Die offensichtliche Unrichtigkeit des Urteiltenors

Nach § 107 Abs. 1 FGO sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil jederzeit zu berichtigen.

Die offensichtliche Unrichtigkeit des Urteiltenors

Eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit im Sinne dieser Vorschrift ist nur gegeben, wenn es sich um ein „mechanisches“ Versehen handelt, aufgrund dessen -wie bei einem Schreib- oder Rechenfehler- das wirklich Gewollte nicht zum Ausdruck gelangt. Bereits die Möglichkeit eines Rechtsirrtums, Denkfehlers oder unvollständiger Sachverhaltsermittlung schließt die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit aus1. Der Urteilsformel haftet ein solcher Fehler regelmäßig dann nicht an, wenn die Entscheidung des Gerichts von dem Klageantrag gedeckt ist2.

Dies gilt aber nicht, wenn der gestellte Klageantrag erkennbar nicht dem Klagebegehren entspricht3.

Nach diesen Maßstäben war im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Verfahren die finanzgerichtliche Urteilsformel zu berichtigen:

Die Urteilsformel verpflichtet das Finanzamt, die begehrten Änderungen im angegriffenen Gewerbesteuermessbescheid 2015 und im angegriffenen Verlustfeststellungsbescheid auf den 31.12.2015, beide vom 25.07.2017, vorzunehmen; danach hat das Finanzgericht jeweils einen Verpflichtungsausspruch nach § 101 Satz 1 FGO getroffen. Aus den Ausführungen im Tatbestand des FG, Urteils ergibt sich jedoch ohne weiteres, dass die Beteiligten nicht um den Erlass eines abgelehnten Verwaltungsakts gestritten haben. Die Klägerin wollte erkennbar nur die den geänderten Bescheiden vom 25.07.2017 zugrunde liegende Versagung der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG beseitigen und damit den in dem Gewerbesteuermessbescheid 2015 und dem Verlustfeststellungsbescheid auf den 31.12.2015, beide vom 24.05.2017, geregelten Rechtszustand wiederherstellen. Dieses Klageziel ist mit einem durch Anfechtungsklage zu verfolgenden Aufhebungsbegehren zu erreichen (vgl. § 100 Abs. 1 FGO). Das Finanzgericht hat in seinen Entscheidungsgründen auch die Vorschrift des § 100 Abs. 1 FGO zitiert.

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Dem steht nicht entgegen, dass die Urteilsformel von dem Klageantrag der Klägerin gedeckt war. Denn im Streitfall entsprechen auch die Klageanträge der Klägerin nicht ihrem wirklichen Klagebegehren.

Das Gericht hat das wirkliche Klagebegehren anhand des gesamten Beteiligtenvorbringens einschließlich des Klageantrags zu ermitteln, weil maßgebend das materielle Ziel der Klage und nicht dessen Formalisierung durch einen Antrag ist4. Das Klagebegehren bezog sich allein auf die Wiedergewährung der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Dem wird durch die Aufhebung der angegriffenen Änderungsbescheide vom 25.07.2017 und der insoweit hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 06.09.2018 entsprochen.

Zuständig für die Berichtigung ist nach Anhängigkeit des Verfahrens in der Rechtsmittelinstanz -wie im vorliegenden Streitfall im Verfahren der Revision- der Bundesfinanzhof.

Das Berichtigungsverfahren ist gerichtskostenfrei. Eine Kostenentscheidung ist daher nicht zu treffen5.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 25. Mai 2023 – IV R 33/19

  1. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Beschluss vom 27.06.2017 – X B 106/16, Rz 14[]
  2. BFH, Beschluss vom 29.07.2010 – I B 121/10, Rz 15[]
  3. BFH, Beschluss vom 27.06.2017 – X B 106/16, Rz 21 f.[]
  4. z.B. BFH, Beschluss vom 27.06.2017 – X B 106/16, Rz 22, m.w.N.[]
  5. z.B. BFH, Urteil vom 30.03.2017 – IV R 9/15, BFHE 258, 44, BStBl II 2017, 896, Rz 33, m.w.N.[]