbar nach Beginn unterbrochen, wenn die Prüfungshandlungen von Umfang und Zeitaufwand gemessen an dem gesamten Prüfungsstoff erhebliches Gewicht erreicht oder erste verwertbare Ergebnisse gezeitigt haben. Letzteres bedeutet allerdings nicht, dass die ermittelten Ergebnisse geeignet sein müssen, unmittelbar als Besteuerungsgrundlage Eingang in einen Steuer- oder Feststellungsbescheid zu finden; ausreichend ist vielmehr, dass Ermittlungsergebnisse vorliegen, an die bei der Wiederaufnahme der Prüfung angeknüpft werden kann1.

Der Bundesfinanzhof sieht auch nicht, dass der Steueranspruch wegen der mehr als zehnjährigen Unterbrechung der Prüfung verwirkt wäre. In der Rechtsprechung ist geklärt2, dass ein bloßes Untätigbleiben der Finanzbehörde in der Regel nicht ausreicht, um einen Steueranspruch als verwirkt anzusehen; denn die zeitliche Grenze für die Festsetzung eines Steueranspruchs bilden die Verjährungsvorschriften. Der Tatbestand der Verwirkung setzt neben dem bloßen Zeitmoment (zeitweilige Untätigkeit des Finanzamts) einerseits ein bestimmtes Verhalten des Anspruchsberechtigten voraus, demzufolge der Verpflichtete bei objektiver Beurteilung darauf vertrauen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Vertrauenstatbestand), andererseits aber auch, dass der Steuerpflichtige tatsächlich auf die Nichtgeltendmachung des Anspruchs vertraut und sich hierauf eingerichtet hat (Vertrauensfolge). Danach konnte die Untätigkeit der Prüferin allein kein Vertrauen des Steuerpflichtigen darauf begründen, dass das Finanzamt die Außenprüfung als erledigt betrachtet.

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Soweit der Steuerpflichtige aufgrund der außergewöhnlich langen Bearbeitungszeit mit unverhältnismäßig hohen Nachzahlungszinsen gemäß §§ 233a, 235 AO belastet sein sollten, wäre dem durch Billigkeitsmaßnahmen Rechnung zu tragen, zumal die Länge der Prüfungsunterbrechung im vorliegenden Streitfall ausschließlich in den Verantwortungsbereich des Finanzamtes fällt.

Zu einem anderen Ergebnis führt Ansicht des Bundesfinanzhofs auch nicht die Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Diese Vorschrift ist, so der Bundesfinanzhof, für steuerrechtliche Verfahren nicht anwendbar.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21. Januar 2015 – VIII B 112/13

  1. BFH, Urteil vom 26.06.2014 – IV R 51/11, BFH/NV 2014, 1716, m.w.N., zu einem mit dem Streitfall im Wesentlichen vergleichbaren Zeitablauf[]
  2. vgl. zuletzt BFH, Urteil in BFH/NV 2014, 1716, m.w.N.[]