Ein Prozessbevollmächtigter hat den Ablauf einer Rechtsmittelbegründungsfrist eigenverantwortlich zu überprüfen, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt werden.

Ist die Revision nicht in der gesetzlichen Form und Frist begründet worden, ist sie nach § 124 Abs. 1 FGO unzulässig. Nach § 120 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO beträgt im Fall des § 116 Abs. 7 FGO -der Stattgabe der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision- die Revisionsbegründungsfrist für den Beschwerdeführer einen Monat nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision. Die Frist kann gemäß § 120 Abs. 2 Satz 3 FGO auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Im Falle der Fristversäumung ist nach Maßgabe von § 56 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten.
Jedes Verschulden -also auch einfache Fahrlässigkeit- schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus1. Das den Angestellten einer Kanzlei unterlaufende Büroversehen kann entschuldbar sein, sofern kein Organisations- oder Überwachungsverschulden vorliegt. Unberührt davon bleibt jedoch eigenes Verschulden des Prozessbevollmächtigten, wenn dieses für die Versäumung der Frist ursächlich geworden ist2. Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für die Prozesserklärungen des selbst postulationsfähigen Beteiligten.
Bereits für die Einhaltung der Rechtsbehelfsfrist gehört zu den Obliegenheiten des Berufsträgers die Prüfung, ob das Datum des Eingangsstempels mit dem von dem Postbediensteten auf dem Briefumschlag eingetragenen Zustellungsdatum übereinstimmt3. Dies gilt auch für die Einhaltung einer Rechtsbehelfsbegründungsfrist, wenn diese Frist, wie im Falle des § 116 Abs. 7 FGO, ebenso durch eine Zustellung in Gang gesetzt wird und an die Stelle der Rechtsbehelfsfrist tritt. Bei der Prüfung der Revisionsbegründungsfrist sowie der Überwachung des Personals ist der Prozessbevollmächtigte ferner zu besonderer Sorgfalt verpflichtet, denn die Begründungsfrist für die Revision gehört nicht zu den üblichen, häufig vorkommenden und einfach zu berechnenden Fristen4. Ein Prozessbevollmächtigter hat den Ablauf einer Rechtsmittelbegründungsfrist eigenverantwortlich zu überprüfen, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung, vorgelegt werden oder sich sonst die Notwendigkeit einer Überprüfung aufdrängt5.
Nach diesen Maßstäben konnte in dem hier entschiedenen Fall Wiedereinsetzung nicht gewährt werden, da dem Kläger ein eigenes Verschulden an der Fristversäumung zur Last fällt. Die unzureichende Beachtung der gebotenen Sorgfalt war auch ursächlich für die Versäumung der Frist. Bei Vorlage der Akten zur notierten Vorfrist und damit rechtzeitig vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist hätte der Kläger die Frist selbständig prüfen müssen. Dabei wäre ihm aufgefallen, dass die tatsächlich gemäß § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1, 2 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB bereits am 19.07.2021, einem Montag, ablaufende Revisionsbegründungsfrist falsch notiert war.
Aus dem Vortrag, er habe die Revisionsbegründung eigentlich ohne Fristverlängerung fertigstellen wollen, ergibt sich, dass dem Kläger tatsächlich die Akten pflichtgemäß mit der Vorfrist vorgelegt wurden, andernfalls auch Anlass bestanden hätte, zu dem diesbezüglichen Fehler vorzutragen.
Bei dieser Vorlage hat der Kläger versäumt, eigenverantwortlich zu prüfen, ob die Revisionsbegründungsfrist zutreffend berechnet war. Bereits durch den gebotenen Vergleich des Eingangsstempels mit dem Zustellungsdatum wäre ihm aufgefallen, dass die Revisionsbegründungsfrist fehlerhaft notiert war. Zwar war der Fristbeginn korrekt notiert. Der Kläger wäre dabei aber auf das Datum der Zustellung des Zulassungsbeschlusses aufmerksam geworden und damit auch auf den Umstand, dass das notierte Datum des Fristablaufs zum einen zahlenmäßig drei Tage nach dem Datum des Fristbeginns, zum anderen auf einem Mittwoch lag. Waren Montag und Dienstag nicht gleichermaßen Feiertage, was lediglich über Weihnachten denkbar ist, nicht aber im Juli, konnte ein solcher Fristablauf nicht zutreffend berechnet sein. Im Übrigen hat der Kläger nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich, welche Überlegungen er angestellt hat, um die notierte Frist zu verifizieren, und welchen unverschuldeten Irrtümern er bei dieser Prüfung unterlegen gewesen sein könnte. Es ist nur der Schluss möglich, dass der Kläger die gebotene Prüfung der Revisionsbegründungsfrist tatsächlich nicht vorgenommen hat. Darin liegt eigenes Verschulden, das die Wiedereinsetzung ausschließt.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 30. Mai 2022 – II R 8/21
- BFH, Beschluss vom 28.04.2020 – II R 33/18, BFH/NV 2020, 1079, Rz 12[↩]
- BFH, Beschluss in BFH/NV 2020, 1079, Rz 13, m.w.N.[↩]
- für die Frist zur Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde BFH, Beschluss vom 11.10.2019 – IX B 52/19, BFH/NV 2020, 211, Rz 6[↩]
- BFH, Beschlüsse vom 23.08.2016 – IX R 15/16, BFH/NV 2017, 47, Rz 13; und vom 03.09.2019 – IX R 17/18, BFH/NV 2020, 27, Rz 15[↩]
- für die Revisionsbegründungsfrist BFH, Urteil vom 29.04.2008 – I R 67/06, BFHE 221, 201, BStBl II 2011, 55, unter B.I. 2.; für die Frist zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde BFH, Beschluss vom 28.08.2014 – VII B 12/14, BFH/NV 2015, 43, Rz 9[↩]