Die Reise des Prozessbevollmächtigten zur mündlichen Verhandlung vor dem EuGH

Erforderlich i.S. des § 46 Abs. 2 Satz 1 RVG ist jede Reise, die ein verständiger Beteiligter in der maßgebenden Situation zur Führung des Rechtsstreits und zum Erreichen des erstrebten Prozesserfolges als sachdienlich ansehen darf1.

Die Reise des Prozessbevollmächtigten zur mündlichen Verhandlung vor dem EuGH

Die Reise des Prozessbevollmächtigten zur mündlichen Verhandlung vor dem EuGH ist nach diesen Maßstäben erforderlich.

Ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV ist ein Zwischenstreit in dem zwischen den Beteiligten anhängigen Rechtsstreit. Wird einem Beteiligten daher uneingeschränkt PKH für das Revisionsverfahren bewilligt und ein Anwalt beigeordnet, so umfasst die Beiordnung auch die Vertretung im Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH2. Dass es zu einer Vorlage an den EuGH kommen könnte, war von vornherein bereits bei der Beiordnung des Prozessbevollmächtigten absehbar. Neben dem Recht zur schriftlichen Stellungnahme hat der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung vor dem EuGH wie die Vertreter der Mitgliedstaaten ein Anwesenheits- und ein Rederecht3. Sofern dieser prozessuale Anspruch auf rechtliches Gehör wahrgenommen werden soll, sind die Anwesenheit und die damit verbundenen Reisekosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung erforderlich.

Nach dem aus § 139 Abs. 1 FGO herzuleitendem Grundsatz, dass jeder Beteiligte die Kosten der Prozessführung, die ihm ggf. zu erstatten sein werden, so niedrig zu halten hat, wie sich dies mit der Wahrung seiner prozessualen Belange vereinbaren lässt (sog. Kostenminimierungspflicht)4, erachtet der Bundesfinanzhof aus der Sicht eines verständigen Beteiligten die zusätzliche Teilnahme des Klägers an der mündlichen Verhandlung vor dem EuGH als nicht erforderlich (vgl. auch den in § 121 Abs. 3 ZPO zum Ausdruck kommenden Kostenminimierungsgedanken im PKH-Verfahren).

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Seine Interessen können ausreichend und umfassend durch seinen im PKH-Verfahren beigeordneten Prozessbevollmächtigten wahrgenommen werden.

Nachrichtlich weist der Bundesfinanzhof darauf hin, dass die Erstattung der notwendigen Kosten sich nach dem Vergütungsverzeichnis -VV- (Anlage 1 zum RVG; § 2 Abs. 2 RVG), hier VV 7003 bis 7006, richtet.

Hinsichtlich der Fahrtkosten wird zwischen der Benutzung des eigenen Kraftfahrzeugs (VV 7003, Pauschale in Höhe von 0,30 € je gefahrenem km) und anderer Verkehrsmittel (VV 7004) unterschieden. Zu den sonstigen Auslagen zählen vor allem die in VV 7006 geregelten Übernachtungskosten, sofern diese erforderlich waren, etwa weil eine An- oder Rückreise am selben Tag nicht möglich oder nicht zumutbar war. Aufgrund des frühen Beginns der mündlichen Verhandlung vor dem EuGH (hier: 9:30 Uhr) ist es im vorliegenden Fall nicht missbräuchlich, bereits am Vortag anzureisen. Eine Übernachtung in einem sog. Luxushotel ist grundsätzlich nicht geboten, vielmehr ist eine Übernachtung in einem Mittelklassehotel mit modernem Komfort angemessen.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 15. Juni 2015 – III R 17/13

  1. vgl. BayLSG, Beschluss vom 03.02.2015 – L 15 SF 18/14 E, Rz 19; vgl. Fölsch in Schneider/Wolf, AnwK, § 46 RVG Rz 9[]
  2. BGH, Beschluss vom 16.01.2014 – IX ZR 265/12, NJW 2014, 1539[]
  3. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, EuRS Rz 21[]
  4. vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.09.2007 – 9 KSt 5/07, NJW 2007, 3656[]
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