Die vom Finanzgericht verweigerte Einsicht in die Ermittlungsakten

Gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 FGO können die Beteiligten die Gerichtsakte und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen.

Die vom Finanzgericht verweigerte Einsicht in die Ermittlungsakten

Vorgelegte Akten in diesem Sinne sind die dem Gericht tatsächlich vorliegenden Akten. Ein Anspruch auf Einsichtnahme in Akten, die dem Gericht von der Finanzbehörde nicht vorgelegt worden sind und ihm folglich nicht vorliegen, besteht nicht1.

Auf eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör wegen versagter Akteneinsicht kann sich nur berufen, wer sich in ausreichendem Maße um die begehrte Akteneinsicht bemüht hat. Hierzu gehört nicht nur, dass ein Antrag auf Akteneinsicht überhaupt gestellt, sondern auch, dass dieses Begehren im Laufe des Verfahrens weiter verfolgt wird2. Dies muss mit der Rüge vorgetragen werden (§ 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b FGO).

Im vorliegenden Streitfall hat die damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers, die Ö mbH, wiederholt Akteneinsicht genommen. 

Mit Schriftsatz vom 31.08.2017 hat der Kläger beanstandet, dass er bislang keine Einsicht in die Gerichtsakten erhalten habe, und zudem beantragt, die beigezogenen Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft aa, die ihm bislang nur in Kopie vorgelegt worden seien, im Original einzusehen. Das Finanzgericht hat dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 06.10.2017 mitgeteilt, dass die Ermittlungsakten samt Beihefte nunmehr im Original vorlägen und für eine Einsichtnahme zur Verfügung stünden. Das Finanzgericht hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass wegen der demnächst anstehenden mündlichen Verhandlung die vorliegenden Akten dem Berichterstatter und den beiden weiteren Bundesfinanzhofsmitgliedern jederzeit zur Verfügung stehen müssten und dass daher die Akteneinsicht nunmehr an Gerichtsstelle, also in Cottbus, zu erfolgen habe.

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Diese Entscheidung ist unter Berücksichtigung der Komplexität des vorliegenden Streitfalls, des Umfangs der beigezogenen Akten und des Umstands, dass der erste Sitzungstag bereits für den 17.11.2017 angesetzt war, nicht zu beanstanden. Den Standpunkt des Klägers, dass ihm das Finanzgericht damit letztlich eine vollständige Akteneinsichtnahme verweigert habe, teilt der Bundesfinanzhof nicht. Dass sich der Kläger auch weiterhin um Akteneinsicht bemüht hätte, zum Beispiel in zeitlichem Zusammenhang mit den in bb durchgeführten Fortsetzungsterminen, oder dass beziehungsweise aus welchen Gründen eine Einsichtnahme seines Prozessbevollmächtigten im weiteren Verlauf des Verfahrens am Sitz des Finanzgerichts -tatsächlich- nicht möglich gewesen wäre, geht aus der Revisionsbegründung nicht hervor.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 28. Februar 2023 – VII R 29/18

  1. ständige Rechtsprechung, vgl. BFH, Beschlüsse vom 30.06.2022 – II B 55/21, Rz 10; vom 30.09.2016 – X B 27/16, Rz 7, m.w.N.; und vom 27.08.2014 – XI B 32/14, Rz 29, m.w.N.[]
  2. BFH, Beschluss vom 14.08.2014 – X B 5/14, – X B 6/14, Rz 8; BFH, Beschluss vom 22.12.2003 – VII B 35/03, BFH/NV 2004, 652, unter 1.; s.a. Lange in HHSp, § 78 FGO Rz 192[]

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