Die versagte Terminsverlegung – und der Anspruch auf rechtliches Gehör

Einem Verfahrensbeteiligten wird das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes i.V.m. § 96 Abs. 2 FGO) versagt, wenn das Gericht mündlich verhandelt, obwohl der Beteiligte einen Antrag auf Terminverlegung gestellt und dafür erhebliche Gründe geltend gemacht hat (§ 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO), da sich in diesem Fall die nach dieser Vorschrift eingeräumte Ermessensfreiheit des Gerichts, den Termin zu verlegen, zu einer Rechtspflicht verdichtet1.

Die versagte Terminsverlegung – und der Anspruch auf rechtliches Gehör

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung gehört zu diesen erheblichen Gründen auch die krankheitsbedingte Verhinderung des Beteiligten oder seines Prozessbevollmächtigten. Grundsätzlich sind die erheblichen Gründe für eine Terminverlegung nur „auf Verlangen“ des Vorsitzenden glaubhaft zu machen (§ 227 Abs. 2 ZPO). Strengere Anforderungen gelten allerdings, wenn ein Terminverlegungsantrag „in letzter Minute“ gestellt wird und dem Gericht keine Zeit bleibt, den Antragsteller oder dessen Prozessbevollmächtigten zur Glaubhaftmachung aufzufordern. In diesem Fall müssen die Beteiligten von sich aus alles unternehmen, damit ihrem Vortrag auch in tatsächlicher Hinsicht gefolgt werden kann. In derartig eiligen Fällen ist daher entweder die Vorlage eines ärztlichen Attests erforderlich, aus dem sich eindeutig die Verhandlungsunfähigkeit der erkrankten Person ergeben muss; ersatzweise muss der Beteiligte die Erkrankung so genau schildern und glaubhaft machen, dass das Gericht selbst beurteilen kann, ob sie so schwer ist, dass ein Erscheinen zum Termin nicht erwartet werden kann2. Jedenfalls gegenüber sachkundigen Prozessbevollmächtigten oder Beteiligten -wie dem Kläger als Rechtsanwalt, der vorliegend sich selbst und die Klägerin vertritt- besteht keine richterliche Hinweispflicht in Bezug auf die Verpflichtung, einen kurz vor der mündlichen Verhandlung gestellten Terminverlegungsantrag von sich aus substantiiert zu begründen und die darin aufgestellten tatsächlichen Behauptungen glaubhaft machen zu müssen3.

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Nicht ausreichend als Beweismittel ist bei einer geltend gemachten Krankheit nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Vorlage eines ärztlichen Attests, mit dem lediglich pauschal die „Arbeitsunfähigkeit“ bescheinigt wird4.

So war für den Bundesfinanzhof im hier entschiedenen Fall die Würdigung des Finanzgerichts Münster, dass der am Tag der mündlichen Verhandlung vom Kläger gestellte Antrag und die beigefügte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu unsubstantiiert waren, um auf eine Verhandlungsunfähigkeit des Klägers schließen zu können5, nicht zu beanstanden. Mangels eines glaubhaft gemachten erheblichen Grundes war die Entscheidung des Finanzgerichts, die mündliche Verhandlung durchzuführen, frei von Ermessensfehlern.

Bei dem vom Kläger gestellten Antrag handelte es sich um einen „in letzter Minute“ gestellten Terminverlegungsantrag, bei dem auch ohne Hinweis des Gerichts erhöhte Anforderungen an die sofortige Glaubhaftmachung der erheblichen Gründe galten, da der Antrag erst am Sitzungstag eine halbe Stunde vor der mündlichen Verhandlung gestellt wurde und dem Gericht keine Zeit blieb, den Kläger zur weiteren Glaubhaftmachung aufzufordern6.

Das Finanzgericht hat plausibel dargelegt, dass es aus der kurzen schriftlichen Mitteilung des Klägers, er sei aufgrund einer asthmatischen Heuschnupfenallergie mit starken Kopfschmerzen an der Terminwahrnehmung gehindert, und aus den in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung enthaltenen Angaben samt Diagnosekürzeln nicht auf eine Verhandlungsunfähigkeit des Klägers habe schließen können. Die nur für den Sitzungstag bescheinigte Arbeitsunfähigkeit des Klägers genügte zur Substantiierung einer Verhandlungsunfähigkeit des Klägers aufgrund der Erkrankung nach der dargelegten gefestigten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs für sich betrachtet ebenfalls nicht.

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Bundesfinanzhof, Beschluss vom 7. Juni 2022 – VIII B 51/21

  1. vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 08.09.2015 – XI B 33/15, BFH/NV 2015, 1690, Rz 11[]
  2. s. zum Ganzen BFH, Beschlüsse vom 04.11.2019 – X B 70/19, BFH/NV 2020, 226, Rz 10; vom 21.04.2020 – X B 13/20, BFH/NV 2020, 900, Rz 13, 14, 17, 18; vom 28.05.2021 – VIII B 103/20, BFH/NV 2021, 1361, Rz 4 bis 6; vom 22.03.2022 – VIII B 49/21 Rz 5[]
  3. BFH, Beschlüsse vom 05.05.2020 – III B 158/19, BFH/NV 2020, 905, Rz 8; in BFH/NV 2021, 1361, Rz 5; vom 22.03.2022 – VIII B 49/21 Rz 5[]
  4. BFH, Beschlüsse in BFH/NV 2015, 1690, Rz 13, m.w.N.; in BFH/NV 2020, 900, Rz 15[]
  5. FG Münster, Urteil vom 18.03.2021 – 8 K 3612/17 E, U[]
  6. vgl. BFH, Beschluss vom 22.03.2022 – VIII B 49/21 Rz 6[]

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